Hohe Kosten und Inflation belasten Milchwirtschaft
Während Angebot und Nachfrage gut zusammen passen und sich die Preise festigen, belasten hohe Produktionskosten und die Inflation Milcherzeuger und Molkereien.
Die Situation am Milchmarkt ist verzwickt! Während das Milchaufkommen derzeit von der zum Herbst steigenden Nachfrage sehr gut getragen werden kann und die Rohstoffpreise sich entsprechend positiv entwickeln, belasten die gestiegenen Produktionskosten und die hohe Inflation nicht nur die Milcherzeuger, sondern auch...
Jetzt bestellen und weiterlesen!
Elite - Das Fachmagazin für erfolgreiche Milchproduktion
Elite Print + Digital
Jahresabo
105,00 EUR
/
Jahr
6 Print-Ausgaben im Jahr versandkostenfrei
Alle Print-Ausgaben auch digital für Ihr Tablet oder Smartphone
Zugang zu sämtlichen Inhalten auf elite-magazin.de
Die Situation am Milchmarkt ist verzwickt! Während das Milchaufkommen derzeit von der zum Herbst steigenden Nachfrage sehr gut getragen werden kann und die Rohstoffpreise sich entsprechend positiv entwickeln, belasten die gestiegenen Produktionskosten und die hohe Inflation nicht nur die Milcherzeuger, sondern auch die Milchverarbeiter.
Doch die Frage wer zu welchen Teilen die zusätzlichen Kosten tragen muss, sorgt derzeit für erhitzte Gemüter. Die „Möglichkeit“ sie eins zu eins auf den Endverbraucher umzulegen, könnte nach hinten losgehen, befürchten die Rabobank-Analysten. Denn dies könnte die eigentlich positive Nachfrageentwicklung der Verbraucher umkehren.
Und dann ist da auch noch der vermutlich nachlassende Importbedarf aus China – kann dieser nicht mittelfristig durch die Nachfrage anderer Einfuhrländer ausgeglichen werden, steigt das Risiko für global sinkende Milchproduktpreise im kommenden Jahr. Das würden auch hiesige Milcherzeuger zu spüren bekommen. Update 22.09.2021 | Die jüngsten Importzahlen bestätigen hingegen nicht die Prognosen über eine geringere Nachfrage seitens China im zweiten Halbjahr von 2021. Die Importe sind im August sehr stark geblieben – bei allen Milchprodukten (außer Babynahrung, Casein und Molkenpulver). Die chinesischen Käseimporte aus der EU erhöhten sich im Vorjahresvergleich August sogar um 69 %, berichten die Milchmarktexperten von Trigona Dairy Trade.
Entwicklung Angebot und Nachfrage am Milchmarkt
Angebot:
Das Milchaufkommen in Deutschland bewegt sich unverändert unterdurchschnittlich. Insgesamt liegt die Milchanlieferung im bisherigen Jahresverlauf (Januar bis Ende August) um 1,1 % unter dem Vorjahresniveau, zuletzt um 2,3 % (KW 36). Gleichzeitig wird weiter von niedrigen Milchinhaltsstoffgehalten berichtet. An dieser Entwicklung werde sich voraussichtlich auch bald nichts ändern. Branchenexperten sehen die hohen Kraftfutterkosten sowie den Strukturwandel dafür verantwortlich – mehr Milch zu erzeugen rechnet sich bei den eigentlich im Vergleich zu den Vorjahren akzeptablen Milchpreisen aufgrund der dazu unverhältnismäßig gestiegenen Produktionskosten nicht (siehe Kasten unten).
Aufgrund der gleichzeitig guten Nachfrage besteht über dem gesamten Jahresverlauf 2021 keinesfalls Mengendruck am deutschen Milchmarkt. Im Gegenteil, die Nachfrage und damit die Preise an den Spotmärkten für Milchrohstoffe bewegen sich auf einem hohen Niveau, dass zu Herbstbeginn noch einmal deutlich zugelegt hat: Nach Angaben der niederländischen DCA-Markets-Price Reporting Agency (PRA) wurde Rohmilch aus Nord- und Ost-Deutschland (unbearbeitet, GVO-frei, auf Basis von 4,0 % Fett) in der aktuellen Woche (KW 37) zu 45,00 € pro 100 kg gehandelt, Rohmilch aus Süddeutschland sogar zu 48,50 € (siehe Grafik Dairy Quotations – Spotmilk). Die Marktexperten von Trigona Dairy Trade erwarten keine größere Veränderung in diesem positiven Marktverlauf, bevor nicht das Milchaufkommen wieder steigt. Denn mit Ausnahme von gefrorener Butter seien aktuell keine großen Lagerbestände von Milchprodukten in der EU vorhanden.
