Steigende Kosten, Umweltauflagen und der Klimawandel beeinträchtigen die Milchproduktion in Neuseeland. Die Milchbranche steht vor großen Herausforderungen.
Neuseeland gilt als das Paradis für Milcherzeuger, denn nirgendwo sonst auf der Welt lässt sich so günstig Milch produzieren, wie auf den auf den beiden im Pazifischen Ozean gelegenen Inseln. Das milde Klima, das ein fast ganzjähriges Graswachstum ermöglicht, 365 Tage Weidehaltung (es werden keine Ställe benötigt) geringe Umweltauflagen und günstige Arbeitskräfte (viele „Gastarbeiter“ kommen aus Indonesien oder sind Rucksackreisende aus Europa) erlauben es den neuseeländischen...
Jetzt bestellen und weiterlesen!
Elite - Das Fachmagazin für erfolgreiche Milchproduktion
Elite Print + Digital
Jahresabo
112,20 EUR
/
Jahr
6 Print-Ausgaben im Jahr versandkostenfrei
Alle Print-Ausgaben auch digital für Ihr Tablet oder Smartphone
Zugang zu sämtlichen Inhalten auf elite-magazin.de
Neuseeland gilt als das Paradis für Milcherzeuger, denn nirgendwo sonst auf der Welt lässt sich so günstig Milch produzieren, wie auf den auf den beiden im Pazifischen Ozean gelegenen Inseln. Das milde Klima, das ein fast ganzjähriges Graswachstum ermöglicht, 365 Tage Weidehaltung (es werden keine Ställe benötigt) geringe Umweltauflagen und günstige Arbeitskräfte (viele „Gastarbeiter“ kommen aus Indonesien oder sind Rucksackreisende aus Europa) erlauben es den neuseeländischen Milchfarmern, zu sehr geringen Kosten Milch zu produzieren. In den vergangenen 30 Jahren hat die Milchproduktion dort denn auch einen regelechten Milch-Boom erlebt. Die Weidefläche hat um 45 Prozent zugelegt, der Milchkuhbestand sich verdreifacht (siehe Übersicht). Inzwischen ist das „weiße Gold“ das mit Abstand wichtigste Exportgut Neuseelands. Seit 1989 haben sich die Volumina der Exporte neuseeländischer Milchprodukte vervierfacht, die Erlöse sogar verachtfacht. 95 Prozent der produzierten Milchmengen gehen ins Ausland, vor allem nach Asien und hier insbesondere nach China.
Doch nun scheint es so, als wären die paradiesischen Zustände (bald) vorbei. Warum? Der Klimawandel (Extremwetterereignisse), steigende Kosten für Dünger, Treibstoff, Futter und Löhne sowie anziehende Zinsen und nicht zuletzt auch eine zunehmend heftiger geführte Diskussion um den Umweltschutz wirken sich zunehmend dämpfend auf die Milcherzeugung aus. Schon seit nunmehr sieben Jahren wächst die Kuhzahl und auch die Milchmenge nicht mehr. Aktuell grasen in Neuseeland 4,6 Mio. Kühe, gut 400.000 weniger als in Spitze 2014/15. Gemolken werden in der Saison 2023/24 voraussichtlich 19,25 Mrd. Liter Milch (2014/15: 21,25 Mrd. l).
Fast so viele Milchkühe wie Einwohner – NZ in Zahlen
In Neuseeland leben 4,67 Mio. Kühe (5,1 Mio Menschen). Aktuell werden dort rund 19,3 Milliarden Liter Milch gemolken, was in etwa zwei Drittel der in Deutschland erzeugten Milchmenge entspricht. 95 % der Milch wird exportiert. Mittlerweile erzielt die neuseeländische Milchindustrie in etwa 28 Prozent der Exporteinnahmen des Landes (umgerechnet knapp acht Milliarden Euro).
- Die Kühe verteilen sich auf 10.600 Herden (441 Kühe pro Herde). In 557 Herden laufen mehr als 1.000 Kühe
- 57 % auf der Kühe grasen auf der Nordinsel, 43 % auf der Südinsel
- Im Durchschnitt gibt eine Kuh 4.351 kg Milch bzw. 393 kg Inhaltsstoffe (MLP-Kühe: 4.703 kg und 411 kg; 169.000 Zellen)
- 60 % der Kühe sind HF/Jersey-Kreuzungen (520 kg LM), 24% reine Holsteins (570kg LM) und 8 % Jerseys 8 % (450 (Jersey kg LM)
- Rund 82 % der Kühe werden besamt (1,3 Besamungen pro Trächtigkeit); die Besamungsperiode erstreckt sich über max. 12 Wochen. Rund 90 % der Kühe werden in dieser Zeit tragend. Nicht trächtige Kühe werden ausselektiert.
