Herdenmanagement
Sind meine Färsen passend entwickelt?
Ein frühes Erstkalbealter kann Aufzuchtkosten sparen, gleichzeitig aber auch Milch kosten, weil Jungkühe noch wachsen. Eigene Zielwerte helfen weiter.
Die Aufzucht von Färsen ist teuer! Auswertungen aus Mecklenburg-Vorpommern ergeben Aufzuchtkosten von ca. 2,20 Euro pro Tier und Tag. Das heißt: Je älter Färsen zum ersten Mal abkalben, desto teurer die Aufzucht. Je nach Betrieb gibt es große Unterschiede im durchschnittlichen Erstkalbealter (EKA) von Färsen. Bei einer intensiven Aufzucht ist ein EKA von rund 22 Monaten durchaus möglich und kann entsprechend Aufzuchtkosten sparen.
Aber: Starten Färsen sehr jung in die erste Laktation, kann sich das auch negativ in der Milchleistung bemerkbar machen. Denn je mehr Energie sie während der Laktation für ihre körperliche Entwicklung benötigen, desto weniger Energie verbleibt zur Milchproduktion. Die Gewichtserfassung und der Vergleich von Jung- und Altkühen kann Milcherzeugern helfen, das passende EKA für den eigenen Bestand zu finden.
1. Körperliche Entwicklung im Blick
Um die Entwicklung von Jungtieren genau zu kontrollieren, ist die Erfassung des Körpergewichts unumgänglich. In der Regel gelten bei Holsteins ein Körpergewicht (KGW) von 400 kg oder ein Alter von 15 Monaten als Richtwert für die Erstbesamung. Besser ist es aber, Zielwerte aufzustellen, die zur eigenen Herde passen. Als Grundlage dafür dienen die „adulten Kühe” einer Herde.
Eine adulte Kuh meint eine ausgewachsene, gesunde Kuh in der 4. Laktation am 80. bis 200. Laktationstag. Sie gilt als repräsentativ bzw. als Zielgewicht für das Gros der Herde. Das Gewicht dieser Kuh kann je nach Herde extrem unterschiedlich sein. Tipp: Zehn Kühe gemeinsam auf einem Anhänger wiegen und den Mittelwert berechnen.
Anhand der Altkühe ergeben sich die Zielgewichte:
- 55 % des KGW der adulten Kuh zur 1. Besamung
- 82 % des KGW der adulten Kuh nach 1. Abkalbung
Wiegen die adulten Kühe einer Herde beispielsweise 700 kg im Durchschnitt, können Jungrinder mit rund 385 kg KGW zum ersten Mal besamt werden. Bei Kühen mit einem KGW von 750 kg sollte man mindestens bis zu einem KGW von 413 kg abwarten (siehe Tabelle). Je früher Jungrinder das jeweilige Zielgewicht erreichen, desto kürzer und entsprechend kostengünstiger ist die Aufzucht. Werden sie bereits vor Erreichen des Zielgewichts besamt, müssen sie später „nachwachsen“, was sich entsprechend in einer geringeren Milchleistung widerspiegeln kann.
2. Peakleistung vergleichen
Ob die Färse während der ersten Laktation viel Energie in ihre eigene Entwicklung steckt, zeigt sich nicht nur in ihrem Körpergewicht, sondern auch in ihrer Peakleistung (Übersicht 2). Die zu erwartende Peakleistung einer Färse orientiert sich ebenfalls an den adulten Kühen einer Herde. Als grober Zielwert gilt die 80 %-Marke. Färsen sollten im Laktationspeak rund 80 % der Milchleistung ihrer älteren Stallgefährtinnen erreichen. Das Leistungsniveau der Herde spielt dabei keine Rolle.
Rechenbeispiel
Die Kühe einer Herde (3. + 4. Laktation) wiegen im Durchschnitt 700 kg und geben 45 kg Milch im Peak. Die Färsen wiegen 500 kg und geben 32 kg Milch im Peak.