Das Milchaufkommen in der EU entwickelt sich trotz geringerer Milchproduktion in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden insgesamt mit voraussichtlich ca. +0,6 % im Jahr 2021 leicht steigend. Insbesondere Irland, Italien und Polen melken mehr. Weltweit steigt die Milchproduktion, denn die starken Milcherzeugernationen nach der EU erhöhen ihre Mengen laut Bericht der AMI gegenüber dem Vorjahr erheblich: USA +3 %, Neuseeland +6 % und Australien +2 %.
Nachfrage:
In Deutschland und in der EU steigt die Nachfrage nach Milchprodukten nach Ende der Sommerzeit wieder an, berichten die Zentrale Milchmarkt Berichterstattung (ZMB) und das niederländische Handelsunternehmen Trigona Dairy Trade. So ordere die weiterverarbeitende Industrie ebenso wie der Einzelhandel höhere Mengen und auch die Nachfrage des Food Service stabilisiere sich. Nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) habe sich die Nachfrage nach Milchprodukten im Lebensmitteleinzelhandel trotz Ende des Lockdowns auf einem höheren Niveau eingependelt als vor der Coronakrise.
Die Rabobank prognostiziert für den EU-Verbrauch von Molkereierzeugnissen für die zweite Hälfte 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Plus von 0,4 % und +0,3 % für das erste Halbjahr 2022. Die niederländischen Analysten befürchten jedoch, dass die Nachfrage geringer ausfallen könnte, wenn die gestiegenen Rohstoff- und Produktionskosten an den Endverbraucher weiter gegeben werden.
Ebenfalls berichtet die Zentrale Milchmarkt Berichterstattung von einer zum Herbstanfang wieder belebten Export-Nachfrage: Die Käufer geben am Beispiel Magermilchpulver ihre abwartende Haltung mehr und mehr auf und so seien zuletzt wieder mehr Abschlüsse zu Stande gekommen. Auch die Bereitschaft, höhere Preise anzunehmen steigt. Große Teile der Magermilchproduktion seien bereits im Vorfeld verkauft, berichtet die ZMB.
Am Weltmarkt hat derweil die den Milchmarkt bisher stark getragene Nachfrage aus China im dritten Quartal 2021 nachgelassen. Das bestätigen die jüngsten Berichte von der internationalen Handelsplattform Global Dairy Trade – hier haben Anfang September Käufer aus Südostasien und dem Nahen Osten den Handel getragen, während China kaum mehr Käufe tätigte. Die Rabobank schätzt die Nachfrage aus China insgesamt als sinkend ein: Denn die chinesische Inlandsproduktion sei im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum um +7,6 % gestiegen und die Lagerbestände durch das hohe Importvolumen im ersten Halbjahr (+ 30%) üppig, gleichzeitig nehme die Nachfrage der chinesischen Verbraucher aber weniger zu. Diese Entwicklung bewertet die Rabobank als sehr kritisch für den weltweiten Milchmarkt, also auch für die EU und auch für Deutschland. Denn:
Wenn der voraussichtlich schon kurzfristig weiter rückläufige Importbedarf Chinas nicht mittelfristig durch andere Einfuhrländer ausgeglichen werden kann, dürfte das Risiko für sinkende Preise am Weltmarkt für Molkereiprodukte im Jahr 2022 steigen.“
Rabobank, Quartalsbericht 3/2021
Update 22.09.2021 | Die jüngsten Importzahlen bestätigen hingegen nicht die Prognosen über eine geringere Nachfrage seitens China im zweiten Halbjahr von 2021. Die Importe sind im August sehr stark geblieben – bei allen Milchprodukten (außer Babynahrung, Casein und Molkenpulver). Die chinesischen Käseimporte aus der EU erhöhten sich im Vorjahresvergleich August sogar um 69 %, berichten die Milchmarktexperten von Trigona Dairy Trade.
