Rinderabgänge in landwirtschaftlichen Betrieben können manchmal ärgerlich für den Betrieb sein. Insbesondere dann, wenn die Abgänge durch unvorhersehbare Ereignisse oder Unfälle hervorgerufen werden.
Da ist es naheliegend, dass Tierhalter in diesen Fällen zumindest den wirtschaftlichen Verlust durch eine Notschlachtung des Tieres mindern wollen.
Aufgrund möglicher ökonomischer Vorteile einer Notschlachtung gegenüber einer...
Rinderabgänge in landwirtschaftlichen Betrieben können manchmal ärgerlich für den Betrieb sein. Insbesondere dann, wenn die Abgänge durch unvorhersehbare Ereignisse oder Unfälle hervorgerufen werden.
Da ist es naheliegend, dass Tierhalter in diesen Fällen zumindest den wirtschaftlichen Verlust durch eine Notschlachtung des Tieres mindern wollen.
Aufgrund möglicher ökonomischer Vorteile einer Notschlachtung gegenüber einer Euthanasie werden so aber leider auch Tiere notgeschlachtet, die nicht notgeschlachtet werden dürfen. So das Fazit einer Untersuchung der Universität Leipzig.
Die korrekte Notschlachtung
Die Verordnung, die die Anforderungen an eine Notschlachtung regelt, ist eigentlich sehr einfach: Notgeschlachtet werden nur Tiere, die frisch verletzt sind, ansonsten aber gesund.
Solche akut verunfallten Tiere können auf dem landwirtschaftlichen Betrieb betäubt und entblutet werden und im Anschluss für die weiteren Schlachtarbeiten mittels einer mobilen Schlachteinheit zu einem nahegelegenen Schlachtbetrieb verbracht werden.
Bevor notgeschlachtet wird, muss ein Tierarzt oder eine Tierärztin kommen, um eine Schlachttieruntersuchung durchzuführen.
Der Tierarzt oder die Tierärztin muss dann bei der Notschlachtung anwesend bleiben, um den Tierschutz bei der Notschlachtung zu überwachen und eine Veterinärbescheinigung auszustellen, welche das Tier zum Schlachtbetrieb begleitet.
Im Anschluss meldet der Landwirt oder die Landwirtin die Notschlachtung in der HIT-Datenbank. Die Schlachtung kranker Tiere ist hierbei unzulässig.
Entscheidungskriterien für das Notschlachten
Fehlerhafte Bescheinigungen
Eine Dokumentenprüfung von rund 360 Rinder-Begleitscheinen bei Notschlachtungen durchgeführt vom Institut für Lebensmittelhygiene, Professur Fleischhygiene der Universität Leipzig hat einige Schwachstellen aufgezeigt:
- So waren 2/3 der Begleitscheine unvollständig ausgefüllt und enthielten nicht immer plausible Diagnosen.
- Es wurden Tiere notgeschlachtet, die nicht hätten notgeschlachtet werden dürfen.
- In einem Viertel der Dokumente fehlte die Zeitangabe der Notschlachtung. Bei vollständiger Angabe der Zeiten der Schlachttieruntersuchung und der Notschlachtung wurden die meisten Tiere innerhalb von einer Stunde notgeschlachtet. In Einzelfällen vergingen bei einzelnen Tieren, die Knochenbrüche hatten, allein zwischen der Untersuchung und der Notschlachtung über 12 Stunden bis die verletzten Tiere erlöst wurden.
Außerdem äußerte Dr. Philipp Rolzhäuser vom o.g. Institut den Verdacht, dass einige (chronisch) kranke Tiere durch eine Notschlachtung noch der Lebensmittelkette zugeführt werden sollten und die Angaben in den Begleitscheinen nicht immer wahrheitsgemäß zu sein scheinen.
Tierärzt:innen und Milchkuhhalter:innen müssen gemeinsam sicherstellen, dass der Tierschutz und der Verbraucherschutz bei diesen Notschlachtungen sichergestellt werden.
Notschlachtungen dürfen Schmerzen und Leiden akut verunfallter Tiere nicht verlängern
Dr. Philipp Rolzhäuser
Ökonomische Zwänge sind kein Grund
Nach der Erhöhung der Gebührenordnung für Tierärzte denken Tierhalter einmal mehr darüber nach, ob die Kosten einer Euthanasie durch eine Notschlachtung umgangen werden können.
Tierärzte gelangen da schnell in einen Interessenskonflikt, wenn Tierhalter (ihre Kunden) eine Veterinärbescheinigung für „Grenzfälle“ fordern.
Eine Falschbeurkundung (durch den Tierarzt) oder tierschutzrechtliche Verstöße (durch Landwirt, Tierhändler) sind aber strafbar und wurden in der Vergangenheit mit hohen Geldstrafen belegt.
Zudem schadet die missbräuchliche Anwendung von Notschlachtungen der öffentlichen Wahrnehmung von Landwirtschaft, Schlachtunternehmen und Tierärzteschaft – somit der ganzen Branche – in der Gesellschaft.
Fazit
Ein gebrochenes Becken oder ein Muskelfaserriss der Hintergliedmaßen sind Gründe, ein Tier notzuschlachten. Um dem Tier unnötiges Leiden zu ersparen, muss umgehend eine Schlachttieruntersuchung durch einen Tierarzt durchgeführt werden und das Tier unmittelbar danach der Schlachtung zugeführt werden.
Ist das Tier dagegen krank (Tabelle), hat nicht therapierbare Schmerzen und die Heilungsprognose ist schlecht, darf die Entscheidung zur Euthanasie nicht hinausgezögert werden.
Quellen: DVG-Vet_Kongress, vetline.de, Laves-Niedersachsen
Uni-Projekt: Hofnahe Schlachtung im Dialog
Das Institut für Lebensmittelhygiene, Professur Fleischhygiene, der Universität Leipzig beschäftigt sich neben den Notschlachtungen auch mit regulären Schlachtungen im Herkunftsbetrieb, den sogenannten mobilen/teilmobilen Schlachtungen mit Hof- oder Weidetötung.
Im Rahmen des durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderten Projekts „Hofnahe Schlachtung im Dialog“ sollen mobile Schlachtungen wissenschaftlich begleitet werden und Schulungsunterlagen für die Beteiligten der Wertschöpfungskette erstellt werden.
Fotoquelle: Dr. Ibrahim, privat
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