Eine gute Fruchtbarkeit ist für den wirtschaftlichen Erfolg eines Milchkuhbetriebs von größter Bedeutung. Deshalb führt an der stetigen Optimierung der Reproduktionsleistung und des Repro-Managements auch kein Weg vorbei – auch wenn dies zeitaufwendig ist. Viele Milcherzeuger nutzen deshalb bereits Sensor-Systeme zur Brunsterkennung (Aktivitätsüberwachung).
Die innovativen Systeme haben jedoch mehr Potenzial als nur die Erkennung von Kühen in Brunst: Insbesondere während der...
Eine gute Fruchtbarkeit ist für den wirtschaftlichen Erfolg eines Milchkuhbetriebs von größter Bedeutung. Deshalb führt an der stetigen Optimierung der Reproduktionsleistung und des Repro-Managements auch kein Weg vorbei – auch wenn dies zeitaufwendig ist. Viele Milcherzeuger nutzen deshalb bereits Sensor-Systeme zur Brunsterkennung (Aktivitätsüberwachung).
Die innovativen Systeme haben jedoch mehr Potenzial als nur die Erkennung von Kühen in Brunst: Insbesondere während der freiwilligen Wartezeit liefern
Sensoren neben den Aktivitätsdaten weitere Informationen zur Brunstintensität, die in das Reproduktionsmanagement einbezogen werden sollten. Letztlich lässt sich mithilfe dieser Daten oftmals die Fruchtbarkeit der Herde verbessern, legte Stefan Borchert von der FU Berlin auf dem Dairy Cattle Reproduction Council Mitte November 2023 in Salt Lake City dar.
Die Berliner Forschungsgruppe hat kürzlich in größeren Milchkuhbetrieben Studien durchgeführt. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Intensität der Brunst innerhalb der Wartezeit Hinweise darauf erlaubt, ob die Kuh nach der Kalbung den Zyklus schon wieder aufgenommen hat. Auch der Besamungserfolg scheint sich daraus vorhersagen zu lassen. Bei Kühen, bei denen mindestens eine oder zwei Brunstereignisse aufgezeichnet wurden, war die Wahrscheinlichkeit einer Besamung vor dem 100. Laktationstag größer, die erste Besamung erfolgte früher und zudem war die Wahrscheinlichkeit einer Trächtigkeit bis zum 200. Tag größer (Übersicht 1).
Nur 53 % lösen Brunstalarm aus
Zum gleichen Ergebnis gelangen auch zwei kürzlich in den USA durchgeführte Untersuchungen mit Kühen, die entweder mit am Ohr oder am Hals angebrachten Sensoren zur automatischen Brunsterkennung ausgestattet waren. Auch hier stellte sich heraus, dass Kühe, die während der 50-tägigen Wartezeit mindestens eine Brunst zeigten (53 % der Kühe), früher besamt wurden und bessere Trächtigkeitsergebnisse bis zum 150. Tag zeigten.
Der biologische Mechanismus hinter diesen Effekten ist noch nicht erforscht, allerdings wurde bei Kühen mit geringer Spitzenaktivität ein abnormaler Zeitpunkt des Eisprungs beobachtet. Zudem wiesen die Kühe ein suboptimales Hormonprofil auf. Anscheinend beeinflusst das Progesteron-Profil vorangegangener Brunsten die Gesamtlänge der Luteal- und Follikelphasen und somit letztlich auch die Intensität der Brunst. So zeigten Kühe ohne ein Brunstereignis innerhalb der Wartezeit (geringer Progesteron- Spiegel) später eine kürzere Brunstdauer. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich noch eine intensive Brunst einstellt, war bei diesen Tieren deutlich geringer.
Den Hormoneinsatz minimieren
Einen neuen Ansatz zur Verbesserung der Reproduktionsleistung stellte Julio Giordano von der Cornell Universität (USA) mit dem „Targeted Management“ (auf deutsch: gezieltes Management) vor. Der Gedanke hinter dieser Strategie ist es, den Einsatz von (Brunst-)Hormonen zu minimieren bzw. mithilfe eines „aggressiveren“ Hormoneinsatzes die Kühe, die nur mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit eine natürliche Brunst zeigen werden, dennoch schnell wieder trächtig zu bekommen.
