In Kanada halten viele Milchfarmer ihre Kühe in Anbindehaltung, oft in Kombination mit Weide im Sommer. Druck aus der Politik oder Kritik von der Gesellschaft gibt es kaum. Jack Rodenburg hat über 30 Jahre als staatlicher Stallberater gearbeitet. Mittlerweile berät er AMS-Betriebe. Im Interview teilt er seine Erfahrungen mit dem Umbau von Kuhställen.
In Kanada halten viele Milchfarmer ihre Kühe in Anbindehaltung, oft in Kombination mit Weide im Sommer. Druck aus der Politik oder Kritik von der Gesellschaft gibt es kaum. Jack Rodenburg hat über 30 Jahre als staatlicher Stallberater gearbeitet. Mittlerweile berät er AMS-Betriebe. Im Interview teilt er seine Erfahrungen mit dem Umbau von Kuhställen.
Elite: Wie viele Betriebe mit Anbindehaltung gibt es derzeit in Kanada?
Rodenburg: Insgesamt gibt es noch rund 10.000 Milchfarmen in Kanada. Etwa 70 % der Betriebe halten ihre Kühe noch Anbindehaltung, der Rest hat Laufställe mit Melkständen oder AMS. Die durchschnittliche Herdengröße liegt etwa bei 98 Kühen. Die Zahlen verändern sich jedoch stetig. Jedes Jahr geht der Anteil der Anbindeställe um zwei bis drei Prozent zurück.
Etwa 70 Prozent der Betriebe in Kanada halte ihre Kühe noch Anbindehaltung“
Jack Rodenburg
Rodenburg: Meist stellen die Betriebe ihr Haltungssystem um, wenn ein Generationswechsels auf dem Hof ansteht. Vor einem Generationswechsel investieren die Väter meist wenig und warten ab, ob sich ein Nachfolger für den Betrieb findet. Wenn sich dann ein Kind für die Weiterführung des Betriebs entscheidet, wird eher ein neuer Stall gebaut als der alte Anbindestall umgebaut.
Denn die junge Generation hat andere Ansprüche an die Arbeit auf dem Hof. Sie wollen nicht so viel Zeit beim Melken verbringen und setzen deshalb auf Laufställe mit AMS, die mehr Freizeit versprechen. Es gibt mittlerweile sogar ein automatisches Melksystem für Anbindehaltung! Druck auf die Anbindehalter seitens der Regierung oder Gesellschaft, so wie in Europa, gibt es hingegen kaum.
Druck auf die Anbindehalter von Regierung oder Gesellschaft gibt es kaum.
Jack Rodenburg
(Wie das kanadische AMS für Anbindeställe funktioniert, sehen Sie in folgendem Video:)
Elite: Was sind die häufigsten Fehler, die Sie beim Umbau von alten Anbindeställen beobachtet haben?
Rodenburg: Die meisten Anbindeställe haben niedrige Wände und viele Pfeiler. Diese Ställe in Laufställe umzubauen, ist sehr schwierig und lohnt meist nicht. Also bauen viele Farmer neue Ställe. Meiner Erfahrung nach liegt die Gefahr darin, dass die Betriebe zu viel Geld in neue Gebäude stecken, ohne dabei den nötigen Cashflow zu haben, um die Schulden abzuzahlen. Außerdem neigen Farmer dazu, viel größer als notwendig zu bauen. Es reicht, etwas kleiner zu bauen und die Pläne für eventuelle Erweiterungen in der Schublade liegen zu haben.
Noch besser ist, zuerst alles aus dem alten Stall auszuschöpfen was möglich ist, bevor man in einen neuen Stall umzieht. Denn wenn man dann mit der gut gemanagten Herde in einen neuen Stall umzieht, macht der Profit einen großen Sprung nach oben, im besten Fall so viel, um die Investition abzuzahlen. Ich habe beobachtet, dass die erfolgreichsten Farmer oft die sind, die bereits am härtesten für gute Leistungen im alten Stall gekämpft haben.
Elite: Was dürfen Milcherzeuger beim Umbau nicht vergessen?
Rodenburg: Viele Milchfarmer denken nicht daran, einen guten Behandlungsstand einzuplanen. In einem Anbindestall haben sie diesen nie gebraucht, denn eine Kuh kann dort jederzeit an ihrem Platz behandelt oder besamt werden. In einem Laufstall hingegen braucht man einen Ort, an dem man Kühe gut und sicher fixieren kann. Meine Empfehlung: Investieren Sie in gute Fressfanggitter, Behandlungsstände und Selektionseinheiten!
Investieren Sie in gute Fressfanggitter, Behandlungsstände und Selektionseinheiten!
Jack Rodenburg
Beim Umzug in einen neuen Laufstall habe ich auch oft Klauenprobleme gesehen. Kühe aus ganzjähriger Anbindehaltung müssen sich erst daran gewöhnen, den ganzen Tag auf Beton zu laufen. Bei Neubeton muss man darauf achten, dass die Flächen nicht zu rau sind. Kanadische Farmer behandeln neue Laufflächen oft mit Leinsaatöl, um das Risiko für Lahmheiten zu reduzieren. Man sollte vor einem Umzug in den neuen Kuhstall die Klauen der Kühe etwas länger wachsen lassen, damit sie mehr Klaue für den Abrieb haben.
Elite: Wo müssen Milcherzeuger bei einem Stallumbau umdenken?
Rodenburg: Wächst die Herde im Zuge eines Umbaus, wir die individuelle Tierbeobachtung schwieriger. Ein Problem kann aber die Fütterung sein. Im Anbindestall lässt sich leichter überprüfen, ob eine Kuh vorgelegtes Futter frisst oder nicht. In einem Laufstall kann man das nie auf Einzelkuhbasis erkennen. Sensoren mit Wiederkau-Messung setzen dort an. Dann hängt die Tierbeobachtung aber auch von Daten ab, die der Betriebsleiter auslesen und bewerten muss. Dasselbe gilt bei Aufstockung.
Elite: Was ist Ihr Tipp für umbauwillige Milcherzeuger?
Rodenburg: Ich empfehle einfache und kostengünstige Umbaulösungen. Bauen Sie z. B. einen einfachen Stall mit 10 m² eingestreuter Liegefläche pro Kuh und einem Futtertisch mit 75 cm Fressplatzbreite an einer 4 m breiten, abschiebbaren Beton-Lauffläche. Die Kühe kann man zum Melken in den alten Anbindestall treiben. Mit dieser Lösung berücksichtigen Sie Kosten und Tierwohl. Wenn Sie die Möglichkeit zum Aufstocken haben, tun Sie das! Denn wenn Sie den Anbindestall verlassen, können Sie die Produktivität steigern. Dafür empfehle ich Liegeboxen, TMR-Fütterung und automatisches Melken. Mit dieser Lösung haben Sie bei 60 Kühen weniger Arbeit als mit 20 Kühen in Anbindung!
Wenn Sie den Anbindestall verlassen, können Sie die Produktivität steigern!
Jack Rodenburg
Elite: Danke für die Tipps, Mr Rodenburg!
Wie ein junger Betriebsleiter aus Nordrhein-Westfalen seinen vorhandenen Anbindestall zu einem Laufstall umgebaut haben, lesen Sie hier:
Familie Budde-Stiepermann hat die Anbindehaltung ihrer Kühe beendet. Den Anbindestall bauten sie zum Fressbereich um, Liegehalle und Melkstand wurden neu gebaut.