Eigentlich könnten sich die Milcherzeuger über die weiterhin anhaltend gute Marktlage freuen: Durch das knappe Milchangebot stiegen die Preise auch in der Vorwoche über fast alle Produktgruppen hinweg noch einmal an. Die Nachfrage ist sehr gut, das Ostergeschäft scheint anzurollen.
Doch die wenigsten Betriebe sind deshalb in Hochstimmung: Denn durch die gleichzeitig stark gestiegenen Preise für Futtermittel, Energie und Dünger spitzt sich die Situation auf den Höfen zum Teil...
Eigentlich könnten sich die Milcherzeuger über die weiterhin anhaltend gute Marktlage freuen: Durch das knappe Milchangebot stiegen die Preise auch in der Vorwoche über fast alle Produktgruppen hinweg noch einmal an. Die Nachfrage ist sehr gut, das Ostergeschäft scheint anzurollen.
Doch die wenigsten Betriebe sind deshalb in Hochstimmung: Denn durch die gleichzeitig stark gestiegenen Preise für Futtermittel, Energie und Dünger spitzt sich die Situation auf den Höfen zum Teil dramatisch zu. Die Forderung nach einer Öffnung von länger laufenden Kontrakten und der Integration von Kosten-Indices in die Verträge, die der tatsächlichen Kostensituation Rechnung tragen, wird lauter.
Die aktuellen Schlagzeilen
Milchanlieferung steigt sehr langsam
Nach einer Woche Stagnation nimmt die Milchanlieferung an deutsche Molkereien nur langsam Fahrt auf. Als ein Grund dafür werden die immer noch kalten Nächte angeführt. Das Plus zur Vorwoche beträgt laut ZMB nur 0,1 %, so dass sich das Minus zum gleichen Zeitraum des Vorjahres mittlerweile auf 1,9 % vergrößerte. Auch EU-weit entwickelte sich das Milchaufkommen zuletzt schwächer.
Gute Vorzeichen für steigende Käsepreise
Die Entwicklung der letzten Woche mit knappen Beständen, einer hohen Nachfrage und in der Folge festen bis steigenden Preisen setzte sich auch in der letzten Woche fort.
Die Preise für Magermilchpulver in Lebensmittel- und Futtermittelware übertreffen die bisherigen historischen Höchststände aus dem Jahr 2007 merklich.“
Monika Wohlfarth, ZMB
- Butter: Die Preise für Markenbutter im 250 g-Päckchen entwickeln sich aufgrund bestehender Kontrakte inzwischen seitwärts, die Nachfrage ist laut Süddeutscher Butter- und Käse-Börse in Kempten aber weiterhin sehr gut. Aktuell liegt hier das Preisniveau zwischen 5,94 und 6,14 €/kg. Weiter aufwärts ging es dagegen für lose Ware in 25 kg-Einheiten. Hier steigen die Preise weiter, weil das Angebot knapp ist. In der Spitze waren hier zuletzt 6,95 €/kg möglich. Offenbar wirft das Ostergeschäft bereits seinen Schatten voraus. Mit höheren Abgabepreisen der Hersteller ist zu rechnen.
- Käse: Die Rahmenbedingungen für die aktuell laufenden Käse-Kontraktverhandlungen mit dem LEH sind mehr als gut. Eine sehr gute Nachfrage nach Schnittkäse steht einem knappen Angebot gegenüber. Für Gouda und Edamer sowie für Emmentaler stiegen die Preise zuletzt. Allgäuer Emmentaler aus Rohmilch notiert jetzt zwischen 6 und 7 €/kg (ab 2 kg-Einheiten). Für kurzfristige Abschlüsse bei Gouda und Edamer-Blockware realisierten die Verkäufer ein Preisniveau zwischen 4,50 und 4,80 €/kg. Für Emmentaler und Viereckhartkäse mit 45 % Fett i. Tr. werden steigende Preise erwartet.
- Magermilchpulver: Die Einkäufer wollen langfristige Abschlüsse, die Anbieter dagegen sind eher an kurzfristigen Abschlüssen interessiert. Dieses Verhalten spiegelt die aktuell große Unsicherheit am Markt für Magermilchpulver (MMP) wider und resultiert in weiter steigenden Preisen. Laut Monika Wohlfarth von der ZMB in Berlin habe sich der Anstieg im Vergleich zu den Vormonaten tendenziell beschleunigt. „Lebens- und Futtermittelware werden zu Preisen gehandelt, die die bisherigen historischen Höchststände aus dem Jahr 2007 merklich übertreffen.“ Für MMP in Lebensmittelqualität zahlten die Käufer zwischen 4080 bis 4180 €/t (25-kg-Säcke), für Futtermittelqualität 4000 bis 4030 €/t.
- Vollmilchpulver: Die Situation bei Vollmilchpulver ähnelt der Lage bei Magermilchpulver: Die Preise sind fest oder gar steigend, die Verfügbarkeit ist knapp. Die in der letzten Woche erreichte Schwelle von 5000 €/t (25-kg-Säcke, 26 % Fett) stabilisierte sich auf einen Durchschnittspreis bei 5130 €/t.