Körpergewicht: 500 kg / 700 kg x 100 = 71 %
Milchleistung: 31 kg / 45 kg x 100 = 69 %
Um das Ziel von 80 % zu erreichen, müssten die Färsen hierrund 560 kg wiegen und 36 kg Milch geben. Hier liegen Reserven, die sie in ihr Wachstum stecken.
Milchgeld-Verlust:
Ein Kilogramm Peakmilch bedeuten hochgerechnet etwa 200 kg Milch in 305 Laktationstagen. In diesem Beispiel fehlen 5 kg Peakleistung, die nicht realisierte Milchmenge beträgt damit 1.000 kg (5 x 200 kg). Bei einem Milchpreis von 40 Cent/kg ECM und Futterkosten von 20 Cent/kg TS (1 kg TS = 2,2 kg ECM, d. h. 9 Cent Futterkosten/kg ECM) ergibt sich folgender Milchgeld-Verlust: 40 Cent abzüglich 9 Cent = 31 Cent/kg ECM bzw. 310 Euro pro Tier und Laktation.
3. Das passende EKA finden
Fazit: Das EKA von Färsen kann sich sowohl in den Aufzuchtkosten als auch im Milchgeld widerspiegeln und sollte individuell an die jeweilige Herde angepasst werden. Werden die Zielgewichte während der Aufzucht berücksichtigt, ist die Färse zur ersten Abkalbung ausreichend entwickelt, um ihr Leistungspotenzial auszuschöpfen. Andernfalls kann die körperliche Entwicklung Milch kosten. Achtung: Bei anderen Milchrassen können die Richtwerte sowie das Verhältnis deutlich abweichen. Dennoch empfiehlt es sich auch hier, die Entwicklung und das EKA zu hinterfragen.
Entscheidend ist, den passenden Weg für den eigenen Betrieb zu finden und die Zahlen im Blick zu haben. Dafür sollten Milchkuhhalter
- Gewichte erfassen (mind. während der Aufzucht),
- Zielgewichte kennen (adulte Kuh),
- Laktationskurven vergleichen (MLP-Bericht),
- das Verhältnis von Körpermasse und Leistung zwischen Jung- und Altkühen regelmäßig analysieren.
Betriebsbeispiele:
1. Holsteinbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern; Durchtriebswaage
| über 2.000 Kühe, 11.500 kg Milch
| Erstkalbealter: 21,4 Monate
| Färsen: 570 kg KGW, 36 kg Peakleistung
| Kühe: 780 kg KGW, 50 kg Peakleistung
| Verhältnis: 73 % beim KGW und 70 % bei der Peakleistung
2. Holsteinbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern; Durchtriebswaage
| 1.300 Kühe
| Erstkalbealter: 24 Monate
| Färsen: 530 kg KGW, 30 kg Peakleistung
| Kühe: 750 kg KGW, 45 kg Peakleistung
| Verhältnis: 71 % beim KGW und 67 % bei der Peakleistung
3. Holsteinbetrieb im Sauerland (NRW); Waage im Melkroboter
| 270 Kühe, 11.374 kg Milch
| Erstkalbealter: 24,8 Monate
| Färsen: 9.845 kg Laktationsleistung, 35 kg Peakleistung, 678 kg KGW
| Kühe: 12.396 kg Laktationsleistung, 50 kg Peakleistung, 775 kg KGW
| Verhältnis: 87 % beim KGW und 70 % bei der Peakleistung
4. Fleckviehbetrieb, Oberschwaben (BW); Waage im Melkroboter
| 91 Kühe, 8.896 kg Milch
| Erstkalbealter: 26,1 Monate
| Durchschnittsgewicht aller Kühe: 728 kg KGW
| Maximum Gewicht: 954 kg KGW
| Minimum Gewicht: 550 kg KGW
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