Gesundheit
Saure Salze nicht ohne Kontrolle
Ein saurer Stoffwechsel kann Kühe wirksam vor Milchfieber schützen. Wichtig für den Erfolg ist das kontinuierliche Monitoring u. a. des pH-Wertes im Harn.
Hypocalcämie ist der „Türöffner“ für die klassischen Frischabkalberprobleme und eine schlechte Resilienz der Milchkuhherde. Oft beginnt der „verpatzte“ Start in die neue Laktation mit einem niedrigen Blutcalciumgehalt. Negative Konsequenzen für den Energiestoffwechsel und die Funktion des Immunsystems sind die Folge. Die „sloppy cow“, die unmittelbar nach dem Abkalben nicht anfängt zu fressen, gerät oft immer weiter in die Abwärtsspirale aus Calciummangel und Energiedefizit. In deutschen Milchkuhherden erkrankten in der zweiten Laktation 29 %, in der 3. Laktation 49 % und ab der 4. Laktation 60 % der frisch laktierenden Kühe bei einem Schwellenwert von 2 mmol/l Ca im Blut an einer subklinischen Hypocalcämie (Venjakob et al. 2017).
Betriebsindividuelle Prophylaxe
Strategische Konzepte zur Prophylaxe der Hypocalcämie erstrecken sich von Einzeltier bezogenen Maßnahmen (z. B. Ca-Boli, Injektionen, Vit-D-Prophylaxe), über den Einsatz von Calciumbindern, der Fütterung einer Vorbereiter-Ration mit möglichst niedriger DCAB (Kationen-Anionen-Bilanz) durch Kalium-Reduktion bis hin zum Einsatz saurer Salze und einem negativen DCAB der Gesamtration. Abhängig vom Leistungsniveau der Herde, dem Grundfutter und der Umsetzbarkeit auf dem Betrieb, muss diesen sehr unterschiedlichen Strategien unterschiedliche Prioritäten eingeräumt werden. In den USA sind mittlerweile mehr als 70 % der Kühe mithilfe von sauren Salzen angesäuert.
Berechnung der DCAB
Ohne genaue Berechnung (Futterproben!) lassen sich saure Salze nicht planen! Das DCAB (Dietary-Cation- Anion-Balance)-Konzept berücksichtigt vor allem die Zufuhr der Kationen Natrium und Kalium in Differenz zu den Anionen Chlor und Schwefel unter Einbindung ihrer unterschiedlichen Atomgewichte. Grob lassen sich Futtermittel bezüglich ihres DCAB einteilen, doch zur Berechnung der Vorbereiterration sollten die Mineralien der Grundfuttermittel nasschemisch bestimmt werden. Der DCAB der angesäuerten Vorbereiterration sollte bei -50 meq/kg liegen. Nach ca. drei Tagen lässt sich durch Messung des Urin-pH-Werts bestimmen, ob man bei der Berechnung des DCAB in Abhängigkeit der Futteraufnahme richtig gelegen hat.
Schlüssel-Schloss-Prinzip
Jesse P. Goff (Iowa State University) forscht seit über 30 Jahren an Präventionsstrategien zur Bekämpfung von Hypocalcämie und dem Einfluss einer metabolischen Azidose auf den Calciummetabolismus. Mit dem Schlüssel-Schloss-Prinzip erklärt Goff anschaulich die Kaskade, die für die Freisetzung von Calcium aus den Knochen ablaufen muss (Hormon-Rezeptor- Komplex).
Die in der Übersicht (links) gezeigten Mechanismen müssen greifen, damit die Calcium-Homöostase funktionieren kann. Erst bei einem Blut-pH-Wert von 7,35 heftet sich das Parathormon an den Rezeptor an und unter dem Einfluss von Magnesium wird das im Knochen austauschbare Calcium freigesetzt.
Dieses Schlüssel-Schloss-Prinzip funktioniert in der Abbildung Mitte nicht, da der Blut-pH-Wert zu hoch ist und das Parathormon von den Rezeptoren nicht erkannt wird.
In Abbildung rechts fehlt das notwendige Magnesium für diesen Prozess. Bei ausreichender Magnesiumversorgung bleibt der Blut-pH-Wert die entscheidende Größe für die Regulation des Calciumhaushalts.