Entwicklung Rohstoffpreise und Milcherzeugerpreise mit Ausblick
Rohstoffpreise: Die Preise für Milchfett- und Milcheiweiß-Erzeugnisse ziehen nach der saisonal üblichen „Sommerflaute“ am Milchmarkt und nach der Preisdelle bei Butter und Milchpulver im Juli wieder an (siehe Preisermittlungen Deutschland und Marktbericht EU). Zusammen mit dem weiterhin geringen Milchaufkommen spricht das produktseitig für mindestens stabile Preise. Noch höhere Forderungen seitens der Anbieter für Rohmilch, Industrierahm und Magermilchkonzentrat stoßen allerdings bei den Abnehmern auf Widerstand, berichtet die ZMB, da die Preise für die Endprodukte bisher denen der Milchrohstoffe nicht im entsprechenden Umfang gefolgt sind.
Am Weltmarkt konnten sich die Produktpreise im Großhandel zuletzt ebenfalls, gemessen an dem Ergebnis der jüngsten Auktion (7. September 2021) an der internationalen Handelsplattform Global Dairy Trade (+ 4,0 %, mehr dazu hier), wieder verbessern. Auch trotz der davor rückläufigen Entwicklungen bewegen sich die Weltmarktpreise im langjährigem Vergleich immer noch auf einem sehr hohen Niveau!
Die aktuell guten Rohstoffverwertungen werden jedoch nicht angemessen von den Molkereien an die Milcherzeuger weiter gegeben, lautet derzeit die Kritik in der Branche. Dabei sei dies angesichts der deutlich gestiegenen Produktionskosten dringend notwendig. Die Milchverarbeiter sehen sich jedoch wiederum selbst mit steigenden Kosten für Arbeit, Energie, Verpackungen und Logistik sowie Export konfrontiert, während ihre Preise für die Endprodukte oftmals kontraktgebunden feststehen.
Milcherzeugerpreise: Nach Schätzungen der AMI lagen die Erzeugerpreise für konventionelle Kuhmilch zuletzt im Juli bei 35,8 Cent pro Kilogramm Rohmilch (4,0 % Fett, 3,4 % Eiweiß). Gegenüber Juni entspricht dies einem durchschnittlichen Anstieg von nur +0,3 Cent. Der Abstand zum Vorjahr (Juli 2020) betrug 4,5 Cent bzw. 14 %. Damit spiegelte sich nun zeitverzögert die schwächere Milchmarktsituation aus Juni und Juli in dem durchschnittlichen Milcherzeugerpreis wieder. Für August werden im EU-Durchschnitt vorläufigen Schätzungen der EU-Kommission nach 36,0 Cent pro kg Rohmilch ausgezahlt.
Ausblick: Das „Sommerloch“ spiegelt sich zeitverzögert in den deutschen Milcherzeugerpreisen des dritten Quartals 2021 wieder – damit dürfte zumindest für August mit keinen nennenswerten Preisaufschlägen zu rechnen sein. Die meisten Molkereien zahlen nach bisherigem Stand im August 2021 einen zu Juli unveränderten Milchpreis aus.
Aufgrund der derzeitigen positiven Marktentwicklung sehen die Marktexperten der AMI jedoch zum vierten Quartal 2021 hin wieder „Spielraum nach oben“. Je nach Produktionsschwerpunkt der Molkereien, versteht sich! Denn während sich die Notierungen für Butter, Milchdauerwaren und Käse noch nach oben bewegen können, seien für Konsummilch und andere Produkte der „Weißen Linie“ angesichts der teils neuerdings bestehenden längeren Kontraktlaufzeiten mit dem Lebensmitteleinzelhandel für dieses Jahr keine Veränderungen mehr zu erwarten.
Die 40 Cent-Prognosen aus den Börsennotierungen im Frühjahr dürften kaum mehr erreicht werden – denn zumindest die AMI erwartet für dieses Jahr einen Bundesdurchschnittspreis für konventionelle Rohmilch, der sich „zwischen 35 und 36 Cent einpendelt“.
Produktionskosten und Inflation „fressen“ das Plus beim Milchpreis auf
Der gesamte Milchpreisanstieg im bisherigen Jahresverlauf 2021 (in Deutschland voraussichtlich ca. 10 % mehr Milchgeld als in 2020) ist durch höhere Futterkosten und die allgemeine hohe Inflation eingeholt worden, erklärt die Rabobank in ihrem aktuellen Quartalsbericht (Q3/21). Milcherzeuger können den Auswertungen der Bank nach damit aktuell im Durchschnitt kaum Gewinne erzielen.
