Herdenmanagement bedeutet, sehr viel Zeit im Stall zu verbringen. Welche Kühe brauchen besondere Aufmerksamkeit? Welche Maßnahmen könnten die Herde weiter voranbringen? Gleichzeitig übernehmen Herdenmanagerinnen oft noch selbst tägliche Aufgaben wie die Frischmelkerkontrolle, das Besamen oder das Melken von Problemtieren. Wie kann das funktionieren, wenn frau nur die Hälfte der Zeit im Stall verbringt? Wir haben zwei „Teilzeit-Herdenmanagerinnen“ nach ihren Erfahrungen gefragt.
„Den...
Jetzt bestellen und weiterlesen!
Elite - Das Fachmagazin für erfolgreiche Milchproduktion
Elite Print + Digital
Jahresabo
112,20 EUR
/
Jahr
6 Print-Ausgaben im Jahr versandkostenfrei
Alle Print-Ausgaben auch digital für Ihr Tablet oder Smartphone
Zugang zu sämtlichen Inhalten auf elite-magazin.de
Herdenmanagement bedeutet, sehr viel Zeit im Stall zu verbringen. Welche Kühe brauchen besondere Aufmerksamkeit? Welche Maßnahmen könnten die Herde weiter voranbringen? Gleichzeitig übernehmen Herdenmanagerinnen oft noch selbst tägliche Aufgaben wie die Frischmelkerkontrolle, das Besamen oder das Melken von Problemtieren. Wie kann das funktionieren, wenn frau nur die Hälfte der Zeit im Stall verbringt? Wir haben zwei „Teilzeit-Herdenmanagerinnen“ nach ihren Erfahrungen gefragt.
„Den Kurs für Führungskräfte kann ich jedem nur empfehlen!“
Annika von Marschall
Herdenmanagerin /Besamungstechnikerin (derzeit in Elternzeit)
Neustadt a.d. Aisch (Bayern)
Wie kam es zu deiner Teilzeit-Tätigkeit?
Annika: Nach dem Studium habe ich in Vollzeit im Herdenmanagement in Thüringen gearbeitet, wollte dann aber aus privaten Gründen zurück nach Bayern. Dort habe ich dann als Besamungstechnikerin gearbeitet und währenddessen meinen Chef kennengelernt, der dringend jemanden im Stall brauchte. Daher habe ich meine Vollzeit-Stelle reduziert und eine „zweite halbe“ Stelle als Herdenmanagerin auf dem Betrieb mit 200 Kühen begonnen; erst mit 24 Stunden, später mit 16 Stunden pro Woche.
Wie habt ihr die Arbeitswoche organisiert?
Annika: Ich habe einmal monatlich meine Arbeitszeiten geplant und meinen beiden Arbeitgebern die Planungen für den Folgemonat mitgeteilt. Ich war immer tageweise beschäftigt, z.B. montags bis mittwochs auf dem Betrieb und donnerstags bis freitags für den Besamungsverein; in der Woche darauf dann umgekehrt. Auch die Arbeitszeiten waren immer nach Bedarf: Mal bin ich morgens zum Melken gekommen, mal erst vormittags und dann aber bis abends geblieben.
Welche Aufgaben hast du übernommen?
Annika: Durch meine Ausbildung im Fruchtbarkeitsservice habe ich natürlich viel besamt, TUs und Embryotransfer durchgeführt. Aber auch Behandlungen, Dokumentation, insbesondere für das Qualitätsmilchprogramm, Kälber enthornen, den Belegungsplan für die Iglus erstellen, melken, aufräumen und saubermachen gehörten zu meinen Tätigkeiten. Insgesamt waren es feste Aufgaben, für die ich an diesen Tagen zuständig war. Abgesprochen haben wir uns meist bei gemeinsamen Mahlzeiten, wie das so ist im Familienbetrieb. Allerdings hat der Chef auch immer mal wieder im Herdenmanagementprogramm in die Zahlen geguckt und meine Arbeit so kontrolliert.
Hat die Arbeit innerhalb der geplanten Arbeitszeit geklappt?
Annika: Am Anfang nicht, da ging es selten ohne Überstunden. Kurz vor meiner Elternzeit waren wir viel eingespielter, da passte das!
Ein Betrieb braucht klare Strukturen, damit alle wissen, wer wann für wen ansprechbar ist.
