Umbau Anbindehaltung

Vom Anbindestall zum Laufstall

Familie Budde-Stiepermann hat die Anbindehaltung ihrer Kühe beendet. Den Anbindestall bauten sie zum Fressbereich um, Liegehalle und Melkstand wurden neu gebaut.

Einen Anbindestall möglichst optimal zu einem Laufstall für Milchkühe umzubauen, erfordert immer betriebsindividuelle Lösungen. Einen gelungenen Umbau haben wir in Nordrhein-Westfalen bei Familie Budde-Stiepermann angeschaut.
Dirk Stiepermann und seine Eltern haben im Jahr 2019, von Mai bis November, die Anbindehaltung ihrer 42 melkenden Milchkühe auf eine Boxenlaufstallhaltung umgestellt. Mit Erfolg:
  • Die Gesundheit und Leistung der Holsteinkühe haben sich deutlich verbessert – die Milchleistung ist von 9.800 kg (3,6 % Fett, 3,2 % Eiweiß) auf aktuell 11.150 kg (4,0 % Fett, 3,58 % Eiweiß, 66.000 Zellen) gestiegen.
  • Und: „Es geht nicht nur unseren Kühen besser“, erklärt Dirk Stiepermann. „Die Arbeitswirtschaftlichkeit sowie die Freude an der täglichen Arbeit haben sich durch die Umstellung auch für uns Menschen zum Positiven verändert.“
   

Dirk Stiepermann

Milcherzeuger aus Ladbergen, NRW

Eine Entscheidung pro Kuh und die Ausgangssituation

Mit dem Einstieg von Dirk Stiepermann in den Betrieb traf die Familie die Entscheidung, dass die gut 50 Milchkühe als zweiter Betriebszweig zur Schweinemast bleiben sollen – aber nur unter der Bedingung, dass der Anbindestall zu einem Laufstall umgebaut wird. Die Holsteinkühe waren, trotz ihres verhältnismäßig kleinem Rahmen, zu groß für die Standmaße der Anbindung geworden. 
Ein Aufstocken der Kuhherde haben Budde-Stiepermanns aufgrund der Flächenausstattung ausgeschlossen. Ihr Ziel ist es, mit einer kleinen Herde eine sehr hohe Effektivität (Genetik, Gesundheit, Leistung) aufzubauen.
Ausgangssituation Altgebäude: Der alte Anbindestall wurde 1977 mit 37 Kuhplätzen auf Strohliegeflächen mit Kettenentmistung und 15 Kuhplätzen auf Gummirosten mit Gummiliegematten sowie mit einer Zwangsbelüftung erbaut. Das Altgebäude verfügt über eine hohe Betondecke, Betonwänden mit Lichtfenstern und einer höher gelegten Futterachse. Eine Milchkammer und ein für einen Gruppenmelkstand vorgesehener Raum wurden ebenfalls 1977 in einem Nebengebäude (auf der Standseite der Kühe) gebaut. Gegenüber der Anbindung der Kühe sind die Jungrinder in Laufställen untergebracht.
Die hohen Decken, der großzügige Futtertisch und Anbindegang sowie die tiefen Fundamente des Altgebäudes stellten eine gute Ausgangssituation für den Umbau.“
Dirk Stiepermann
Ausgangssituation Herdenmanagement: Die Kühe wurden halbjährig in der Anbindung gehalten. Im Sommerhalbjahr, von Mai bis November, lief die Herde ganztägig auf der Weide. Gemolken wurde in einem Weidemelkstand (festes Gebäude).

Milchkuhhaltung

Weniger Milchgeld bei Anbindehaltung

von Sophie Hünnies

Der Druck auf die ganzjährige Anbindehaltung steigt. Immer mehr Molkereien zahlen Landwirten mit Kühen in ganzjähriger Anbindehaltung weniger Milchgeld.  

Umstellung auf Laufstallhaltung ja, aber wie? 

Familie Stiepermann suchte sich Beratung, die sie bei der Umstellung der Haltung ihrer Kühe fachlich unterstützen sollte. Doch die regionale Beratungsleistung war nicht zufriedenstellend. Entweder hieß es ‚Milchproduktion aufgeben, die Kuhzahl ist zu gering‘ oder ‚Neubau auf die grüne Wiese mit mindestens doppelt so vielen Kuhplätzen‘.
„Beide dieser Optionen kamen für uns nicht in Frage“, berichtet Dirk Stiepermann. „Also haben wir uns letztendlich selbst sehr viele Informationen zusammen gesucht und Pläne gemacht. Ein älterer Berater hat uns dabei unterstützt.“ Dabei standen drei Kriterien im Vordergrund:
  1. Den aus Sicht der Bedürfnisse der Kühe sowie Arbeitswirtschaftlichkeit optimalen Stall bauen.
  2. So günstig (= einfach, aber in guter Qualität!) wie möglich bauen.
  3. Den Kuhstall stimmig zum Gesamtbild des Hofes verändern.
Auf die Inanspruchnahme von Förderung verzichtete die Familie bewusst. Zum Zeitpunkt 2018/19 hätten die Kriterien für eine Förderung zu viele nicht praktikable Kompromisse für sie mit sich gebracht.