Die Kühe, zumeist Kiwi-Holsteins, Jerseys und Gebrauchskreuzungen, werden das gesamte Jahr auf der Weide gehalten. Nur zu den Melkzeiten kommen sie auf die Farm.
(Bildquelle: elite)
Künftig weniger Milch
Für die kommenden Jahre erwarten Marktanalysten gleich aus mehreren Gründe einen weiteren Rückgang des Milchaufkommens:
Viele Milchfarmer sind zwischen 50 und 60 Jahre alt, da aber immer weniger junge Menschen bereit sind, eine Milchfarm zu übernehmen, werden zunehmend mehr Farmen zum Verkauf angeboten. Denn Hofnachfolger müssen in aller Regel ihren Eltern neben der Kuhherde auch die Flächen abkaufen, die je nach Region zwischen umgerechnet 18.000 bis 36. 000 Euro schwanken. Bei weiterhin absehbar hohen Zinsen, rechnet sich eine Betriebsübernahme nicht mehr so richtig …
Die neuesten Prognosen gehen davon aus, dass der Breakeven in diesem Jahr bei 7,75 NZ $ pro kg Milchinhaltsstoff liegt. Erwartet wird ein Milchpreis von max. 8,12 NZ $. Somit können die Milchfarmer mit einem Überschuss (Gewinn) von gerade mal 0,37 NZ $ pro Kilo Milchinhaltsstoffe rechnen, was umgerechnet auf einen Liter Milch mit 4,0 Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiß etwa drei Cent Gewinn bedeutet bzw. je nach Milchleistung 130 bis 145 Euro pro Kuh.
Trinkwasser oft durch N-Dünger belastet
Die hohen Intensität mit der während der vergangenen Jahrzehnte die Milchproduktion betrieben wurde, hat ihre Spuren hinterlassen. U.a. Umweltschutzorganisationen läuten die Alarmglocken, sie kritisieren dass die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Grenzen erreicht seien. In vielen Regionen findet sich zu viel Nitrat im Boden, auch die Phosphorgehalte liegen oft deutlich über den noch tolerierbaren Grenzwerten. Zu diesem Ergebnis kommen nicht nur besorgte Ökologen, sondern auch die Regierung selbst. Kürzlich erst hat das Umweltministerium einen Bericht vorgelegt, der den Schaden umfänglich dokumentiert. 95 Prozent aller Fließgewässer im Tiefland sind demnach verschmutzt. Die Wasserqualität ist dort oft so schlecht, dass in den meisten von ihnen nicht gebadet werden darf. Rund 30 Prozent der natürlichen Gewässer gelten mittlerweile als hoch belastet. In jedem zweiten Fließgewässer liegt die Kontamination mit Bakterien um ein Fünffaches über den Richtlinien des Gesundheitsministeriums.
Mit Hilfe von Beregnungsanlagen wird versucht, das Graswachstum hoch zu halten – allerdings wird das Wasser zunehmend knapper, die Beregnung der Wiesen teurer.
(Bildquelle: elite)
Im District Canterbury, einem der Hot-Spots der neuseeländischen Milchproduktion auf der Südinsel, reichen mittlerweile die Regen- und Flusswassermengen nicht mehr aus, um die Nitratverschmutzung auf akzeptable Trinkwasserstandards zu verdünnen. Bereits jetzt überschreiten 8 % der überwachten Grundwasserbrunnen die Trinkwassernorm für Nitrat, und bei 68 % der Brunnen nimmt die Verunreinigung weiter zu. Die Belastung des Grundwassers mit beträgt knapp 21 mg/L - fast das Doppelte des zulässigen Wertes für Trinkwasser. Hier schlagen denn auch die Umweltbehörden Alarm, denn die Trinkwasserversorgung von Christchurch, der zweitgrößten Stadt Neuseelands, wird angeblich durch Nitrat aus der Milchviehhaltung im Einzugsgebiet des Waimakariri-Flusses erheblich verschmutzt. Zurückgeführt wird die steigende Nitratbelastung des Grundwassers auf den hohen Einsatz von Stickstoffdünger und importierten Futtermitteln wie Palmkern-Expeller. Eine Studie fordert jetzt eine sehr starke Verringerung der Nährstoffauswaschung in der Größenordnung von 96 Prozent, um die erhöhten Nitratkonzentrationen im Grundwasser zu senken. Um dies zu realisieren müsste es in der Region entweder 12-mal mehr regnen oder aber die Anzahl der Kühe um das 12-fache reduziert werden.
