5.000 km und vier Kontinente: Simon und Mathias Sedlmair haben auf vielen Milchviehfarmen weltweit gearbeitet und sie besichtigt, bevor sie sich endgültig für die passende Melktechnik entschieden.
Anni Sedlmair steht neben dem Euter einer Fleckviehkuh. Der massive Servicearm, an dem das Melkzeug baumelt, gleitet unter das Euter. Ohne auch nur...
5.000 km und vier Kontinente: Simon und Mathias Sedlmair haben auf vielen Milchviehfarmen weltweit gearbeitet und sie besichtigt, bevor sie sich endgültig für die passende Melktechnik entschieden.
Anni Sedlmair steht neben dem Euter einer Fleckviehkuh. Der massive Servicearm, an dem das Melkzeug baumelt, gleitet unter das Euter. Ohne auch nur das eigentliche Melkzeug berühren zu müssen, setzt sie die Becher an die Zitzen an.
„Bei der Suche nach dem richtigen Melkstand stand für uns der Arbeitskomfort an oberster Stelle“, erklärt Simon Sedlmair (28 Jahre) in der ebenerdigen Melkergrube stehend. „Trotz der 300 Fleckviehkühe wollen wir unseren Betrieb weiterhin als Familienbetrieb bewirtschaften. Das bedeutet auch, dass wir selbst jeden Tag melken. Deshalb war uns das gelenk- und kräfteschonende Melken besonders wichtig.“
Als Familien-Clan zusammenarbeiten
Der Milchviehbetrieb Sedlmair im bayerischen Puchschlagen ist noch ein Familienbetrieb wie er im Buche steht. Hier arbeiten die beiden Brüder Mathias (30 Jahre) und Simon (Junior), der Vater Simon Sedlmair (Senior, 56 Jahre), die Mutter Anni (55 Jahre) sowie ein Auszubildender mit. Damit drei Familien auch in Zukunft weiter von der Milcherzeugung leben können, errichtete die Familie im Jahr 2013 einen neuen Stall auf der grünen Wiese und stockte von 130 auf 300 Kühe auf. „Für uns drei stand fest, dass wir den Stall aussiedeln wollten. Doch bei dem „Wie“, da hatten meine Söhne und ich eine ganz unterschiedliche Vorstellung“, schmunzelt Sedlmair Senior.
Sedlmair Senior wollte eine einhäusige Lösung. Also Melkstand und Laufstall unter einem Dach. „Auf den ersten Blick betrachtet war das die günstigere Lösung. Ich hatte die ersten Pläne auch schon vorliegen. Aber als meine Söhne aus aller Welt wieder nach Hause kamen, gab es für sie nur eine Antwort: zweihäusig bauen.“ Im nachhinein ist Sedlmair Senior froh, dass er auf seine Söhne gehört hat.
Von Karussell bis Roboter
Auch beim Melkstand hatten die beiden Brüder genaue Vorstellungen. Insgesamt legten sie fast 5.000 Kilometer zurück und bereisten vier Kontinente, um das für ihren Milchviehbetrieb optimale Melksystem zu finden. „Ich habe ein Dreivierteljahr auf einem Milchviehbetrieb in Neuseeland und sechs Wochen in Südafrika mitgearbeitet, anschließend noch einmal sechs Wochen auf einer Farm in Denver. Hier hat mich dann mein älterer Bruder Mathias besucht und wir sind weiter durch die USA gereist und haben zusammen in mehreren Melkständen gemolken“, beschreibt Simon Sedlmair ihre Besichtigungstouren.
Den beiden Brüdern war es wichtig, die Melk-stände nicht nur anzuschauen, „sondern in allen auch zu melken“. In den Niederlanden überließ ein Milchviehhalter den beiden Brüdern seine Herde sogar für mehrere Melkzeiten. Gemolken haben die Brüder in Parallel-, Fischgräten- und Karussellmelkständen. Auch in einem Milchviehbetrieb mit Robotern arbeitete Simon Sedlmair mit.
Die meisten Milchviehhalter hätten sich bei der Betriebsgröße wahrscheinlich für ein Außenmelker-Karussel entschieden, doch nicht so die Sedlmairs. „Neben dem doch anstrengenden Unterhängen der Melkzeuge, sieht man hier viel zu wenig von der Kuh. Vor allem das Laufen der Tiere lässt sich nicht beobachten“, erklärt Simon Sedlmair die Entscheidung.
