Tierwohl | Haltungsform

Tierwohl-Milch: Nichts als ein PR-Gag?

Im Kühlregal wollen Aldi, Edeka, Lidl und Co. „aufräumen“. Künftig soll nur noch Milch aus Haltungsform 3 und 4 in den Regalen zu finden sein. 

 In einer Pressemeldung haben ALDI Nord und ALDI Süd angekündigt, nur noch Frischmilch zu verkaufen, die von Kühen stammt, die in den Haltungsstufen 3 und 4 gehalten werden – allerdings erst ab dem Jahr 2030 (also erst in acht Jahren!). Zudem soll die Milch in Deutschland gemolken werden, nicht mehr in den Milchpackungen zu finden sein soll Milch, die im Ausland gemolken wurde. Die Entwicklung der letzten Jahre habe gezeigt, dass die Nachfrage nach  tierwohlgerechteren Haltungsformen  bei Kunden stetig zunehme, so ein Aldi-Manager gegenüber Spiegel Online.  

Was überhaupt ist Tierwohl-Milch? 

„Aldi stellt auf Tierwohl-Milch um“, schreibt der Spiegel auf seiner Online-Plattform, „die Aldi-Gruppe, Nord und Süd werde ab 2024 keine Frischmilch aus konventioneller Tierhaltung mehr einkaufen“, doch das ist irreführend bzw. falsch! Bei den Haltungsform wird nämlich nicht zwischen konventioneller und ökologischer Wirtschaftsweise unterschieden!
Fakt ist, dass Biomilch automatisch mit der Haltungsform 4 gekennzeichnet wird, aber auch konventionelle Milcherzeuger können diese Kriterien erfüllen. So wird in der „strengsten“ Stufe 4 u.a. „nur“ eine Laufstallhaltung mit ganzjährig nutzbarem Laufhof (mind. 3 m²/Tier im Laufhof) und Weidegang (mind. 120 Tage à 6 h) verlangt. Hinzu kommt, dass der Begriff „Tierwohl-Milch“ gar nicht definiert bzw. gesetzlich geschützt ist!
Auch wenn zunehmend mehr Handelsunternehmen ihre Eigenmarken mit den Attributen Tierwohl und/oder Tierschutz labeln, so hat bislang einzig der Deutsche Tierschutzbund einen Kriterienkatalog erstellt und darauf aufbauend zwei „Label“ definiert: „Für mehr Tierschutz - Einstiegsstufe und Premiumstufe“! Während in der Einstiegsstufe, die Anbindung verboten ist, keine Vorgaben zum Außenklima zu finden sind, wird in der Premiumstufe ein ganzjähriger Zugang zum Laufhof (3 m²/Kuh) und im Sommer noch zusätzlich Zugang zu einer Weide verlangt. 

Auszug aus dem Aldi Factsheet (Bildquelle: Aldi)

Anbindehaltung ist raus! 

Aber nicht nur Aldi, auch Edeka, Rewe und Lidl verkündeten vollmundig nur noch höhere Haltungsstufen zu akzeptieren. Die Schlacht um die „Tierwohl-Vorherrschaft“ ist anscheinend voll entbrannt. Aldis Konkurrenten, insbesondere Edeka und sein Discounter Netto wollen ihre kompletten Trinkmilch-Eigenmarken noch in diesem Jahr Schritt für Schritt  auf die Haltungsform 2 oder höher umstellen. Der Trinkmilch sollen weitere Molkereiprodukte folgen. Auch Rewe und Kaufland wollen diesen Schritt gehen. Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung wird somit nicht mehr in den Milchtüten zu finden sein.  
Auch Lidl kennzeichnet ab jetzt sein Trinkmilch-Sortiment sukzessive nach den Anforderungen der Haltungsformkennzeichnung. Nach Angaben des Konzerns würden in Kürze bereits 65 % der Trinkmilch mit den Haltungsstufen 3 und 4 ausgelobt. Derzeit würden sogar schon 50 % der Filialen Weidemilch als Mindeststandard im Frischebereich anbieten.  Der Discounter sieht sich selbst beim Thema Tierwohl denn auch als Vorreiter.  

Der Trick: Alles außer Frischmilch ist ausgenommen 

Was den Verbrauchern jedoch nicht erklärt wird ist, dass die neuen Regelungen (zunächst) nur für Frischmilch gelten. Selbst H-Milch ist davon (zunächst noch) ausgenommen. Die übrigen Milchprodukte wie Butter, Quark, Joghurt und Käse ohnehin! Der Trinkmilch sollen zwar weitere Molkereiprodukte folgen, doch auf konkrete Termine hat sich bislang noch kein Handelsunternehmen festgelegt.  All die Ankündigungen sind also in erster Linie reine PR-Aktionen … ein Schelm wer Böses dabei denkt! 
Den Milcherzeugern bringt das (zunächst) alles nichts! Für höhere Einnahmen aus dem Milchverkauf dürften die vollmundigen Ankündigungen bzw. die Umstellung auf Tierwohlmilch nicht automatisch sorgen. Im Gegenteil: Das von den Molkereien ausgezahlte Milchgeld beruht auf einer Mischkalkulation für Frischmilch und solcher, die für die Verarbeitung bestimmt ist, etwa für die Käseherstellung. Doch wie gesagt, ist der Rohstoff, der in Quark, Joghurt und Käse fließt, von den Ankündigung von Aldi, Lidl und Co. ausgenommen. Hier kann auch künftig noch Milch der Haltungsstufen 1 und 2 eingesetzt werden, die auch in unseren Nachbarstaaten gemolken werden kann. 

Nicht vorschnell investieren!

Für viele Molkereien bedeutet die Umstellung auf die sogenannte Tierwohlmilch den Aufbau einer weiteren Milchschiene. Das kostet! Hinzu kommt, dass der Handel schon angekündigt hat, Aufschläge nur für die vermarktete Milch zu zahlen. Letztlich bedeutet dies nichts anderes, als dass Molkereien und Milcherzeuger mal wieder in Vorleistung gehen müssen – ohne zu wissen, ob ihnen die höheren Aufwendungen honoriert werden.  Für Milcherzeuger ist das ein großes Dilemma. Eigentlich müssten viele ihre Kuhställe umbauen um mindestens die Haltungsform 3 zu erreichen. Etliche Laufställe müssen geöffnet und Laufhöfe eingerichtet werden. Doch wird sich erfahrungsgemäß keine Molkerei verpflichten, einen Tierwohlbonus für die gesamte angelieferte Milchmenge zu garantieren. 
Ohne langfristige Abnahmegarantien und klar definierte Zuschläge kann man keinem Milcherzeuger guten Gewissens raten, auf den Zug aufzuspringen. Den Handelsunternehmen ist das letztlich aber völlig egal, denn das „bisschen“ Milch, das sie aus Haltungsform 3 und 4 benötigen, das werden sie sicherlich bekommen.
Fazit: Auch wenn sich der LEH noch so rühmen mag, die treibende Kraft bei der Verbesserung der Bedingungen in der Nutztierhaltung insgesamt zu sein, die diese Woche lancierten Ankündigungen von Aldi und Co. sind vor allem PR in eigener Sache. Wenn es die Handelsketten es wirklich ernst meinen würden, wenn es ihnen wirklich um mehr Tierwohl ginge, dann würden sie den Milcherzeugern die höheren Anforderungen auch fair entlohnen!

Der Lebensmittelhandel will künftig nur noch Milch aus Tierwohlställen anbieten. Die Politik lässt sich mal wieder von Aldi, Lidl und Co. vorführen!


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