Die Wiedervernässung der Moore und die Frage, ob dann noch eine Milcherzeugung möglich ist, beschäftigt aktuell sehr viele Landwirte. Denn um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist eine (teil-weise) Wiedervernässung der Moore alternativlos, so die Auffassung der Politik. Doch so ohne weiteres ist die Wiedervernässung der Moore nicht möglich. Es ist denn auch (fast) schon absehbar, dass sich die Klimaschutzziele (CO2-Einsparungen) nicht erreichen lassen. Dieser Eindruck drängt sich nach dem...
Die Wiedervernässung der Moore und die Frage, ob dann noch eine Milcherzeugung möglich ist, beschäftigt aktuell sehr viele Landwirte. Denn um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist eine (teil-weise) Wiedervernässung der Moore alternativlos, so die Auffassung der Politik. Doch so ohne weiteres ist die Wiedervernässung der Moore nicht möglich. Es ist denn auch (fast) schon absehbar, dass sich die Klimaschutzziele (CO2-Einsparungen) nicht erreichen lassen. Dieser Eindruck drängt sich nach dem Besuch des Deutschen Grünlandtags auf.
Es gibt in Deutschland rund 1,8 Millionen Hektar Moorböden. Sie konzentrieren sich insbesondere auf das norddeutsche Tiefland sowie das Alpenvorland. Rund die Hälfte der Moorböden wird als Grünland genutzt. Obwohl die Moorböden nur rund 5 % der gesamten Fläche Deutschlands ausmachen, ist hier genauso viel Kohlenstoff gespeichert wie in allen deutschen Wäldern zusammen. Intakte Moore stellen daher eine wichtige Senke für Kohlenstoff dar.
Moore gasen kräftig aus
Im Moor wird Kohlenstoff von den Pflanzen aufgenommen und dann im Torf gespeichert. Allerdings entstehen durch die Entwässerung der Moore (92 % der Moorböden sind entwässert) Zersetzungsprozesse, wodurch wiederum große Mengen des gespeicherten Kohlenstoffs als CO2 in die Atmosphäre gelangen. Hier liegt die enorme Bedeutung von Moorböden für den Klimaschutz, denn die entwässerten Moorböden verursachen jährlich mit etwa 53 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente einen Anteil von etwa 7,5 % der gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen. Die gesamten Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft liegen bei 61 Mio. Tonnen und sind damit nur unwesentlich höher als die Emissionen der trockengelegten Moorböden.
Viele Experten stimmen mittlerweile darin überein, dass das Ziel der Treibhausgasneutralität in Deutschland 2045 nur erreicht werden kann, sofern es gelingt, die Kohlenstoffvorräte der Moorböden effektiv und langfristig zu schützen. In der Moorschutzstrategie (Bund-Länder-Zielvereinbarung) wurde deshalb auch im Jahr 2022 das Ziel definiert, die jährlichen Emissionen aus Mooren bis 2030 um 5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente zu senken.
Mehrere Hunderttausend Kühe werden fehlen
Etliche Milcherzeuger sind seitdem alarmiert, denn durch die in der Moorschutzstrategie gesteckten Ziele, sind sie direkt betroffen. Eine intensive Grünlandwirtschaft auf wiedervernässten Moorböden ist nämlich nicht mehr möglich. Allein in Niedersachsen werden von den circa 395.000 Hektar Moorfläche etwa 256.000 Hektar landwirtschaftlich genutzt - der deutlich überwiegende Anteil als Grünland für die Milchwirtschaft. Auch steht ein Großteil der 820.000 niedersächsischen Milchkühe in den nordwestlichen Landesteilen, wo unter anderem auch die Moore konzentriert sind. Eine landwirtschaftliche Nutzung dieser Standorte ist nur möglich, weil die Moore unter widrigsten Umständen über Generationen hinweg entwässert und melioriert wurden, so Gerhard Schwetje, Präsident der LWK Niedersachsen. Maßnahmen, die mit einer Wiedervernässung einhergingen, würden vielfach unweigerlich zur Aufgabe der bestehenden Wirtschaftsformen führen, befürchtet der Kammerpräsident. Dies betreffe aber nicht nur die im Moor wirtschaftenden Milchkuhbetriebe, sondern auch die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche. Einige Teilnehmer der Veranstaltung merkten denn auch kritisch an, dass an jedem Milchkuhbetrieb im nachgelagerten Bereich bis zu fünf Arbeitskräfte hängen würden.
Wiedervernässung : Oft fehlt Wasser
Beim Wassermanagement, der Sicherung dauerhafter hohen Graber- und Grundwasserstände, zeigt sich jedoch, wie sehr Wunsch und Wirklichkeit (Verwirklichung)auseinanderklaffen:
- Soll eine Verlangsamung der Torfdegradation erreicht werden, ist eine ganzjährige Anhebung des Wasserstands bis knapp unter die Geländeoberfläche von minimal 5 bis 15 cm unter Flur notwendig (nasse Moorböden). Bei Graben- und Grundwasserständen von unter 40 cm unter Flur (feuchte Moorböden) ist eine Torfzehrung kaum zu vermeiden.
- Eine zielführende Anhebung des Bodenwasserstandes in den Mooren gelingt jedoch nur bei einer dauerhaft ausreichenden Wasserverfügbarkeit. In einer Zeit sinkender Grundwasserspiegel und häufigerer Trockenperioden ist das aber nicht an allen Moor-Standorten zu gewährleisten. Um besonders während der Sommermonate ein Trockenfallen der Torfe zu verhindern zu können, muss ein ausreichendes Zusatzwasserangebot vorgehalten werden (Wasserspeicherbecken, Stauanlagen, Überleitung aus Flüssen oder Seen. …).