Gegen den Side by Side-Melkstand entschieden sich die Familienmitgllieder wegen der geringen Sicht auf das Euter, gegen den Roboter wegen der ständigen Anbindung an den Milchviehbetrieb. „Man ist natürlich auf den ersten Blick flexibler in der Arbeitszeiteinteilung. Dafür hat man aber Tag und Nacht Bereitschaft. Das kam für uns alle auf die Dauer nicht infrage.“ Last but not least sprach für sie gegen einen Roboter, dass man in einem Melkstand bei guten Milchpreisen auch schnell mal „fünf Kühe“ mehr melken kann, bei einem ausgelasteten Roboter sei dies nicht möglich.
Letztendlich fiel die Entscheidung einhellig aus, und zwar auf den Fischgräten-Melkstand Blue Diamond (2 x 18) von DeLaval. Auch vorher schon hatten Sedlmairs in einem 2 x 7 – Fischgräten-Melkstand gemolken. Die Tierbeobachtung war für sie hier einfach ideal.
Lautloses Melken, robuster Servicearm
Simon Sedlmair fängt an die erste Kuh vorzumelken und anschließend abzuputzen. Anni Sedlmair folgt und hängt Euter für Euter unter. Die Szene wirkt wie aus einem Stummfilm. Es ist kein Zischen und kein Pulsatorentakt zu hören. Ganz weit weg ein kaum hörbares Klackern. Hingen die Melkzeuge nicht an den Eutern, könnte man meinen, die Melkmaschine sei gar nicht an. „Ein großer Vorteil dieses Melkstands ist, dass alle Bauteile in Edelstahlkästen verbaut sind. Dadurch ist von der Melkmaschine nahezu nichts zu hören. Wenn man tagtäglich hier arbeitet, ist das wirklich eine Wohltat“, betont Sedlmair Senior die Vorteile des Melkstands. Die Robustheit der Technik ist es, die den Sedlmair-Clan vor allem überzeugt hat. Alles sei aus Edelstahl und damit auch leicht zu reinigen. Der größte Vorteil, den dieser Melkstand biete, sei aber der Servicearm. „Dieser Druckluft gesteuerte Servicearm ist kein reiner Schlauchhalter, wie es bei anderen Fabrikaten oft zu sehen ist“, erläutert Simon Sedlmair. Hier sei das Melkzeug fest am Arm aufgehängt. So lasse sich ohne körperliche Anstrengung das Melkzeug unterhängen und optimal durch drei Gelenke positionieren. Solche stabilen Arme kennt man sonst nur aus Melkrobotern. Die Melkzeugabnahme erfolgt zudem über Ketten, „die rosten nicht und sind deutlich stabiler als die dünnen Seile, die sonst in der Abnahme verbaut sind“.
An jedem Melkplatz ist ein Computerterminal. Durch diese komfortable Ausstattung will Simon Sedlmair Zeit sparen. „Hier kann ich schnell Brunst-daten nachschauen oder Kannenkühe eingeben.“ Der Durchsatz des Melkstands liegt bei 160 bis 180 Kühe pro Stunde bei zwei Melkern. Umgerechnet melkt jede Ak 1.000 kg/h. Auf die Frage ob der Arbeitsweg bei einem 2 x 18-Fischgräten-Melkstand (keine steile Version) nicht zu lang sei, verneint Simon Sedlmair: „Wir arbeiten zu zweit. Eine Person melkt vor und dippt. Die andere läuft hinterher und hängt die Melkzeuge unter. So laufen wir keine Wege doppelt.“ Überzeugt hat die Sedlmair-Brüder auch das schräge Kotblech, das leicht zu reinigen ist. Auch im Indexing des Schnellaustriebs sehen die beiden Vorteile. „Die Elemente des Schnellaustriebs sind nicht verschweißt, sondern alle verschraubt. So konnten wir den Schnellaustrieb den Maßen unseres Fleckviehs anpassen.“
Eine weitere Besonderheit ist die zweifache Nutzung des Spülwassers. Das Spülwasser, mit dem die Melkanlage gereinigt wird, fangen Sedlmairs in einem separaten Tank auf. Nach der darauffolgenden Melkzeit nutzen sie dieses Wasser dann zum Reinigen der Standflächen und Wände im Nachwartebereich. So können sie zum einen Wasser sparen, zum anderen wird durch die doppelte Wassernutzung die Gülle nicht zu stark verdünnt. „Die Melkzeuge und die Melkgrube werden natürlich mit frischem Wasser gereinigt“, so Mathias Sedlmair. Die Kosten für den Melkstand beziffert Simon Sedlmair auf ca. 25 bis 30 % zusätzlich zu denen eines „vergleichbaren“ Fischgräten-Melkstands anderer Hersteller. Doch die Mehrkosten haben sich für ihn „absolut gelohnt“. Dass in diesem Melkstand auch viel Milch gemolken werden kann, zeigen die Leistungsdaten. So ermelken Sedlmairs 9.000 kg abgelieferte Milch bei 4,04 % Fett und 3,56 % Eiweiß.
