Eine Trockenstehergruppe steht auf der Weide bei praller Sonne in einer Traube um die Wassertränke oder, wenn es gut läuft, dicht gedrängt unter einem Baum, der ihnen Schatten spendet. Ein Blick auf die Einzeltiere zeigt, dass die Kühe stark pumpen, nicht fressen und oftmals noch von Hunderten Fliegen besetzt sind. Wer Trockensteher im Sommer auf der Weide hält, der kennt dieses Bild vor allem nach den letzten Hitzesommern wahrscheinlich sehr gut!
Die Gründe, Trockensteher den...
Eine Trockenstehergruppe steht auf der Weide bei praller Sonne in einer Traube um die Wassertränke oder, wenn es gut läuft, dicht gedrängt unter einem Baum, der ihnen Schatten spendet. Ein Blick auf die Einzeltiere zeigt, dass die Kühe stark pumpen, nicht fressen und oftmals noch von Hunderten Fliegen besetzt sind. Wer Trockensteher im Sommer auf der Weide hält, der kennt dieses Bild vor allem nach den letzten Hitzesommern wahrscheinlich sehr gut!
Die Gründe, Trockensteher den Sommer auf der Weide zu halten, sind vielfältig: So können die Milcherzeuger nicht mähfähiges Grünland nutzen, Produktionsvorgaben wie z.B. Bio einhalten oder schlichtweg ihren Wunsch, die Kuh auf der Wiese zu sehen, erfüllen. Doch auch wenn die Weide für die Kühe hinsichtlich Liegekomfort und Bewegung Vorteile bietet, gibt es entscheidende Nachteile, die berücksichtigt werden müssen! Welchen Einfluss hat die Weide auf die Stoffwechselgesundheit und Milchleistung der Kuh nach der Kalbung und wie wirkt sich die Hitze auf die Kuh und das Kalb aus?
Schwankende Nährstoffgehalte
Trockensteher müssen auf der Weide mit täglich schwankenden Nährstoffgehalten der Grasaufwüchse zurechtkommen. „Die Nährstoffzusammensetzung hängt sehr von der Witterung ab. Wenn es z. B. drei Tage trocken ist, frisst die Kuh ein ganz anderes Futter als wenn es drei Tage regnet. Das hat großen Einfluss auf die Stoffwechselleistung rund um die Kalbung“, weiß Dominik Bützler, Fütterungsberater bei der Tierarztpraxis LandVET. Zu Vegetationsbeginn kann das junge Frischgras durch zu hohe Energie- und Rohproteingehalte zu einer Überversorgung der Tiere führen. Hinzu kommt, dass die hohen Energie- und Proteingehalte junger Aufwüchse zu einer geringeren Trockenmasse (TM)-Aufnahme und damit zu einem kleinerem Pansenvolumen führen. Der Pansen der Kuh hat dann nach der Kalbung also schlichtweg zu wenig Platz für eine ausreichende Futteraufnahme, um eine Ketose bei hohen Milchleistungen zu verhindern. Im Herbst wiederum kann es sogar durch einen Proteinüberschuss zu einer energetischen Unterversorgung kommen. Deshalb sollten Trockensteher ab September im Stall bleiben.
Drei Wochen vor der Kalbung ist Weide ein No-Go!
Dominik Bützler, Fütterungsberater LandVET QPlus, NRW
Gefährliches Kalium
Empfehlungen für die Fütterung von Trockenstehern sehen vor, dass sie mit 5,4 bis 5,8 MJ NEL, 100 bis 125 nXP und unter 15 g Kalium (K) pro kg TM versorgt werden. Die Weidehaltung der trockenstehenden Kühe führt üblicherweise jedoch zu einer Versorgung mit etwa 6,0 bis 7,0 MJ NEL, 152 g nXP und 24 bis 26 g K/kg TM (bei Kleegras sogar ca. 35 g K/kg TM). Die hohen Kaliumgehalte erhöhen wiederum das Risiko für Milchfieber rund um die Kalbung, da Kalium die Calcium-Stoffwechselleistung stört.
