Mit gezielter Nutzung zu ertragsstabilen Grasnarben
Die Art und Weise, wie Gräser genutzt werden, beeinflusst ihre Leistung. Ein früher erster Schnitt führt etwa auch zu höheren Zuwachsraten im zweiten Aufwuchs.
Grünlandbestände bestmöglich zu bewirtschaften und zu nutzen, war nie einfach und wird durch die zunehmenden Witterungsextreme weiter erschwert.
Sich damit zu befassen, wie das Wachstum von Gras eigentlich genau abläuft und wie es durch die Art und Weise der Schnitt- oder Weidenutzung beeinflusst wird, kann helfen, den hinsichtlich Futterwert besten Nutzungszeitpunkt zu treffen und ertragsstabile Grasnarben zu erhalten. Hier widmen wir uns dem Verhalten von unserem wichtigstem Futtergras, dem Deutschen Weidelgras (Lolium perenne).
Jetzt bestellen und weiterlesen!
Elite - Das Fachmagazin für erfolgreiche Milchproduktion
Elite Print + Digital
Jahresabo
105,00 EUR
/
Jahr
6 Print-Ausgaben im Jahr versandkostenfrei
Alle Print-Ausgaben auch digital für Ihr Tablet oder Smartphone
Zugang zu sämtlichen Inhalten auf elite-magazin.de
Grünlandbestände bestmöglich zu bewirtschaften und zu nutzen, war nie einfach und wird durch die zunehmenden Witterungsextreme weiter erschwert.
Sich damit zu befassen, wie das Wachstum von Gras eigentlich genau abläuft und wie es durch die Art und Weise der Schnitt- oder Weidenutzung beeinflusst wird, kann helfen, den hinsichtlich Futterwert besten Nutzungszeitpunkt zu treffen und ertragsstabile Grasnarben zu erhalten. Hier widmen wir uns dem Verhalten von unserem wichtigstem Futtergras, dem Deutschen Weidelgras (Lolium perenne).
Grundlegende Eigenschaften von Deutschem Weidelgras (Lolium perenne)
Ein „Grasbüschel“ besteht aus mehreren Trieben. Jeder Trieb ist dabei eine eigenständige Pflanze. Der einzelne Trieb wird maximal zwei Jahre alt.
Hat ein junger Trieb das Drei-Blatt-Stadium erreicht, beginnt er Seitentriebe zu bilden. Etwa mit jedem weiteren Blatt kommt auch ein weiterer Seitentrieb hinzu. Seitentriebe werden besser gebildet, wenn genügend Licht den Triebgrund erreicht.
An einem ausgewachsenen Trieb befinden sich immer 3 bis 6 Blätter („Grashalme“): 1 bis 2 wachsende, 1 bis 2 in voller Leistung und 1 bis 2 die Vergehen, also absterben.
Die Blattbildungsrate ist temperaturabhängig. Bei 14 °C wird etwa alle 15 Tage ein neues Blatt gebildet. Pro Stunde können 1 bis 2 mm Blattfläche wachsen.
Nach etwa 20 Tagen setzt bei einem Blatt die Alterung ein. Mit Erscheinen eines neuen Blattes, beginnt das nächstältere zu vergehen. Je nach Witterung, Düngung und Blattzahl am Trieb wird ein Blatt nur 20 bis 50 Tage alt.
Die Inhaltsstoffe des absterbenden Blattes werden transferiert und möglichst vom Trieb wiederverwertet, z.B. etwa 80 % des Stickstoffes.
Nährstoffe speichert Weidelgras am Triebgrund (in den Blattscheiden), nicht in den Wurzeln.
Weidelgras besitzt ein flaches Adventivwurzelsystem. Es ist nicht zu einem sekundären Dickenwachstum befähigt und damit nicht als Speicherort geeignet. Die Lebensdauer einer Wurzel beträgt zudem nur etwa ein Jahr. Die Hauptwurzelmasse liegt in den oberen 5 bis 6 cm des Bodens.
Generatives und vegetatives Wachstum – die Sache mit dem Vegetationskegel
Das Wachstum von Gräsern teilt sich auf in eine generative (Vermehrung durch Samen) und eine vegetative (Blattmasse) Phase. Gesteuert wird dies vereinfacht gesagt durch die Tageslichtlängen und den sogenannten Vegetationskegel. Der Vegetationskegel (auch Apex oder Wachstumszone) ist die Spitze des Sprosses, an dem sich das Längenwachstum vollzieht. Es ist die Zone, in der die meisten Zellteilungen stattfinden. Auch die Wurzelspitzen verfügen über einen Vegetationskegel.
