Anni und Simon Sedlmair sind Milcherzeuger mit Leib und Seele. Mit ihrer Leidenschaft für Kühe haben sie auch ihre Söhne Matthias und Simon angesteckt. Die beiden Jungs waren sich denn auch schon sehr früh sicher, dass sie irgendwann einmal Milchbauern werden, komme was da wolle. Vor einigen Jahren haben die vier eine Betriebsgemeinschaft gegründet und in eine außerhalb der Ortschaft gelegene neue Milchkuhanlage investiert. Schließlich sollen mindestens drei Familien von der Milchproduktion leben können.
Mais wird zugekauft, Gülle abgegeben
Gut zwei Millionen Euro steckten sie 2012 in einen Boxenaufstall inklusive Melkzentrum. Durchaus ein Wagnis, denn die Sedlmairs verfügen nicht über allzu viel Fläche. Aktuell bewirtschaften sie gerade einmal 100 ha, deutlich zu wenig um die knapp 600 Stück Vieh satt zu bekommen. Auch fehlt es an Gülleflächen. Doch die Familie hat sich mit der Situation arrangiert. Mais wird ab Feld zugekauft, den größten Teil davon bauen Berufskollegen nach vorheriger Absprache an. Gülle wird an Ackerbauern abgegeben.
- 300 Kühe
- 10.000 kg Milch
- 100 Hektar
- 4,5 Ak
Die Milchkuhanlage liegt in einer intensiven Ackerbauregion, um einen Hektar pachten zu können, müssen schon mindestens 1.000 € geboten werden. „Da rechnet es sich besser, den stehenden Mais zwischen 1.500 € und 1.800 € zu zukaufen“, weiß Simon Jun. „zwar müssen wir auch für die Abnahme der Gülle etwas zahlen, doch hätten wir uns zunächst um die Flächenbeschaffung gekümmert, hätten wir wohl nie bauen können.“
Rückblickend war es wohl die richtige Entscheidung, nicht auf eine mögliche Pachtflächen zu warten, auch wenn die Kosten für die Gülleabnahme steigen. Der Agrar-Betrieb grenzt mittlerweile an das rote Gebiet, immer mehr Gülle drängt in die Region. Aber Simon Sedlmair Jun. ist zuversichtlich, dass sie die überschüssige Gülle auch in Zukunft unterbringen.
2x täglich zwei Stunden im 2x18er Fischgräten-Melkstand
Angemolken wurden die ersten 150 Kühe auf der neuen Anlage im März 2013. Heute passieren zwei Mal täglich rund doppelt so viele Fleckviehkühe den großzügig dimensionierten 2x18 Fischgräten-Melkstand (DeLaval Heavy-Duty). Zwei Melker fertigen die 300 köpfige Herde in knapp zwei Stunden ab.
Den Ausschlag für die Fischgräte gab letztlich die gute Möglichkeit der Tierbeobachtung und die Robustheit der Technik. Alles ist aus Edelstahl und damit auch leicht zu reinigen. Der größte Vorteil, den dieser Melkstand biete, sei aber der Servicearm. „Dieser Druckluft gesteuerte Servicearm ist kein reiner Schlauchhalter“, erläutert Simon Sedlmair.
Hier sei das Melkzeug fest am Arm aufgehängt. So lasse sich ohne körperliche Anstrengung das Melkzeug unterhängen und optimal durch drei Gelenke positionieren. Solche stabilen Arme kennt man sonst nur aus Melkrobotern. Großen Wert legten die beiden Brüder bei der Planung des Melkzentrums auch auf ausreichend Platz. „Wir melken schließlich selbst, da müssen dann auch mal die Kinder rumspringen können, ohne dass es gleich Stress gibt“, ergänzt Matthias.
32,5 kg im Tagesmittel – mit Fleckvieh!