Hitze schadet den Nachkommen
Trockensteher sind die wichtigsten Kühe, wenn es darum geht, Hitzestress zu vermeiden. Daher sollten sie nie der prallen Sonne ausgesetzt sein. Denn die Hitze hat nicht nur direkten Einfluss auf die trockenstehende Kuh, sondern auch auf das ungeborene Kalb. Forschende an der Universität Florida fanden heraus, dass sowohl die Töchter als auch die Enkeltöchter der von Hitze beeinflussten Kühe, eine geringere Milchleistung sowie eine verkürzte Lebensdauer hatten. Die Forscher gehen davon aus, dass sich die Geschlechtszellen (Gameten) der Töchtergeneration durch den Hitzestress während der Trächtigkeit verändern (Quelle: J. Laporta et. al. 2020).
Tipps für die Weide
- Für Trockensteher eignen sich am besten extensive, ungedüngte Weiden, da diese Kühe nährstoff- und kaliumarmes Futter benötigen.
- Um die trockenstehenden Tiere bestmöglich zu versorgen und Stoffwechselerkrankungen trotz Weidehaltung zu verhindern, empfiehlt sich die Gabe eines Mineralstoff-Bolus beim Trockenstellen. Dieser versorgt das Tier mit allen benötigten Mineralien und Spurenelementen, die die Weide nicht ausreichend anbieten kann.
- Die Kühe werden idealerweise zusätzlich mit Lecksteinen bzw. -schalen speziell für Trockensteher versorgt.
- Es sollten ausreichend Schattenmöglichkeiten sowie eine gute Wasserversorgung sichergestellt sein.
- Um dauerhaft bei jeder Witterung eine hohe Futteraufnahme und Nährstoffaufnahme zu gewährleisten, ist eine Zufütterung der Weidetiere sinnvoll.
- Um ein ausreichend großes Pansenvolumen nach der Kalbung zu sichern, sollten die Kühe drei Wochen vor der Kalbung zum Anfüttern aufgestallt werden. Der Weidegang ist in der Anfütterungsphase ein No-Go!
Stall und Weide kombinieren
Trotz der vielen Risiken, die die Weide für die trockene Kuh und ihrem ungeborenen Kalb mit sich bringt, ergeben sich durch den Liegekomfort und die Bewegungsmöglichkeit unverkennbare Vorteile für die Fitness und die Fundamente des Tieres. Daher ist eine Kombination aus Stall- und Weidehaltung für Hochtragende perfekt: Die Weide, die 24 Stunden zugänglich ist, dient lediglich als Joggingweide. Hier können sich die Trockenen bewegen und haben viel Platz zum freien Abliegen. Im klimatisierten Stall werden die Kühe mit Futter versorgt. Zusätzlich bietet er den Kühen Schatten.
Diese Optimallösung ist aber nur selten gegeben beziehungsweise möglich. Wenn eine Kombination aus Stall- und Weidhaltung nicht möglich ist, bietet es sich an, die Weidehaltung der Trockensteher anhand der oben genannten Tipps zu optimieren. Wichtig: Bei vermehrten Problemen mit Stoffwechselerkrankungen rund um die Kalbung, sollte die reine Weidehaltung der Trockensteher jedoch trotz der betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Vorteile infrage gestellt werden. Denn stoffwechselkranke Kühe bedeuten für den Betrieb am Ende weniger Milch, mehr Arbeit und kosten Nerven!
In Zusammenarbeit mit Dominik Bützler, Fütterungsberater LandVET QPlus, NRW
Das könnte Sie außerdem interessieren:
Wann und wie verbringen Kühe am liebsten Zeit in einem Auslauf? Überraschend: Haben sie die Wahl, gehen sie gerne nachts.