Den Anbindestand zum Fressbereich umbauen

Den alten Anbindestand der Kühe hat Familie Budde-Stiepermann entkernt und zum Fressbereich umgestaltet: Sie haben einen planbefestigter Laufgang (Beton) mit Schieberentmistung und Abwurfschacht eingebaut sowie eine Aufkantung zum Futtertisch, auf der sie ein neues Selbstfangfressgitter montierten. Die Betonpfeiler mussten sie aufgrund der Statik stehen lassen. Die Boxen der Jungrinder wurden auf der gegenüberliegenden Seite des Futtertisches belassen.
Durch zwei zusätzliche große Tore schaffte die Familie mehr Luftaustauschfläche für das Altgebäude, sodass die Zwangsbelüftung heute ausgeschaltet ist.

Der Anbindestand wurde entkernt und zum Fressbereich umgestaltet. (Bildquelle: Berkemeier)

In den vorderen Teil des neuen Fressbereichs legten Budde-Stiepermanns zudem einen kleinen Separationsbereich mit drei Liegeboxen und Zugang zum Futtertisch an. Hier stellen sie zum Beispiel die Kühe zur Besamung hin.

Im vorderen Teil des neuen Fressbereichs wurde eine kleine Separation mit drei Liegeboxen und Zugang zum Futtertisch geschaffen. (Bildquelle: Berkemeier)

Eine einfache Lauf- und Liegehalle wurde neu errichtet

Die neue Lauf- und Liegehalle errichtete die Familie zwischen dem altem Anbindestallgebäude und der Außenmauer des einen Schweinemaststalls. Die Halle konnte entsprechend ohne zusätzliche Seitenwände gebaut werden. Nur die Firstseite in die Hauptwindrichtung wurde mit Lochblech verkleidet.
Die 42 Hochboxen sind mit Wasserbetten mit Einstreu ausgelegt. Die Laufgänge sind planbefestigt und mit Schieberentmistung ausgestattet. Eine Überbelegung der Liegeboxen vermeiden Budde-Stiepermanns strikt: „Das ist eine positive Lehre aus der Anbindehaltung – bei uns muss jeder Kuh ein Liegeplatz zur Verfügung stehen,“ erklärt Dirk Stiepermann. Fressplätze stehen den Kühen in einem Verhältnis von deutlich über 1:1 zur Verfügung.
Eine Überbelegung der Liegeplätze vermeiden wir strikt.“
Dirk Stiepermann
Der Übergang zwischen der neuen Lauf- und Liegehalle und dem Fressbereich dient gleichzeitig als Vorwartebereich für den Melkstand. Unter diesem Bereich sowie durchgehend unter der westlichen Kopfseite der neuen Halle wurde eine Güllevorgrube gebaut. Das war aufgrund der tiefen Fundamentwände des alten Anbindestalls gut umsetzbar. Der Vorwartebereich sowie der Laufgang über der Güllegrube sind mit Betonspaltenboden ausgelegt. Die Schieberentmistung „legt“ das Kot-Harngemisch aus den Laufgängen zwischen den Liegeboxen auf diesem Spaltenbereich ab.
Die Kosten pro Stallplatz (ohne Melkstand und ohne Güllegrube) beliefen sich auf 4.800 €. Anzumerken ist, dass die Familie Budde-Stiepermann viel Eigenleistung in der Bauphase eingebracht hat. Sie arbeiteten mit einem Baugeschäft und einem Hallenbauer aus der Region zusammen, die beide vorher keine Erfahrung mit dem Bau von Kuhställen hatten.
Aktuell stehen noch die Auslegung eines Laufgangbereichs mit Gummibelag, die Platzierung eines neuen Klauenpflegestandes sowie die Installation von Ventilatoren in Überlegung. 

Eine Umstellung – vor allem für die Kühe

Die Umstellung von der Anbindehaltung auf die freie Bewegung im neuen Laufstall war für die Kühe die größte Herausforderung: „Unsere Kühe mussten lernen, dass sie nun selbstständig zu den Fress- und Liegeplätzen laufen müssen. Und sich dabei selbstständig ihre Plätze wählen,“ berichtet Dirk Stiepermann. „In der ersten Nacht hat sich nur eine Kuh in die Liegeboxen gelegt! Das war ein Schock für uns! Nach zehn Tagen hatten dann aber alle Kühe das neue System verstanden.“
Unsere Kühe brauchten 10 Tage bis sie es alle verstanden hatten, dass sie sich nun selbstständig zwischen Fress- und Liegebereich bewegen müssen.“
Dirk Stiepermann
In den Arbeitsabläufen der Menschen hat sich im Wesentlichen nur die Melkarbeit verändert. In den bereits 1977 angelegten Melkstandraum ließen Budde-Stiepermanns (nach 42 Jahren „Leerstand“) einen neuen Doppel-5er-Fischgräten-Melkstand einbauen.
Da die Kühe das Melken in einem Melkstand von der Weidesaison her kannten, war das Umstellen des Melkens für die Kühe (und Menschen) kein Problem.
Die Kosten für den neuen Melkstand samt Kühlung und neuem Milchtank haben sich auf 37.000 € belaufen; also umgerechnet auf die 42 Kuhplätze im neuen Stall, auf rund 880 € pro Kuh.