Spotmilchpreis steigt weiter
Am Markt für Spotmilch ging es in KW 12 weiterhin aufwärts. Im Süden und in den Niederlanden betrug das Plus 1 ct/kg gegenüber der Vorwoche, im Norden sogar 1,5 ct/kg. Viel Milchmenge dürfte allerdings nicht dahinter stehen. Die Verarbeiter benötigen angesichts der nur langsam steigenden Anlieferung wohl jeden Liter selbst, um die eigenen Kontrakte erfüllen zu können.
Jetzt Kontrakte öffnen?
Während Aldi bei einer umfangreichen Palette an Lebensmitteln in den letzten Wochen die Preise zum Teil deutlich erhöht hat, tut sich am Milchregal seit der Erhöhung bei Trinkmilch um 5 ct pro Liter Mitte Februar nichts. Selbst die Verbraucherpreise für Butter stagnieren, obwohl die Abgabepreise an die Molkereien zuletzt eine Steigerung um 10 bis 20 ct/kg verbuchen konnten. Experten wagen derzeit keine Prognosen, das Verhalten des LEH sei mittlerweile unberechenbar, wie so vieles im Markt.
Fest stehe allerdings, dass der Druck, bestehende Kontrakte zu öffnen, angesichts der Kostenexplosion in der Produktion, gewaltig ist. „Gerade die Molkereien, die mit einem hohen Prozentsatz ihre Produkte und hier speziell im Segment „Weiße Linie“ an den deutschen LEH vermarkten, liegen im Auszahlungsniveau auf den hinteren Rängen“, konstatiert Dr. Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB). Die Spreizung bei den einzelnen Verwertungen sei enorm. „Wesentliche Kontraktlaufzeiten haben noch eine zu lange Gültigkeit, um der immer schwieriger werdenden Situation auf den Betrieben gerecht zu werden.“ Die Verträge für bestimmte Handelsmarken im Käsebereich seien noch bis Oktober kontraktiert. Auch Markus Seemüller von der Bayern MeG sieht längerfristig geltende Kontrakte kritisch: „Ich gehe davon aus, dass alle innerhalb der Wertschöpfungskette Milch feste Kontraktpreise für z.B. sechs Monate oder länger als „nicht mehr zeitgemäß“ interpretieren und vor diesem Hintergrund auch solche Kontrakte nicht mehr geschlossen werden.“
Ob auch die Milchbranche wie die Fleischwirtschaft gemeinsam die Öffnung der Kontrakte fordern sollte, wird in der Branche allerdings kontrovers diskutiert. Bisher gab es das nur einmal zu Zeiten des Milchstreiks 2008. Wenn es dazu komme, müsse man sich allerdings rechtlich ausreichend absichern, damit hinterher, wenn sich der Markt wieder dreht, keine Rückforderungen seitens des Handels kommen, werfen Kritiker ein. Ohnehin wird bezweifelt, dass die Milchwirtschaft mit einer Stimme spricht: „Die Interessen der Unternehmen sind dafür viel zu heterogen.“
Kostenindex gefordert
Klar ist vielen in der Branche, dass die künftigen Kontrakte der Milchwirtschaft mit dem LEH flexibler sein müssen. „Wir müssen einen Kostenindex einbauen, um uns kurzfristig an extreme und absolut nicht vorhersehbare Marktsituationen anpassen zu können“, fordert Dr. Seufferlein. Erste große Molkereien hätten solche Indices bereits in ihren Verträgen berücksichtigt. Andere seien am Überlegen.
Insbesondere die Preisentwicklung bei OGT-Futtermitteln ruft danach, einen entsprechenden Kosten-Index in der Wertschöpfungskette zu verankern.
Markus Seemüller, Bayern MeG w. V.
Insbesondere die Preisentwicklung bei OGT-Futtermitteln rufe laut Markus Seemüller von der Bayern MeG danach, einen entsprechenden Kosten-Index in der Wertschöpfungskette zu verankern. Der Rechtsrahmen würde das inzwischen erlauben. Gemäß Artikel 210 a der Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse habe sich im Agrarbereich seit dem 7. Dezember 2021 auf europäischer Ebene der Rechtsrahmen für die kartellrechtliche Beurteilung von Initiativen zur Umsetzung des Nachhaltigkeitsstandards verändert: „Demnach wären hier Ausnahmen vom Kartellrecht für Nachhaltigkeitsinitiativen im Bereich des Möglichen!“
Bis es allerdings dazu kommt, rät Seemüller den Milcherzeugern, über die Preise mit ihren Molkereien nur für einen Zeitraum von maximal ein bis zwei Monaten zu verhandeln.
Quellen: u.a. ZMB, VMB, Süddeutsche Butter- und Käsebörse e.V. Kempten, AMI, MIV, moproweb.de, ife, BLE, DCA, TrigonaDairyTrade, MIR, milchland.de