Dass die Sedlmairs echte Kuhbauern sind, dass sie die Milcherzeugung „drauf haben“, das belegt unter anderem der Melkdurchschnitt, der aktuell bei 32,5 kg Milch pro Tag liegt. Die Durchschnittsleistung der reinrassigen Fleckviehherde erreicht mit 10.000 kg Milch (4,0 % Fett und 3,6 % Eiweiß; 160.000 Zellen/ml) ein top-Niveau. Für ein gutes Herdenmanagement spricht auch die Remontierungsrate von 23 %, die Abgangsleistung der Kühe von 36.000 kg, die Zwischenkalbezeit von 390 Tagen und letztlich das Erstkalbealter von 24,5 Monaten.
Mais-lastige TMR
Aufgeteilt ist die Kuhherde in eine Jungkuh-, eine Mehrkalbskuh- und in eine 36iger-Gruppe. In letzterer finden sich die Schwermelker und Kannenkühe. Ihren Namen verdankt die Gruppe den 36 Melkplätzen. So kann diese Gruppe am Ende der Melkzeit durch die Fischgräte getrieben werden.
Gefüttert wird eine sehr stärkereiche TMR, die im wesentlichen aus Maissilage (26 kg), Grassilage (8 kg), Kraftfutter (7,5 kg) und Biertreber (5,5 kg) besteht. Damit die Futtermischung nicht zu trocken wird, werden noch drei Liter Wasser zugesetzt. Die Mehrkalbskühe erhalten etwa je ein Kilo mehr Gras- und Maissilage zusätzlich, zudem wird ihnen noch bis zu 3,5 kg Kraftfutter über mehrere Abrufstationen angeboten.
Auch die Trockensteher werden sehr maislastig gefüttert (12kg Maissilage, 5 kg Stroh, 3 kg Grassilage, 2,5 kg Rapsschrot und viel Wasser). Während der Anfütterungsphase wird die Ration mit 2,5 kg eines speziellen Kraftfutters (enthält saure Salze) ergänzt.
Bei der Zusammenstellung der Futterrationen vertrauen die Sedlmairs einem Fütterungsberater eines Futtermittelunternehmens (Ahrhoff ). Dieser kommt ein Mal im Monat im Kuhstall vorbei und schaut sich dann die Kühe genau an. Zudem ruft er die LKV-Berichte online ab und wertet diese aus.
Tierschutzmilch seit 2017
Seit nunmehr bereits zehn Jahren wird auf dem Betrieb GVO-frei gefüttert. Seit 2017 wird sogar unter den Vorgaben des Deutschen Tierschutzbunds erzeugt (Tierschutz-Milch). Die Molkerei Gropper, die Sedlmairs die Milch abkauft, vergütete ihnen bisher den Mehraufwand mit zusammen drei Cent pro Liter. Aufgrund des stagnierenden Absatzes könnten die Boni künftig geringfügig geringer ausfallen. Aber dennoch ist Simon Sedlmair Jun. zufrieden. Man habe zwar einige Fressplätze und Liegeplätze zubauen müssen, aber die Investition habe sich amortisiert.
Als beste Investition stufen die beiden Brüder die 75 kw-Biogasanlage ein, die in 2016 ihren Betrieb aufgenommen hat. Die ausschließlich mit Gülleanlage gespeiste Anlage funktioniert sehr gut, nahezu störungsfrei. 2018 hat die Familie zudem noch in 480 kw Photovoltaik investiert.
Das hat uns besonders beeindruckt:
Das Zusammenspiel in der Großfamilie. Die Eltern (Anni und Simon Sen.; beide Meister) und ihre beiden Söhne Matthias (Meister und Betriebswirt) Simon Jun. (Dipl. Ing.) scheinen nahezu perfekt zu harmonieren. Jeder der vier Betriebsleiter hat seinen eigenen Aufgabenbereich, in dem ihm auch keiner ungefragt reinredet.