Annika von Marschall
Herdenmanagement besteht oft aus viel Detailwissen – welche Kuh kränkelt, was wurde bereits erledigt, …. Wie hast du es geschafft, „auf Stand“ zu bleiben?
Annika: Das war wirklich nicht leicht. Ich habe immer wieder nachgefragt und Informationen eingeholt.
Und in Bezug auf die Mitarbeiter? Warst du auch für sie ansprechbar?
Annika: Nachdem ich eine Weile da war, hat der Chef einen Betriebsleiter als weitere Führungskraft eingestellt. Zuerst herrschte eine Zeitlang viel Unsicherheit, wer jetzt wann für was ansprechbar ist. Wir drei haben uns dann zusammengesetzt und die Zuständigkeiten genau geklärt. Ich war dann Hauptansprechpartnerin für die Kühe, wenn der Chef nicht da war. Klare Strukturen finde ich ganz wichtig! Am besten frühzeitig ansprechen, zum Beispiel bei der Einstellung. Ein paar Schwierigkeiten, die ich mit einem rumänischen Mitarbeiter hatte, waren aber nicht unbedingt auf die Teilzeit zurückzuführen.
Oh, was war da los?
Annika: Ich habe einen Führungskräfte-Lehrgang bei der IHK speziell für weibliche Führungskräfte gemacht und dabei so viel gelernt! Letztlich habe ich zu Beginn falsch kommuniziert, war zu aufbrausend. Das führte dazu, dass ich immer wieder mit diesem speziellen Mitarbeiter aneinandergeraten bin. Heute würde ich den Fokus viel stärker darauf legen, den Mitarbeitern meine Wünsche und Ziele vorzuleben, statt zu versuchen, sie mit Worten zu erreichen – unabhängig davon, ob ich jetzt Voll- oder Teilzeit arbeite. Wobei dieser Beziehungsaufbau und das „Vorbild sein“ natürlich bei weniger Präsenszeit auf dem Betrieb besondere Aufmerksamkeit erfordert.
Aktuell bist du ja in Elternzeit. Würdest Du nach diesen Erfahrungen eines Tages wieder als Herdenmanagerin in Teilzeit arbeiten?
Annika: Auf jeden Fall! In meinem Fall hat mir die Stelle ermöglicht, wieder mehr Praxis in mein Leben zu integrieren und ich finde, beide Jobs haben voneinander profitiert. Herdenmanagement ist einfach die perfekte Kombination aus praktischer Tätigkeit und Denkarbeit – ich liebe es!
„Die Digitalisierung hilft total!“
Hanna Schumacher
Herdenmanagerin (330 Kühe)
Kiel (Schleswig-Holstein)
Seit der Geburt deines Sohnes machst du deine ursprünglichen Aufgaben in der Hälfte der Zeit. Erzähl mal.
Hanna: Genau, wir haben umorganisiert. Vor der Geburt meines Sohnes habe ich eine landwirtschaftliche Ausbildung und ein Auslandsjahr gemacht und dann an der FH Kiel Agrarwirtschaft studiert. Im Anschluss habe ich 2019 in Vollzeit als Herdenmanagerin auf dem Milchkuhbetrieb meines Bruders angefangen. Seit einem Jahr, etwa ab Mitte der Schwangerschaft, verbringe ich noch etwa 20 Stunden wöchentlich im Stall.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag für dich aus?
Hanna: Gegen halb neun übernimmt meine Mutter meinen Sohn und nimmt ihn mit, während sie im Büro oder im Haushalt arbeitet. Dann gehe ich zu den Kühen, besame und erledige, was laut Wochenplan so ansteht: dienstags die TU mit unserem Tierarzt begleiten, mittwochs Trockenstellen, donnerstags Klauenpflege und so weiter. Zwischendurch macht meine Oma dann noch einmal eine Kinderwagenrunde. Mittags essen wir gemeinsam zu Mittag und wenn der Kleine danach schläft, kann ich entweder noch Reste abarbeiten oder mache Feierabend. Was ich im Vergleich zur Vollzeitbeschäftigung nicht mehr abdecken kann, ist das morgendliche Melken.
Wie habt ihr die Arbeit umverteilt?