- Es müssen vielerorts zunächst noch Anlagen für eine Grundwasserregulierung, d.h., Grabensystem mit Wehren und regulierbaren Stauen sowie Schöpfwerke zur Wasserrückhaltung und zum Grabeneinstau installiert werden. Ungeklärt ist auch noch die Frage, wer sich um die laufende Instandhaltung kümmern soll.
- Auch ist noch nicht geklärt, welche Eigenschaften die unterschiedlichen Torfe haben. Sind sie wasserdurchlässig oder bereits so stark zersetzt, dass sie kaum Wasser durchleiten können? Weil jedes Moor anders ist, gehört jede Vernässung einzeln vor Ort geplant. Stark degradiertes Niedermoor (vermulmter Torf) ist z.B. kurzfristig nicht wieder vernässbar, weil Quellbarkeit sowie Wasserleit- und Wasserhaltefähigkeit nicht mehr gegeben sind.
Bleibt festzuhalten: Nur mit funktionsfähigen Wasserbewirtschaftungsanlagen für die Wasserzufuhr können Moore wieder vernässt werden. Dazu muss jedoch zunächst das Wassermanagement ganzer Regionen neu konzipiert werden! Eine Wiedervernässung ist nämlich nur dort möglich, wo Wasser ganzjährig ausreichend vorhanden ist bzw. verfügbar gemacht werden kann! Dabei muss ein gesamtes Moorgebiet als hydrologische Einheit betrachtet werden. Von einem solchen Szenario ist die Praxis jedoch noch weit entfernt.
Der Deutsche Grünlandverband richtete am 14. und 15. September im niedersächsischen seine Jahrestagung aus. Im Mittelpunkt stand das Thema „Spannungsfeld Milchviehhaltung und Moorschutz“. Dazu tauschten sich die Teilnehmer aus Politik, Wissenschaft, Verbänden und Landwirtschaft intensiv aus.
Kommentar
Politik sollte sich nicht länger in die eigene Tasche lügen!
Moor muss nass laut – und dann? Alternative und nachhaltige Bewirtschaftungsformen sollen den betroffenen Milcherzeugern auf Moorstandorten alternative Einkommenslösungen bieten. Genannt werden immer wieder Paludikulturen (u.a. Torfmoos- und Schilfanbau), der Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln und Photovoltaik. Die Transformation weg von der Milch und hin zu den genannten Produktionsverfahren, soll freiwillig erfolgen und finanziell unterstützt werden. Aber selbst, wenn, wie vom BMEL angekündigt, Prämien in vierstelliger Höhe ausgezahlt werden (zunächst aber nur für zehn Jahre zugesagt!), so dürfte sich für Milcherzeuger unter dem Strich ein dickes Minus ergeben! Allein für Niedersachsen ist laut einem Gutachten des Grünlandzentrums bis zum Jahr 2045 mit Kosten (oder besser Verlusten!) von bis zu 4 Mrd. € zu rechnen. Selbst wenn pro Hektar 1.000 € „kompensiert“ werden, so dürfste sich das niemals rechnen!
Wiedervernässung und Milch – das passt nicht zusammen!
Klar ist: Die Milchviehhaltung in Moorgebieten hat bei stark torfzehrungsmindernden oder gar torferhaltenden Maßnahmen keine wirtschaftliche Zukunft mehr, da eine intensive Grünlandwirtschaft auf wiedervernässten Moorböden nicht möglich ist. Punkt!
Die Entscheider in Berlin und Hannover sollten endlich so ehrlich sein, dies den Milcherzeugern auch mitzuteilen – besser heute als morgen. Ein weiteres Herumreden um den heißen Brei ist gefährlich, es dürfte den Strukturwandel nur ordentlich anheizen. Schon heute haben aufgrund der Diskussion um die Wiedervernässung viele der betroffenen Milcherzeuger Probleme, sich bei den Banken zu refinanzieren! Investitionen sind quasi unmöglich geworden!
Ganze Dörfer müssten geräumt werden!
Und allen Politikern und Klimaaktivisten sei noch gesagt: Lügt euch und uns bitte nicht weiter in die Taschen. Klimaschutz ist nicht nur richtig teuer (da muss zunächst mal ordentlich in Wasser investiert werden). Ohne das „Räumen“ ganzer Landstriche, wie beim Braunkohleabbau erfolgt, werden sich die Treibhausgasemissionen nicht nachhaltig senken lassen. Mal hier und mal dort einen oder zwei Hektar zu vernässen, das bringt (fast) nichts! Ganze Ortschaften werden weichen müssen. Auch das sollte der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Und auch, dass die enormen Kosten dieses Transformationsprozesses gesamtgesellschaftlich getragen werden müssen! Die im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) vorgesehenen 1,2 Mrd. € zur Finanzierung der Maßnahmen des Moorschutzes dürften maximal als erste von vielen Tranchen zu sehen sein.
Gregor Veauthier
Viele Wissenschaftler räumen der Milchproduktion, so wie wir sie kennen, keine Zukunft mehr ein. In Berlin wurde ein alternatives Produktionsverfahren vorgestellt.
Deutschlands Moore gehören zu den größten Klimakillern: Sie stoßen mancherorts mehr Treibhausgase aus, als die Industrie. Welche Zukunft hat da die Milcherzeugung?