Mutter Anni ist gelernte Erlebnisbäuerin, sie engagiert sich in der Öffentlichkeitsarbeit, Besucher sind denn auch jederzeit willkommen. Vor der Corona Pandemie steuerte im Durchschnitt ein Bus voller Besuchern pro Woche die Milchkuhanlage an. Mittlerweile schauten schon Farmer aus allen Kontinenten in Schwabhausen vorbei. Hinter der Glasfront im Melkstand können sie u.a. beim Melken zuschauen. Auch bringt die Seniorchefin Stadtkindern die moderne Landwirtschaft nahe (Lernort Bauernhof). Zudem melkt sie am Morgen.
Simon Sedlmair Sen. Kümmert sich um die Kälber und die Rinder, auch obliegt im der Einkauf und die Vermarktung. Matthias kümmert sich um die Fütterung, die Biogasanlage und den Ackerbau, Simon Jun. um das Herdenmanagement. Großen Wert legen die vier Familienmitglieder jedoch darauf, dass sie sich bei Bedarf jederzeit gegenseitig vertreten können. Das ermöglicht Freiräume und einen Urlaub mit der Familie!
Wichtig ist den vier auch, Stall und Privatleben voneinander zu trennen. „Wenn ich sagen würde, dass wir uns nie streiten, wäre das gelogen. Aber wir wissen, was wir aneinander haben. Alle ziehen an einem Strang, wollen nur das Beste für den Betrieb.“ Vielleicht funktioniert das System Sedlmair so gut, weil am Ende des Tages alle getrennte Wege gehen? jeder wohnt für sich, die beiden Brüder sogar einige Kilometer weit auseinander. „Wir verstehen uns prächtig, aber etwas Abstand nach der Arbeit muss auch sein!“, erklärt Simon Jun..
Was sind die Erfolgsfaktoren im Kuhstall?
- Das Auge für die Kuh!
- Konsequenz und Gleichmäßigkeit (z.B. beim Futter mischen und Vorlage)
- Arbeitsgänge so gestalten, dass immer einer allein die Arbeit verrichten kann, denn sonst wird’s meist aufgeschoben.
Welche Maßnahmen haben in letzter Zeit zum Erfolg im Stall beigetragen?
- Die Umstellung von der Gruppenabkalbung auf feste Kleingruppen, das hat den Stress deutlich verringert.
- Obwohl die Stalldächer isoliert und die Seitenwände offen sind, wurden Ventilatoren nachgerüstet. Das Stallklima ist jetzt deutlich besser
- Die Investition in eine Biogasanlage. Die 75 kw-Anlage läuft rein mit Gülle. Sie sorgt für einen konstanten Umsatz und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Liquidität.
Warum melken Sie weiter?
„Die Milchproduktion ist einfach ein familienfreundliches System, die Kinder sind immer dabei im Stall. Wenn alle beieinander sind, alle drei Generationen, dann macht die Arbeit einfach mehr Spaß. Zudem wird den Kindern wird viel positives (fürs Leben) weitergegeben“ erläutert Matthias, der ältere der beiden Brüder.
„Es macht einfach Freude, etwas aufbauen und gestalten zu können und die Tradition fortsetzen zu können. Schon unser Opa hat immer gesagt: Als Bauer bist du nur der Verwalter, du bekommst es und gibst es weiter …“, ergänzt Simon.
Ausblick: Aktuell ist ein Transitstall in Planung, geplant ist alle Trockensteher auf der Milchkuhanlage zu sammeln und somit deutlich an Arbeitszeit einzusparen. Auch wurde damit begonnen, alle Kälber zu typisieren. Ziel ist es besser und frühzeitig selektieren zu können. Künftig sollen nur noch die besten Kälber aufgezogen werden.
Weitere Infos:
Eine Reportage (Im Fokus) aus Elite 2015 finden Sie
hier
Ein Video (von DeLaval) zum Melkzentrum finden Sie
hier