Die Aufzucht und Fruchtbarkeit der weiblichen Nachzucht sind entscheidend, um ein frühes Erstkalbealter zu erreichen. Dadurch können die Aufzuchtkosten minimiert und das Generationsintervall verkürzt werden. Für die Remontierung sollten nur die Rinder ausgewählt werden, die das größte Potenzial – auch bei der Fruchtbarkeit – aufweisen. Aber wie kann man das früh feststellen?
Auf dem World Buiatrics (Rindermedizin) Congress im August 2023 in Berlin stellte Barbara Beci,...
Die Aufzucht und Fruchtbarkeit der weiblichen Nachzucht sind entscheidend, um ein frühes Erstkalbealter zu erreichen. Dadurch können die Aufzuchtkosten minimiert und das Generationsintervall verkürzt werden. Für die Remontierung sollten nur die Rinder ausgewählt werden, die das größte Potenzial – auch bei der Fruchtbarkeit – aufweisen. Aber wie kann man das früh feststellen?
Auf dem World Buiatrics (Rindermedizin) Congress im August 2023 in Berlin stellte Barbara Beci, Wissenschaftlerin an der Veterinärmedizinischen Universität Gent, eine besondere Studie vor: Ein Forschungsteam maß bei Jungrindern verschiedene Abstände an den äußeren Geschlechtsmerkmalen und setzte diese in Beziehung zu deren Körperkondition und Fruchtbarkeit.
Der Anogenitalabstand – das steckt dahinter
Wie fruchtbar ein Tier ist, wird schon während der Schwangerschaft beeinflusst. Denn auch bei weiblichen Föten kann es zur Einwirkung von männlichen Hormonen, insbesondere Androgenen, während der Entwicklung im Uterus kommen. Androgen ist das Hormon, was die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane steuert. Die Einwirkung hat negative Auswirkungen auf die spätere Fruchtbarkeit.
Der Anogenitalabstand (AGD) gilt als ein Marker für die pränatale Androgenexposition (Aussetzung) und die Fruchtbarkeit bei verschiedenen Tierarten, einschließlich des Menschen. Studien an Labortieren und Menschen haben gezeigt, dass ein längerer Abstand zwischen Anus und Genitalbereich mit einer schlechteren Fruchtbarkeit zusammenhängt.
Bei Milchkühen wird der Anogenitalabstand (ADG) als die Länge zwischen der Mitte des Anus und der Klitorisbasis (AGDc) definiert. Jedoch gilt bei anderen Tierarten auch der Abstand zwischen Anus und Vulva-Kommissur (Geschlechtsöffnung) (AGDv) und das anogenitale Verhältnis (AGR) als Vorhersage für Fruchtbarkeitsmerkmale. AGR wird berechnet über: AGDv/AGDc*100.
Wie fruchtbar sind meine Jungrinder?
Das Hauptziel der Studie war die Beurteilung, ob sich der anogenitale Abstand bzw. das Verhältnis als Indikator für die Reproduktionsleistung von weiblichen Jungrindern eignet. Denn bisher wurde der Zusammenhang nur bei bereits laktierenden Kühen untersucht. Dafür wurde der AGDc und ADGv bei insgesamt 741 Rindern von 27 Milchkuhbetrieben in den Niederlande und Belgien im Alter zwischen 11 – 16 Monate gemessen.
Längerer AGD = später tragend
Anschließen prüften die Wissenschaftler ob es einen Zusammenhang zwischen dem AGD und der Körperkondition sowie dem Erstbesamungsalter und der Konzeptionsrate gab. Die Ergebnisse:
- Färsen mit längerer AGDc zeigten die Tendenz bei der ersten Besamung älter zu sein (p=0,06). Der Zusammenhang war bei der Messung des AGDv noch deutlicher (0<0,001).
- Es gab große Unterschiede bei den Färsen in der Länge des AGDv.
- Färsen mit einem kleineren anogenitalen Verhältnis (AGDv/AGDc*100) – also relativ langen Vulven – waren bei der Erstbesamung jünger (p <0,001) und früher tragend (P=0,002) im Vergleich zu Färsen, die ein größeres anogenitales Verhältnis hatten.
- Es bestand kein signifikanter Zusammenhang zwischen AGDv, AGDc oder AGR und der Körperkondition der Färsen.
60 % höhere Wahrscheinlichkeit einer Trächtigkeit bei Erstbesamung
Die Wissenschaftler ermittelten schließlich einen Schwellenwert für die Konzeptionsrate bei der Erstbesamung anhand des Verhältnisses zwischen Anus, Vulvaeingang und Klitoris (AGR): Dieser liegt bei einem AGR von 59,6 %.
Rinder mit einem AGR kleiner als 59,6 % hatten eine 60 % höhere Wahrscheinlichkeit, bei der ersten künstlichen Besamung direkt aufzunehmen.
Barbara Beci, World Buiatrics Congress im August 2023 in Berlin
Fazit:
Das Fazit auf der Konferenz war: Das anogenitale Verhältnis ist ein guter potentieller Indikator für die Reproduktionsleistung von Jungrindern. Damit lässt sich schon früh die spätere Fruchtbarkeitsleistung voraussagen.
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