Nur noch max. 190 kg mineralisch
Um die Umwelt zu schützen, wurden mittlerweile landesweit erste Maßnahmen zur Minderung der Nährstoffeinträge eingeführt. So ist z.B. die Ausbringung von synthetisch hergestelltem Stickstoff (N) auf 190kg/ha und Jahr begrenzt (anders als in der EU unterliegt organischer Dünger keinen Beschränkungen). Alle Milchfarmer sind angewiesen, die ausgebrachten N-Düngermengen schlagbezogen zu dokumentieren und zu bilanzieren.
In einem Land, das stolz auf seine Umwelt ist, in dem die Bevölkerung sehr naturverbunden ist, schreckt viele Menschen die Tatsache auf, dass die Milchbranche 25 Prozent aller Emissionen verursacht. In einigen Regionen haben die Behörden denn auch Umweltauflagen ins Leben gerufen. So frei wie früher agieren können die Farmer nicht mehr … die Zeiten, in denen die Gülle vom Melkzentrum aus einfach in den nächsten Bach abgeleitet wurde, sind endgültig vorbei.
Neuseeland ist immer noch weltweit der beste Standort um Milch zu produzieren“
Bas Nelis., Milchfarmer
Das alles hat in den letzten drei Jahren dazu geführt, den Trend Busch- und Waldflächen zu roden und diese als Weideflächen für Milchkühe zu nutzen, umzukehren. Die Milchbranche verliert mittlerweile Flächen, vielerorts ist zu beobachten, dass ackerfähigen Flächen vermehrt einer anderen Nutzung zugeführt (Marktfruchtbau, Obst) werden. Weniger gute Grünlandflächen werden mit Schafen beweidet oder extensiviert.
Trend zu mehreren Standorten
Aber dennoch ist Schwarzmalen in der Milchbranche nicht angesagt. „Neuseeland ist immer noch weltweit der beste Standort um Milch zu produzieren“, ist Bas Nelis überzeugt. Der junge Milchfarmer hat sich bereits auf der ganzen Welt umgesehen und auch in mehreren Ländern gearbeitet. Trotz aller Herausforderungen setzt er gerade voll auf die Milch. Auf der Nordinsel, in Tirau im Mekka der neuseeländischen Milcherzeugung, bewirtschaftet er mittlerweile fünf Milchfarmen und melkt knapp 2.000 Kühe. Nach seinen Wanderjahren ist er zunächst als Sharemilker in die Farm seiner Eltern eingestiegen, dann hat die kompletten Anteile übernommen. In den darauffolgenden Jahren hat er dann weitere vier Farmen in der Nachbarschaft übernommen. Zwei davon bewirtschaften heute eigenverantwortlich Sharemilker, auf einer weiteren Farm erledigt eine Kontrakt-Melkerin das Melken.
Contract und Sharemilker
In Neuseeland wird nur etwa jede zweite Farm (56 %) vom Eigentümer bewirtschaftet. Auf den übrigen Milchfarmen übernehmen Share-Milker (30 %) oder Contract-Milker (14 %) das Melken und die Versorgung der Herden. Das System erlaubt es jungen Menschen, sich Schritt für Schritt in die Milchproduktion einzukaufen.
Share-Milking: Der Share-Melker besitzt einen Teil oder die gesamte Milchkuherde und die Nachzucht. Er zeichnet sich für die Bewirtschaftung der Farm verantwortlich, hält die mobilen Maschinen vor und beschäftigt das (Melk)Personal. In der Regel erhält er im Gegenzug 50 % des Milcheinkommens (50/50-Sharemilking). Die Vorteile des Share-Milking sind:
- Entlastung des Eigentümers von der täglichen Arbeit auf dem Milchkuhbetrieb (eignet sich daher für abwesende Eigentümer)
- Das Risiko und die Kosten werden zum beiderseitigen Vorteil geteilt.
- Ermutigt den/die Share-Melker, sich ordentlich ins Zeug zu legen.
Jedes Jahr am 1. Juni, dem „Gypsy Day“ werden die Karten neu gemischt. Dann herrscht Ausnahmezustand, denn es wechseln Tausende von Kühe ihre Besitzer und Hunderte von Milchfarmen ihre Bewirtschafter.
Contract-Milking: Der Melker erhält einen bestimmten Preis pro Kilogramm Milchinhaltsstoffe. Er stellt in der Regel alle Arbeitskräfte zur Verfügung, zahlt für Strom und Unterhaltung sowie für Fahrzeuge (Motorrad bzw. Quad) und Versicherungen. Das Risiko für ihn besteht darin, dass er bei einem Anstieg des Milchpreises während der Saison sich mit dem niedrigeren Milchpreis begnügen muss.