Generatives Wachstum: Im Herbst bilden sich, ausgelöst durch abnehmende Tageslichtlängen, im Vegetationskegel des Haupttriebes Blütenanlagen. Mit zunehmender Tageslichtlänge und einsetzendem Wachstum schiebt sich dieser dann in der Zeit April bis Juni im Stängel des überwinterten Haupttriebes hoch (Halmstreckung, Schossen) und entwickelt sich zur Ähre aus. In dieser generativen Wachstumsphase sind die Zuwachsraten am höchsten.
In der generativen Phase schiebt sich mit zunehmender Tageslichtlänge der Vegetationskegel (angedeutet mit orangem Pfeil) im Stängel des überwinterten Haupttriebes hinauf und wird später zur Ähre.
(Bildquelle: Elite)
Ernte erster Aufwuchs: Wird der Vegetationskegel bzw. die Ähre mit der ersten Nutzung abgeschnitten bzw. abgebissen, stirbt der Haupttrieb ab. Die zuvor vegetativ gebildeten Seitentriebe wachsen weiter und bilden sich zu neuen Haupttrieben aus. Bei diesen jungen Trieben findet in der Regel für den Rest der Vegetationszeit nur ein vegetatives Wachstum statt – aus dem Vegetationskegel bilden sich lediglich Blätter heraus. In der vegetativen Phase sind die Zuwachsraten geringer.
Wird der Vegetationskegel aufgrund eines frühen Termins (Vegetationskegel noch nicht weit hochgeschoben) noch nicht mit der ersten Nutzung abgeschnitten, erfolgt das Ährenschieben und damit ein weiterer rascher Massezuwachs im Folgeaufwuchs.
Praxis: Ein früher erster Schnitt für höhere Zuwachsraten auch im zweiten Aufwuchs
Theoretisch kann man sich die hohen Wuchsraten des generativen Wachstums auch im zweiten Aufwuchs noch zu Nutze machen – indem die erste Nutzung so frühzeitig erfolgt, dass der Vegetationskegel (Apex) sich noch unterhalb der Nutzungshöhe (Schnitthöhe) befindet. Das ist zeitlich gefasst etwa in der letzten April- bzw. ersten Maiwoche der Fall.
Ein früher erster Schnitt Ende April bringt zwar etwas weniger Masse, dafür eine hohe Futterqualität und einen durch eine grünere Restblattmasse und den verbleibenden Vegetationskegel am alten Hauptrieb zügige und hohe Wachstumsraten auch im zweiten Aufwuchs.
(Bildquelle: Berkemeier)
Gelingt das, abhängig von schnittwürdigem Masseaufwuchs, Witterung, Befahrbarkeit und Manpower, dann sorgt der nach dem Schnitt vorhandene Vegetationskegel und damit weiterwachsende Haupttrieb auch im zweiten Aufwuchs noch für hohe Zuwachsraten.
Zudem ist der erste Aufwuchs bei einer sehr frühen Nutzung nicht so hoch und massig wie bei einem späten ersten Schnitt im Ähren-/Rispenschieben, sodass die unteren Blätter nicht durch Lichtmangel vollständig abgestorben sind. Durch diese frischere, grüne Restblattmasse und den weiterwachsenden alten Haupttrieb regenerieren sich die Triebe schneller und die Wachstumspause ist geringer.
Zu beachten ist, dass das Gras dann im zweiten Aufwuchs blühen will. Der zweite Schnitt sollte dann etwa vier Wochen nach dem ersten Schnitt erfolgen, bevor die Ähren-/Rispen sichtbar werden. Das stellt sicher, dass die Futterqualität und das Nachwachsen nicht negativ beeinflusst werden.
Wird der Vegetationskegel dann im zweiten Schnitt abgetrennt, stirbt der alte Haupttrieb und junge Seitentriebe müssen aufwachsen – der dritte Aufwuchs erfolgt entsprechend langsamer.
Erfolgt der Schnitt des ersten Aufwuchses spät bei vollständig geschobener Ähre, sinkt nicht nur die Futterqualität, sondern die Grasnarbe ist zudem für den Folgeaufwuchs geschwächt. Es verbleibt weniger vitale Restblattmasse an den Trieben (weiß, gelb – durch Lichtmangel), die Grasnarbe braucht länger, um sich zu regenerieren und weiter zu wachsen.
(Bildquelle: Hünnies)
Praxis: Ein glatter Schnitt für eine schnellere Regeneration
Ein glatter Schnitt, also glatte Schnittflächen an den Blättern, erleichtert dem Gras die Wundheilung und Regeneration. So kann es sich im Idealfall bereits 48 Stunden nach dem Schnitt wieder um das Wachstum kümmern.
Je ausgefranster eine Schnittfläche, desto mehr Wasser und Nährstoffe verliert der Trieb. Auch ist das Risiko für Infektionen höher und es dauert länger, bis das Gras wieder wächst. Also - besser mit scharfen, gut eingestellten Klingen mähen.