Dazu empfiehlt der Fruchtbarkeitsexperte die Aufteilung der frischlaktierenden Kühe in Untergruppen. So können z. B. alle „Problemtiere“ in einer Gruppe zusammengefasst werden. Gemeint sind damit die Kühe, die während der freiwilligen Wartezeit weder in Brunst gesehen werden noch bei Einsatz eines Brunstaktivitätssystems einen Alarm auslösen und/oder deren genetischer Code keine gute Repro-
Ergebnisse erwarten lässt (nicht selten rund 30 bis 40 % der Tiere einer Herde).
Um diese „Problemkühe“ möglichst schnell wieder trächtig zu bekommen, wird das Reproduktionsmanagement angepasst: Nach Ablauf der 50-tägigen Wartezeit wird den Kühen nur eine max. 17-tägige Frist eingeräumt, in der sie eine Brunst zeigen können. Stellt sich bis zum 67. Tag keine Brunst ein, werden die Tiere einem OvSynch unterzogen. Der „normalen“ Kuh-Gruppe werden hingegen 31 Tage für die Ausbildung einer Brunst zugestanden. Nur wenn sie in dieser Zeit keine Brunst zeigten, wurden sie anschließend (ab dem 81. Tag) in ein modifiziertes OvSynch-Protokoll aufgenommen. Der Gedanke hinter dieser Strategie war es, eine natürliche Brunst zur Besamung zu nutzen und so den Einsatz von Hormonen (OvSynch) zu minimieren.
In mehreren Studien wurde diese Strategie mittlerweile überprüft. Es stellte sich heraus, dass am 150. Laktationstag in beiden Gruppen der Anteil an Trächtigkeiten in etwa gleich hoch ausfiel (75 % tragende Kühe). Letztlich lasse sich mit dieser Strategie rund jedes zweite OvSynch einsparen (im Vergleich zur 100%igen Anwendung der Brunstsynchronisation) und gleichzeitig eine zufriedenstellende
Herdenfruchtbarkeit erreichen, so Giordano.
Deutlicher Einfluss der Genetik
Die Reprospezialisten der Cornell Universität haben zudem kürzlich nachgewiesen, dass genomisch höher veranlagte Kühe – gemessen an den Zuchtwerten gDPR bzw. gCCR – deutlich bessere Reproduktionsergebnisse erwarten lassen. So zeigten die Tiere des oberen Viertels (+ 25 % gDPR)
eher eine Brunst und wurden auch früher trächtig im Vergleich zu genetisch weniger gut veranlagten Kühen (- 25 % gDPR). Es ließen sich zudem positive Korrelationen zwischen der Höhe des Zuchtwertes gDPR und dem Brunstbeginn nach dem Kalben, der Anzahl der Brunstereignisse vor dem 62. Laktationstag und der Länge der Güstzeit nachweisen.
Giordano empfahl deshalb den Herdenbetreuern, das Augenmerk verstärkt auf die Kühe mit einem geringen
Fruchtbarkeits-Zuchtwert zu legen bzw. diese engmaschiger zu kontrollieren.
In den Studien wurde nach Ablauf der 50 tägigen Wartezeit den Kühen der „normalen“ Gruppe weitere 31 Tage für die Ausbildung einer Brunst zugestanden. Nur wenn sie in dieser Zeit keine Brunst zeigten, wurden sie anschließend (ab dem 81. Tag) in ein modifiziertes Ovsynch-Protokoll aufgenommen. Der Gedanke hinter dieser Strategie war, eine natürlichen Brunst zur Besamung zu nutzen und so den Einsatz von Hormonen (Ovsynch) zu minimieren. Im Gegensatz dazu wurden die sogenannten Problemkühe, die während der 50 tägigen Wartezeit keine Brunst aufwiesen, bereits nach nur 17 Tage (am 67. Tag) einem Ovsynch unterzogen.
Es stellte sich heraus, dass am 150. Laktationstag in beiden Gruppen der Anteil an Trächtigkeiten in etwa gleich hoch ausfiel (Übersicht X). Mit dieser Strategie lässt sich laut Giordano rund jedes zweite Ovsynch einsparen (im Vergleich zur 100 %igen Anwendung der Brunstsynchronisation) und gleichzeitig eine zufriedenstellende Herdenfruchtbarkeit erreichen.
