Das Ziel jeder Besamung ist die Trächtigkeit. Kurz zur Theorie: Eine Trächtigkeit erfolgt, wenn lebende, befruchtungsfähige Spermien im Eileiter der Kuh auf eine vitale Eizelle treffen und ein Spermium diese befruchtet. Spermien aus der künstlichen Besamung sind mindestens 24 Stunden nach der Besamung noch befruchtungsfähig, danach nimmt die Zahl der vitalen Spermien stark ab. Dagegen hat die Eizelle nur eine Lebensdauer von etwa sechs Stunden. Die Besamung muss demnach zeitlich so erfolgen,...
Das Ziel jeder Besamung ist die Trächtigkeit. Kurz zur Theorie: Eine Trächtigkeit erfolgt, wenn lebende, befruchtungsfähige Spermien im Eileiter der Kuh auf eine vitale Eizelle treffen und ein Spermium diese befruchtet. Spermien aus der künstlichen Besamung sind mindestens 24 Stunden nach der Besamung noch befruchtungsfähig, danach nimmt die Zahl der vitalen Spermien stark ab. Dagegen hat die Eizelle nur eine Lebensdauer von etwa sechs Stunden. Die Besamung muss demnach zeitlich so erfolgen, dass sich die Lebensdauern von Spermien und Eizelle im Eileiter maximal überschneiden.
Der kritische Punkt ist der Eisprung. Beim Rind erfolgt er relativ spät im Zyklus, nämlich erst nach Ende der eigentlichen Brunst. Faustregeln besagen, dass etwa 24 Stunden nach Brunstbeginn oder 12 Stunden nach Ende der Brunst erst mit dem Eisprung zu rechnen ist. Das Problem dabei ist, dass sich weder der Zeitpunkt des Brunstbeginns, noch die Brunstdauer in der Praxis exakt bestimmen lassen. Vor allem die Dauer der Brunst variiert je nach Klima und Rasse um mehrere Stunden. Insgesamt hat sich die Brunstdauer von Milchkühen mit steigender Leistung stetig verkürzt.
Großer Spielraum
Durch die verhältnismäßig lange Lebensdauer der Spermien besteht beim Besamungszeitpunkt ein relativ großer Spielraum. Nach der Besamung durchlaufen die Spermien einen etwa sechsstündigen Reifungsprozess bis sie befruchtungsfähig sind. In den verbleibenden 18 Stunden stehen sie für die Befruchtung zur Verfügung, in diesem Zeitraum muss der Eisprung erfolgen. Tatsächlich ist eine zu frühe Besamung also durchaus ein Risiko: Würde die Kuh sofort bei den ersten Brunstsignalen besamt, besteht die Gefahr, dass zum Zeitpunkt des Eisprungs kaum noch Spermien befruchtungsfähig sind. Wird dagegen zum Ende der Brunst besamt, bleiben noch einige Stunden für die Spermienreifung und die Befruchtung, da der Eisprung ja erst in einigem Abstand zum Ende der Brunst stattfindet.
12 bis 16 Stunden nach Brunstbeginn
Das heißt: Der ideale Besamungszeitpunkt liegt tatsächlich eher später als früher, darum sollte man nicht zu ungeduldig sein! In den meisten Fällen hat eine beobachtete Brunst bereits einige Stunden vorher begonnen, deshalb sollte eine als brünstig erkannte Kuh 12 bis 16 Stunden später besamt werden. So ergibt sich die beste Überschneidung der befruchtungsfähigen Zeiten. Die bekannte „Vormittags-Nachmittags-Regel“ ist also weiterhin gültig und kann als Anhaltspunkt für die Besamung dienen:
- Wird eine Kuh am Morgen als brünstig erkannt, sollte sie im Verlauf des Nachmittags bis zum Abend besamt werden. Wichtig ist, dass sie am Morgen in der Hauptbrunst gewesen ist, d. h. sie muss „stehen“, andernfalls wird möglicherweise zu früh besamt.
- Bei Kühen, die am Nachmittag erstmals auffallen, kann ruhig bis zum nächsten Vormittag mit der Besamung gewartet werden.
- Wird ein Tier vergessen, kann die Besamung auch bis zu 24 Stunden nach geschätztem Brunstbeginn durchaus noch nachgeholt werden, denn der Ovulationszeitpunkt ist nicht exakt festgelegt. Auch zu einem (zu) späten Zeitpunkt besteht eine Chance auf die Trächtigkeit, wenn auch eine geringere als beim 12-Stunden-Abstand.