Scharfe, gut eingestellte Klingen erlauben einen „gesunden“, glatten Schnitt. Die Triebe können sich schneller erholen, sind weniger anfällig für Infektionen und wachsen schneller weiter.
(Bildquelle: FAT)
Praxis: Gleichbleibende, höhere Nutzungshöhen für bessere Regeneration und Trockentoleranz
Gräser verfügen über eine beeindruckende Anpassungsfähigkeit. So auch an ihre erfolgte Nutzung.
Erstens ist dabei für die Praxis absolut relevant, dass sich Gräser bei der Ausbildung ihrer Reservestoffspeichers an eine wiederkehrende Nutzungshöhe anpassen – sie halten die Höhe ihrer Einlagerungszone in den Blattscheiden gezielt darunter. Egal ob Beweidung oder Schnittnutzung, für eine rasche Regenerationsfähigkeit der Triebe sollte man die Nutzungshöhe stabil halten. Wird die Nutzungshöhe einmal unterschritten, wird der Reservestoffspeicher gekappt!
Optimale Nutzungshöhen hinsichtlich Regenerationsfähigkeit (photosynthetisch aktive Restblattmasse, Reservestoffe) sollten bei Beweidung nicht die 4 cm verbleibende Höhe nach Nutzung unterschreiten und eine Schnittnutzung sollte nicht tiefer als 8 cm Schnitthöhe erfolgen.
Zweitens ist in der Praxis zu beachten, dass sich die Wurzelmasse der des oberirdischen Triebs anpasst. Eine intensive Nutzung mit niedriger Höhe (Standweide) führt zu kleinen Trieben, vielen Seitentrieben und kurzen Wurzeln. Eine höhere Nutzungshöhe führt zu mehr und tiefer reichenden Wurzeln. So verbessert sich die Trockentoleranz und Stressresistenz der Triebe.
Gräser verfügen über eine beeindruckende Anpassungsfähigkeit. So auch an die Art und Weise wie ihre Nutzung erfolgt.
(Bildquelle: Elite)
Striegel und Schleppe in der Grünlandpflege angemessen einzusetzen, erfordert neben Wissen auch Feingefühl. Praxistipps aus der Grünlandberatung.
Praxis: Verjüngung der Grasnarbe – Seitentriebbildung gezielt fördern!
Die Lebensdauer eines einzelnen Triebes ist begrenzt. Er wird maximal zwei Jahre alt – sofern der Vegetationskegel nicht entfernt wird. Sprich, um eine Grasnarbe jung und damit leistungsfähig zu halten, ist die Seitentriebbildung zu fördern. Neben dieser vegetativen Vermehrung, verjüngt sich eine Grasnarbe auch durch natürliche Aussaat (durch intensive Nutzung im Stadium vor der Blüte nur geringe Bedeutung) sowie durch die maschinelle Nachsaat.
Unter intensiver, junger Schnittnutzung bzw. Beweidung ist der Seitentriebbildung daher Beachtung zu schenken. Als idealer Nutzungszeitpunkt gilt daher in der vegetativen Wachstumsphase das 3-Blatt-Stadium. Denn erst mit dem Erscheinen des 3. Blattes (= Haupttrieb vollständig etabliert) wird der erste Seitentrieb gebildet (Bestockung). Dann folgt mit jedem weiteren Blatt auch ein weiterer vegetativer Trieb - unter günstigen Bedingungen einer pro Woche!
Erfolgt der Schnitt vor Etablierung des dritten Blattes, dann bleibt die Seitentriebbildung aus, oder verzögert sich. Sprich, der nächste Aufwuchs erfolgt langsamer. Bei dauerhafter Nichtbeachtung des 3-Blatt-Stadiums wird eine Grasnarbe kontinuierlich geschwächt, es können Lücken entstehen.
Erreicht ein junger Trieb das 3-Blatt-Stadium, beginnt er mit der Seitentriebbildung. Mit jedem weiteren Blatt wird dann auch ein weiterer Seitentrieb gebildet.
(Bildquelle: Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Positiv auf die Seitentriebentwicklung wirkt Licht am Triebgrund. Bei reiner Schnittnutzung gelangt weniger gleichmäßig Licht an den Triebgrund, die Triebdichte ist insgesamt geringer als in einem intensiven Weidesystem. Positiv auf die Seitentriebbildung wirkt auch Beweidung an sich, durch Biss und Tritt der Rinder reizen den Triebgrund, die Bestockung wird angeregt.
Quellen: u.a. Dr. Tammo Peters, Prof. Martin Bocksch
Die Frühjahrsdüngung zum 1. Schnitt ist die wichtigste Düngungsmaßnahme in der Vegetationszeit. Was ist jetzt zu tun, um die Bestände gut aufzustellen?