Hanna: Grundsätzlich gibt es bei uns zwei Teams im Stall. Die Morgenschicht arbeitet von halb fünf bis mittags und die Abendschicht von 15 Uhr bis circa 19.30 Uhr. Jedes Team besteht aus zwei Melkern und einem Futtermeister, die auch jedes zweite Wochenende Dienst haben. Die Basisarbeit ist somit abgedeckt. Als ich schwanger wurde, haben wir eine Kollegin, die sich seit 10 Jahren um die Kälber kümmert und auch melkt, vermehrt im Kuhbereich eingearbeitet. Sie ist für mich ein „zweites Paar Augen“. Mit ihr bespreche ich alles und sie weist mich darauf hin, wenn zum Beispiel eine Kuh beim Melken auffällig war. Darüber hinaus gibt es einen Kollegen, der morgens bei den Behandlungstieren unterstützt, auch wenn er die Entscheidungen dazu nicht selbst trifft. Alles, was standardmäßig anfällt, haben wir aber in Form von festen Ablauf- und Behandlungsplänen hinterlegt.
Wenn wir Entscheidungen gemeinsam treffen und die Meinung der Kollegen einbeziehen, fühlen sich alle wertgeschätzt – das ist gut fürs Teamgefühl und ermöglicht Flexibilität!
Hanna Schumacher
Müsst ihr euch für Absprachen persönlich treffen?
Hanna: Es hilft auf jeden Fall, dass ich jeden Vormittag selbst im Stall bin und auch die meiste Arbeit vormittags erledigt wird. Darüber hinaus kommunizieren wir aber unheimlich viel über WhatsApp und ich schaue regelmäßig von zu Hause aus in unser Herdenmanagement-Programm. Denn ohne die Gesundheitsalarme unserer Halsbänder (wir nutzen Cowwatch) wäre ich ziemlich aufgeschmissen. Coli-Mastitiden habe ich früher zum Beispiel immer morgens beim Melken erkannt. Heute meldet die Software, wenn eine Kuh aufhört zu fressen, dann kontrolliere ich sie. Zudem haben wir eine Kamera im Abkalbestall installiert. Die Digitalisierung hilft mir enorm!
Das sind die Werktage. Wie deckt ihr die Wochenenden ab?
Hanna: Meine beiden Kollegen sind im gleichen Team, sodass wir abwechselnd Wochenenddienst machen und sie mich so vertreten können. Besamungen übernimmt dann mein Bruder oder es kommt der Techniker. Telefonisch bin ich aber immer erreichbar… das ist wahrscheinlich ein Unterschied zu angestellten Herdenmanagerinnen – ich werde nervös, wenn ich zu lange nichts von unseren Kühen höre! (lacht)
Welche „Knackpunkte“ siehst du bei eurem Arbeitsmodell?
Hanna: Natürlich ist es schwieriger, den Überblick zu behalten. Bei uns noch einmal mehr, weil morgens und abends unterschiedliche Personen melken. Wir schreiben zwar alles auf, aber früher „wusste“ man einfach viel mehr – hat die schon länger Flocken, wie ist das einzuordnen und so weiter. Einfach, weil man die Kühe täglich mehr gesehen hat.
Der Vorteil am Familienbetrieb: Kinderbetreuung ist verhältnismäßig einfach zu bewerkstelligen.
(Bildquelle: Helle Thomsen)
Wenn wir also zusammenfassen: Welche Punkte sind für dich wichtig, um als Herdenmanagerin in Teilzeit arbeiten zu können?
Hanna: Ich profitiere als mitarbeitendes Familienmitglied von der räumlichen Nähe. Ich wohne nur wenige hundert Meter entfernt, bin bei Notfällen rasch da und habe Mutter und Großmutter, welche die Kinderbetreuung übernehmen, damit ich arbeiten kann. Übers Handy bin ich für Rückfragen erreichbar und kann mir durch die Digitalisierung jederzeit einen Überblick über die Herde verschaffen. Dazu kommt, dass ich mich auf meine Kollegen verlassen kann – wir haben im Moment echt ein tolles Team!
Oft ist es einfacher, wenn alles so bleibt, wie es ist. Auf Milchkuhbetrieben kommt man an manchen Veränderungen aber nicht vorbei. Wie sie trotzdem gelingen.
Wenn die Arbeit nicht mehr zu schaffen ist, kann die Auslagerung bestimmter Bereiche eine Lösung sein. Welche Aufgaben sich dafür eignen und wann es sich lohnt.