Die Melktechnik des Doppel-5er-Fischgrätenmelkstands wurde, ebenso wie die komplette Stalleinrichtung, Milchtank und Kühlung, komplett neu gekauft. Das Standgerüst ist teilweise gebraucht. (Bildquelle: Berkemeier)

Die gut eine Stunde dauernde Melkzeit organisieren Budde-Stiepermanns zu den zwei Melkzeiten pro Tag wie folgt:
  1. Die Kühe werden aus dem Fressbereich in die Lauf- und Liegehalle getrieben und der Vorwartebereich zum Fressbereich hin geschlossen. 
  2. Es wird angefangen zu Melken. Die Kühe werden in den Vorwartebereich gebracht und dieser dann ebenfalls zur Lauf- und Liegehalle hin verschlossen.
  3. Die fertig gemolkenen Kühe verlassen den Melkstand durch den Frontaustrieb und ein Tor in den Fressbereich hinein. 
  4. Über die Melkzeit steht das Fressgitter auf Fangen und Stiepermanns legen die frische Ration vor bzw. schieben das Futter an. So dass jede Kuh in Ruhe fressen kann. „Das kommt insbesondere den rangniedrigen Kühen und Färsen zu Gute,“ berichtet Dirk Stiepermann.
  5. Nach dem Melken öffnen sie das Fressgitter und den Durchgang zur Lauf- und Liegehalle wieder.

Das Management von Fütterung und Abkalbestall hat sich kaum verändert

Ein Futtermischwagen war lange vor dem Umbau vorhanden. Hinsichtlich der Fütterung hat sich mit dem Umbau nur verändert, dass die zusätzliche Kraftfuttergabe zur Teil-TMR nun nicht mehr kuhindividuell von Hand, sondern über eine Transponderstation in der Lauf- und Liegehalle erfolgt. Auch diesen mussten die Kühe erst kennen lernen.
Der Abkalbestall befindet sich, wie bereits vor dem Umbau, gegenüber des Fressbereichs auf Stroh. Hier melken Budde-Stiepermanns die Kuh nach der Kalbung in der Regel die ersten zwei Melkzeiten mit einer mobilen Eimermelkanlage. Danach entlassen sie die frischlaktierende Kuh in die Laufstallherde. 
Die Trockensteher stehen in wenigen Metern Entfernung gegenüber des Kuhstalls in einem Strohstall.

Fazit: Selber mitdenken, denn es ist immer eine individuelle Lösung notwendig!

Der Umbau ist nun gut anderthalb Jahre her. Über das Ergebnis freut sich die Familie Budde-Stiepermann jeden Tag. Das Verhalten, die Gesundheit und letztendlich die steigende Milchleistung ihrer Kühe bestätigen ihnen, dass sie die richtigen Entscheidungen im Umbau des Haltungssystem getroffen haben.  
Wir sind froh, dass wir uns bezüglich der Umbaumaßnahmen auf unser eigenes Gefühl verlassen haben.“
Dirk Stiepermann
Bestehend auf ihren Erfahrungen aus dem Umbau der Anbinde- zur Laufstallhaltung gibt Dirk Stiepermann anderen Milcherzeugern, die selbst über einen Umbau nachdenken, folgendes mit:
  • Selber denken! Die Empfehlungen einer Beratung immer auch hinterfragen; dahingehend, welche Bedürfnisse die Kühe haben und wie die täglichen Arbeitsabläufe im eigenen Betrieb aussehen sollen. Ein Umbau erfordert immer eine betriebsindividuelle Lösung – und die betriebsindividuellen Bedingungen und Anforderungen kennt der Landwirt selbst am besten.
  • Genug Zeit einplanen. Denn ein Umbau erfordert es auch von Baugeschäft und Hallenbauer neue, individuelle Lösungen umzusetzen. Das kann schnell länger dauern, als eine Standardbaumaßnahme. Dass die Kühe von Budde-Stiepermanns den Sommer über komplett auf der Weide verbringen konnten, hat die Baumaßnahmen sehr erleichtert. Seit der Umstellung auf den Laufstall gehen die Kühe nur noch stundenweise auf die Weide. 
  • Klare Angebote einholen und Absprachen von Kosten mit den Anbietern treffen. Ganz besonders, wenn diese auch gebrauchte Teile beinhalten/einbauen. Bei Budde-Stiepermanns ist etwa der Melkstand teuerer geworden als zunächst vereinbart.


Mehr zu dem Thema