Auch bei der Planung der Milchkammer griffen die Brüder auf ihre internationalen Erfahrungen zurück. „Unser Vater war zuerst skeptisch, als wir ihm sagten, dass wir den Milchtank nach draußen verlagern wollen. Doch dann haben wir ihn daran erinnert, wie oft in den vergangenen Jahrzehnten die Milchkammer immer wieder zu klein wurde. Da war er dann ein-verstanden“, schmunzelt Mathias Sedlmair. Das Hochsilo hat jetzt ein Fassungsvermögen von 25.000 Litern. „Damit hat der Tank ausreichend Puffer, falls die Molkerei nur noch alle drei Tage die Milch abholen will.“
Melkstand aus dem Container
So viel Zeit ihre Reisen und Besichtigungen gekostet haben, so schnell ging der endgültige Bau über die Bühne. Insgesamt vergingen nur acht Monate vom ersten Spatenstich bis zum Einzug. Der Bau hätte nur sechs Monate in Anspruch genommen, wenn der Import des Melkstands aus den USA nicht so lange gedauert hätte. „Den Melkstand nach Deutschland einzuführen hat uns Nerven gekostet. Hinzukam, dass der 16 m breite Kuhtreiber für den Wartehof nicht in einen Container passte“, erinnert sich Simon Junior. Sie brauchten einige Wochen, um die Firma DeLaval zu überreden den Treiber in der Mitte durchzuflexen und ihn in zwei Teilen im Container zu verschiffen.
Warum der große Aufwand? Sedlmairs wollten keine Notlösung, sondern diesen einen Kuhtreiber, „denn er ist bei dieser Größe der einzige freitragende Kuhtreiber, der mir bekannt ist.“ In Deutschland angekommen bauten sie ihn wieder zusammen. Der Treiber läuft pneumatisch, so sind keine zusätzlichen Stromleitungen notwendig. „Er ist damit sehr wartungsarm“, freut sich Simon Junior.
Gemeinsam für den Betrieb
Die Aufgaben sind unter den Familienmitgliedern genau verteilt. Einer der beiden Brüder melkt immer eine Mahlzeit. Simon Sedlmair ist für das Herdenmanagement, inklusive der Klauenpflege der gesamten Herde, zuständig, „ich will die Klauen regelmäßig sehen“. Mathias Sedlmair zeichnet sich für die Außenwirtschaft und die Fütterung der Tiere verantwortlich. Zudem besamt er die Jungrinder und hilft bei den Geburten mit. Sedlmair Senior melkt und kümmert sich um die Tränkekälber, tätigt sämtliche Ein- und Verkäufe. Auch der größte Teil der Büroarbeit gehört zu seinem Aufgabenbereich. Anni Sedlmair melkt morgens und abends als zweite Person mit. In Arbeitsspitzen helfen zusätzlich die Geschwister Annemarie und Andreas und die Lebenspartner der beiden Betriebsleiter mit. Simon Sedlmair betont, dass jedes Familienmitglied in seinem Verantwortungsbereich Entscheidungen trifft, ohne dies mit den anderen abzusprechen. „Mein Bruder ist für die Fütterung zuständig, da rede ich ihm bei der Rationsplanung nicht hinein. Nur wenn mir etwas an den Kühen oder den LKV-Daten auffällt sprechen wir darüber.“ „Wenn ich sagen würde, dass wir uns nie streiten, wäre das gelogen. Aber wir wissen, was wir aneinander haben. Alle ziehen an einem Strang, wollen nur das Beste für den Betrieb. Das schweißt einfach zusammen.“
Wie sich der Betrieb weiterentwickeln soll, da sind sich Sedlmairs noch nicht sicher. Als erstes soll jetzt noch eine Bergehalle gebaut werden. Der Standort jedenfalls lässt weiteres Wachstum zu: „Uns stehen alle Möglichkeiten offen. Dazu gehört auch, dass wir mit der Baugenehmigung für den Stall, gleichzeitig eine Baugenehmigung für eine kleine Biogasanlage beantragt haben.“ Doch wie es mittelfristig weitergeht, da möchte sich die Familie im Moment nicht festlegen.B. Ostermann-Palz