Resiliente Kühe haben weniger Stress
„Sind unsere Kühe gestresst? Ja, aber der Stress an sich ist nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr, dass zu viele Kühe in den Ställen stehen, die nicht mit dem Stress klarkommen“, so Matt Lucy von der Universität Missouri. Die wichtigsten Stressfaktoren, welche die Fruchtbarkeit sowie Trächtigkeit von Milchkühen beeinträchtigen können, sind:
- Hitze und Feuchtigkeit: Hitzestress kann durch den Anstieg der Körpertemperatur die Zellen innerhalb des Follikels schädigen. Zudem kann Hitzestress zum teilweisen Verlust der Darmbarrierefunktion und zur Freisetzung von Endotoxin in den Blutkreislauf führen (Leaky-Gut-Syndrom).
- Krankheiten: Nachgeburtsverhaltungen, Gebärmuttererkrankungen (Metritis und Endometritis)
und Mastitis können metabolische und hormonelle Veränderungen bedingen, die sich negativ auf den Ausgang der Trächtigkeit auswirken. Eine Euterentzündung kann die Freisetzung von Endotoxinen fördern, wodurch das Immunsystem aktiviert und letztlich die Produktion von Zytokinen gesteigert
wird. All dies kann den sich entwickelnden Embryo schädigen und zu einer Regression des Gelbkörpers führen (früher Embryonenverlust).
- Negative Energiebilanz: Eine unzureichende Energieaufnahme beeinträchtigt die Funktion der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (HPG), was wiederum zu einer Dysfunktion der Eierstöcke führt. Zudem kann der durch eine unzureichende Energieaufnahme ausgelöste physiologische
Stress das Immunsystem ins Wanken bringen.
Selektieren und züchten Sie resiliente Kühe“
Matt Lucy
Extrem leistungsstarke Milchkühe wie z. B. die Holsteinkuh Selz-Pralle Aftershock 3918, die mit einer 365 Tage-Leistung von 35.911 kg Milch beeindruckte, muss während des Milchpeaks (115 kg) täglich 8,3 kg Glykose synthetisieren. Eine Erkrankung wie z. B. eine Mastitis würde ihr allein durch das „Hochfahren“ des Immunsystems schon mindestens 2 kg Glykose „entziehen“. In einem solchen Fall wäre der Zusammenbruch
des Immunsystems vorprogrammiert.
Bei diesen enormen, erforderlichen Stoffwechselleistungen stellt sich die Frage, wie es einigen leistungsstarken Milchkühen gelingt, immer wieder trächtig zu werden? Die Erklärung scheint simpel: Einige Kühe kommen mit diesen Belastungen zurecht, andere wiederum nicht. Lucy empfiehlt deshalb, verstärkt auf genetisch resiliente Kühe zu selektieren (minimale Stress-Reaktion). Dass dies möglich ist, lässt sich aus den Ergebnissen einer Studie ableiten, in der 36 erst- und mehrlaktierende Kühe 24 Stunden nach
der Abkalbung mit einem Bakteriencocktail (106 cfu Escherichia coli, Trueperella pyogenes, Fusobacterium necrophorum) infiziert wurden, um eine Metritis auszulösen. 36 weitere Tiere erhielten eine Kochsalzlösung, sie dienten als Kontrolle.
Ergebnis: Ein Teil der Kühe erkrankte trotz der herbeigeführten Infektion nicht. Diese Kühe scheinen resilient. Andere Kühe wiederum erkrankten, nachdem sie den Bakteriencocktail erhalten hatten, an einer Metritis. Bei diesen Kühen wurden auch noch nach 15 Tagen erhöhte Bakteriengehalte im Blut nachgewiesen.
Trotz der Möglichkeit, resiliente Kühe zu züchten, empfiehlt Lucy, alles daranzusetzen, den Produktionsstress zu reduzieren und die verbleibende Belastung mithilfe modernen Technologien abzumildern.
Sie besamen Ihre Kühe schon seit Jahren selbst und haben die Technik eigentlich im Griff? Tipps, wie Profis noch besser werden können.