Vorallem die Preise für Kraftstoff haben sich verteuert. Das belastet die laufenden Kosten im Milchkuhbetrieb, wird aber auch die anstehende, ohnehin kostenintensive Silomaisernte verteuern.
(Bildquelle: Ostermann-Palz, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Die Produktionskosten erhöhten und erhöhen sich in diesem Jahr insbesondere durch hohe Futterkosten (vor allem Kraft- und Eiweißfuttermittel) sowie hohe Energiekosten (Dieselkraftstoff +27,5 % binnen Jahresverlauf Juli 2020 bis Juli 2021).
Laut dem vom Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) berechneten Milch Marker Index lagen die Produktionskosten für Milch in Deutschland im ersten Quartal 2021 (Januar bis April) bei 45,75 Cent pro Kilogramm Milch. Im April lag der durchschnittliche Erzeugerpreis bei 34,02 Cent – das entsprach einer Kostenunterdeckung von -26 %. Seitdem haben sich zwar die Milcherzeugerpreise im Bundesmittel zwar verbessert, auf zuletzt 35,8 Cent im Juli 2021, doch die Kosten für Energie und Futter (Getreide und Proteinkomponenten) sind weiter und vor allem viel stärker gestiegen. Laut Auswertungen der Marktbeobachtungsstellen der EU-Kommission erhöhten sich die Futterkosten in der EU-27 allein zum Monatswechsel August/September (KW 35) noch einmal um +1,5 % gegenüber dem Schnitt der vorherigen vier Wochen, die Energiekosten um +0,5 %.
Die allgemeine Inflationsrate steigt derweil in Deutschland auf seit Jahrzehnten nicht mehr erfasste Höhen: Im August 2021 betrug sie 3,9 %. Davor hatte sie sich im Juli 2021 sprunghaft auf +3,8 % erhöht (Juni +2,3 %). Eine noch höhere Inflationsrate von +4,3 % gab es davor zuletzt im Juli 1993.
Den Anstieg der Teuerungsrate führt das Statistische Bundesamt (Destatis) insbesondere auf die Folgen der temporären Senkung der Mehrwertsteuersätze (von Juli 2020 bis Dezember 2020) als Teil des Konjunkturpaketes zur Milderung der Coronakrise zurück. Das dadurch ausgelöste niedrige Preisniveau vor einem Jahr wirkte jetzt erhöhend auf die Preisentwicklung vieler Waren und Dienstleistungen und somit auf die Inflationsrate insgesamt. Der preiserhöhende Effekt werde zusätzlich durch Sonderentwicklungen für einzelne Güter verstärkt, insbesondere für die Energieprodukte (Kraftstoff +24,7 %, Strom +1,6 %). Ohne Berücksichtigung der Energieprodukte hätte die Inflationsrate im Juli 2021 nur bei +2,9 % gelegen.
Die hohe Inflation trifft nicht nur die Milcherzeuger sondern auch die Milchverarbeiter. Doch „nach unten durchreichen“ sollten die Molkereien das Problem nicht „einfach“! Für harsche Kritik hatte entsprechend jüngst eine Ankündigung der Molkerei Arla gesorgt: Sie hatte ihren Lieferanten in Aussicht gestellt, den Milchauszahlungspreis aufgrund der gestiegenen Inflationsrate (insbesondere gestiegene Kosten für Kraftstoff, Energie und Verpackung )um 1 Cent zu senken.
Doch die erhöhten Produktionskosten umfassend an den Endverbraucher weiter zu geben, wäre auch keine optimale Lösung, mahnen die Experten der niederländischen Rabobank. Denn dies könnte die so wichtige, sich eigentlich positive Entwicklung der Verbrauchernachfrage nach Milchprodukten umkehren.
Unter anderem Dienstleistungen haben sich verteuert – im Juli 2021 lagen die Kosten dafür um +2,2 % über dem Vorjahresmonat. Darunter fällt im Betriebsalltag auch die Wartung der Melktechnik durch Servicetechniker.
(Bildquelle: Berkemeier, Landwirtschaftsverlag GmbH)