Eine Person versorgt bis zu 500 Kühe
Der Trend zu immer größeren Einheiten, der Bewirtschaftung mehrerer Farmen unter einem Unternehmensdach ist nicht nur in der Region Waikato unübersehbar. Er ist letztlich den gestiegenen Kosten und Auflagen geschuldet, denn die Margen lassen sich oftmals nur noch durch Effizienz-Steigerungen halten – und hier spielt Größe eine wichtige Rolle. „Wir haben eine weitere Farm vor allem deshalb zugepachtet, weil sie an eine unserer Farmen angrenzt. So kommen wir mit weniger Personal aus, auch vereinfacht es das tägliche Management“, erklärt Tim Douglas. Tim bewirtschaftet gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder Ian im Norden der Nordinsel vier Milchfarmen (zusätzlich melkt die Familie in Brasilien noch 2.000 Kühe, die dortige Farm leitet sein Bruder Roger). Auf jeder der beiden nebeneinander liegenden Farmen werden rund 500 Kühe gemolken und versorgt. Außerhalb der dreimonatigen Kalbesaison, die im September beginnt, wird pro Standort nur ein Melker bzw. eine Melkerin benötigt. Eine dritte Arbeitskraft pendelt täglich zwischen zwei „Sheds“ (Melkzentren) und kann so bei Bedarf aushelfen. Damit alle Mitarbeiter im Bedarfsfall jederzeit auf einem anderen Standort eingesetzt werden können, legt die Familie großen Wert auf gleiche Abläufe und Maschinen. So finden sich z.B. die gleichen Motorräder (zum die Kühe holen) und die gleichen Futtermischwägen auf den einzelnen Standorten. Auch werden die knapp 2.500 Kühe des Familienunternehmens alle nach dem immer gleichen Routinen versorgt. Einen weiteren Vorteil in einer derartigen Unternehmensgröße sieht Tim darin, dass diese es ihnen erlaubt, alle nicht zur Milchproduktion benötigten weiblichen und männlichen Kälber auf einer familieneignen Farm (Beef) aufzustallen und zu mästen. Das ist wesentlich lukrativer im Vergleich zum Verkauf der Kälber am zweiten Lebenstag.
Bas Nelis hat in den letzten Jahren fünf Farmen übernommen. Aktuell melkt er in Tirau, im Mekka der neuseeländischen Milcherzeugung, knapp 2.000 Kühe.
Ferngesteuerte Kühe, Verzicht auf Melkzeiten, innovatives Sperma …
Viele Milchfarmer bauen mittlerweile Silomais an, damit reagieren sie auf die Folgen des Klimawandels (Dürre und Extremwetter-Ereignisse)
(Bildquelle: elite)
Um bei den deutlich gestiegenen Kosten und zunehmenden (kostentreibenden) Auflagen in der Gewinnzone zu bleiben, versuchen die neusseländischen Milchfarmer die Milchinhaltsstoffe pro Kuh bzw. Herde weiter zu steigern. Zudem setzen sie verstärkt auf innovative Technik und Managementmethoden. Einige Beispiele:
Die Zeiten in denen die Kühe ausschließlich Gras erhielten, scheinen vorbei. Nur noch weniger Farmer setzten auf das LowCost-System. Auf den meisten Farmen werden die Kühe mittlerweile zugefüttert, zwei Kilo Palmkerne im Melkzentrum und bei Bedarf - der ist meist am Ende der Weidesaison vorhanden, auch mit Gras- und Maissilage. In den letzten Jahren war es häufig entweder zu nass, so dass die Kühe die Weideflächen zu sehr beansprucht haben, oder aber zu trocken, so dass es an Grasaufwuchs mangelte. Dann wird umfangreich zugefüttert.
Wenn im Herbst zu wenig Gras nachwächst oder die Kühe lange Strecken (mehr als ein bis zwei Kilometer) bis zur nächsten Koppel zurücklegen müssen, dann wir auch schon mal auf eine Melkzeit verzichtet. Das spart neben Futter auch noch Arbeitszeit ein. „Derzeit melken wir ein Drittel nur noch einmal, den Kühe mit wenig Milch am Laktationsende macht das nichts aus - im Gegenteil, sie bleiben so bei Kräften“ weiß Tim Douglas.
Ein anderes, sehr ungewohntes Melkverfahren zur Effizienzsteigerung, wird gerade an der Universität Lincoln erprobt. Dort werden die 650 Kühe nicht mehr kontinuierlich zweimal täglich gemolken, sondern an zwei Tagen in der Woche nur noch einmal. Auf zwei Tage mit zwei Melkungen folgt ein Tag mit nur einer Melkung am späten Vormittag. „Das ist gut für die Kühe und die Melker“, erläutert xxx.
Weniger Zeit aufbringen sollen die Melker mit dem Umtreiben der Kühe von Koppel zu Koppel und dem Zu- und Abtreiben der Kühe zu den Melkzentren. Eine neue Technik erlaubt es, die Kühe per App fernzusteuern. Dazu müssen die Kühe nur mit einem speziellen Halsband ausgerüstet werden. Dieses Halsband erzeugt unterschiedliche Vibrationen und Töne, welche die Kühe loslaufen lässt und sie die Laufrichtung wechseln lässt (nach links oder rechts). Dazu müssen aber zunächst alle Flächen digitalisiert werden und mehrere Antennen den Weideflächen errichtet werden. In Zukunft könnte theoretisch auch das Zäunen entfallen, die Weideflächen lassen sich virtuell aufteilen. Gelangt die Kuh beim Grasen an eine virtuelle Grenze, erhält sie eine „Info“: Halt, hier geht’s nicht weiter. Das Anlernen der Kühe an die Technik dauert etwa eine Woche. Die Kosten für das Sensorsystem beziffern die Milchfarmer auf zehn Euro pro Kuh und Jahr. Die spielen sich aber wieder ein, ist Pete Morgen, Milchfarmer aus Waikato (520 Kühe), überzeugt: „Die Kühe haben weniger Stress, was sich insbesondere positiv auf die Klauengesundheit auswirkt. Auch hat sich die Grasnutzung um fünf Prozent verbessert“.
Ein weiteres interessantes Werkzeug, das letztlich hilft Arbeit zu sparen, ist der Einsatz eines speziellen Spermas, das die Trächtigkeitsdauer um bis zu 12 Tage verkürzt (Livestock Improvement Corporation; LIC). Mit diesem Sperma werden all die Kühe besamt, die nach acht bis zehn Wochen nach Beginn Ende der Besamungsperiode noch nicht besamt wurden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass weniger Kühe ausgemustert werden müssen, da sie so noch während der acht bis 12 wöchigen Besamungsperiode tragend werden können. Dadurch kann dann letztlich im Winter die vier- bis sechswöchige Melkpause eingehalten werden.
In Zukunft noch nachhaltiger und klimaschonender
Bleibt festzuhalten: Neuseeland Milchbranche steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. Die Branche muss sich nicht nur um mehr Akzeptanz bei den Verbrauchern bzw. in der Öffentlichkeit bemühen, auch muss die Produktion nachhaltiger ausgerichtet werden. Um die Einkommen zu auch künftig mindestens zu stabilisieren, die Gewinnmargen abzusichern, werden die Farmer an weiteren Effizienzsteigerungen nicht vorbeikommen. Das gelingt zumeist nur, wenn verstärkt zugefüttert und das Herdenmanagement mit Hilfe moderner Technik Landwirtschaftliches „upgedatet“ wird. Die Zeiten, in denen Kühe einfach auf die Weide getrieben werden, ein bis zwei Mal täglich von Backpackern (Rucksackreisenden) gemolken werden, scheinen abgelaufen.
Zur Expansion der Kuhherden wird Kapital (Kühe, Stallungen und Technik) benötigt, das wird oftmals auch von Mitarbeitern (ShareMilker) oder von Außen (z.B. Crowd Sourcing) kommen müssen. Das muss kein Nachteil sein, denn letztlich wird dies zwangsläufig zu einer weiteren Professionalisierung des Managements führen.
Auch wenn der große Milch-Boom vorüber zu sein scheint, die Milchmenge etwas sinkt, so dürfte Neuseeland aus zwei Gründen auf jeden Fall auch weiterhin ein wichtiger Akteur an den globalen Milchmärkten bleiben: Aufgrund der Lage des Inselstaates (nah an den stark wachsenden asiatischen Märkten) und des milden Klimas, das auch in Zukunft noch eine vergleichsweise kostengünstige Milchproduktion ermöglichen wird.
Neuseeländische Milchfarmen hinterlassen den geringsten CO2-Fußabdruck. Dennoch will der Molkereikonzern Fonterra, dass sie ihre Emissionen um 30 % reduzieren.
Align Farms möchte die Milchproduktion nachhaltiger gestalten. In einem Praxisversuch wird mit 300 Kühen das Modell der regenerativen Bewirtschaftung erprobt.