- Zeigt die Kuh nach zwölf Stunden immer noch deutliche Brunstsymptome, sollte sie ggf. ein zweites Mal belegt werden. Das sind aber seltene Einzelfälle, da der Zyklus meistens eher kurz ist.
Zweimal täglich besamen?
Je nach Betriebsgröße und -struktur ist es oft eine Herausforderung, den optimalen Besamungszeitpunkt tatsächlich zu nutzen. Verschiedene Studien zeigen, dass es keine großen Unterschiede im Besamungserfolg gibt, wenn ein- oder zweimal pro Tag besamt wird. Zwei Besamungstermine pro Tag können hilfreich sein, müssen sich aber im Arbeitsablauf integrieren lassen. Entscheidend sind vielmehr das Management und die Durchführung der Besamung (Vorbereitung der Samenportion und Ruhe sowie Erfahrung bei der Durchführung).
In Herden mit bis zu 200 Kühen und mit der Möglichkeit, die Kühe selbst zu besamen, lassen sich Brunstbeobachtung und Besamung in den täglichen Ablauf integrieren. Kühe können z. B. vor oder nach jeder Melkzeit besamt werden. Große Herden brauchen hierfür feste zeitliche Strukturen, z. B. am Vormittag, am Nachmittag oder auch zweimal am Tag.
Wird ein externer Besamungsservice genutzt, z. B. vom Zuchtverband, kann der Besamungszeitpunkt ein Knackpunkt sein. Jeder Zuchtverband arbeitet unterschiedlich, dennoch fahren die Besamungstechniker einen Betrieb in der Regel nur einmal pro Tag an. Denn: Für Besamungstouren sind die Kilometer der begrenzende Faktor. In kleinen Zuchtgebieten können zwei Termine pro Tag möglich sein, bei weiter Anfahrt ist das aber kaum realisierbar.
Meistens gibt es aber feste Routen, sodass der Milcherzeuger in etwa weiß, wann der Techniker kommt. Eine genaue Zeit-Vorhersage kann er nicht verlangen. Die Entscheidung, für welchen Tag die Besamung bestellt wird, liegt letztlich beim Milcherzeuger. Unter Umständen müssen Kompromisse beim Besamungszeitpunkt eingegangen werden. Das ist oft aber wenig problematisch:
- 1. Der oben beschriebene Spielraum bezüglich der möglichen Befruchtung besagt, dass ein fester Besamungstermin pro Tag ausreicht.
- 2. Da ohnehin ungewiss ist, wann die Kuh tatsächlich mit der Brunst begonnen hat, kommt es auf ein oder zwei Stunden also nicht an.
- 3. In den meisten Fällen funktioniert die „Vormittags-Nachmittags-Regel“, wobei Milcherzeuger tendenziell eher zu früh anrufen.
- 4. Es gibt Grenzfälle, wo im Zweifel zu früh oder zu spät besamt wird. Das kann unter anderem den Einsatz von gesextem Sperma betreffen, da dieses tendenziell später versamt werden sollte. Hier muss abgewogen und ggf. ein zweites Mal besamt werden.
Gute Zusammenarbeit
„Der Techniker ist das wichtigste Verbindungsglied zwischen Zuchtverband und Landwirt“, sagt Jens Kolckhorst-Kahle, OHG. Gute Kommunikation und Vertrauen sind oft erfolgsentscheidend für die Zusammenarbeit. Ein fester Besamer pro Gebiet kennt seine Milcherzeuger. So lassen sich akute Absprachen, beispielsweise bezüglich der Bullenauswahl, vermeiden. Hilfreich ist auch, wenn Besamer und Fruchtbarkeitsexperten Hand in Hand arbeiten. Ohne Spezialisten als Partner geht es oft nicht, spätestens bei der Sterilitätskontrolle oder bei Problemtieren.
Wichtig: Landwirte sind dazu verpflichtet, Kühe für die Besamung zu fixieren, wenn möglich abgegrenzt von der Herde (Unfallrisiko). Zudem sollte der Besamungstechniker über die Kuh (Nummer, Laktationsstand, vorherige Besamungen) und die Bullenauswahl (erste und zweite Wahl oder anhand des Bullenanpaarungsprogrammes) informiert werden. Je besser die Vorbereitung, desto weniger Nachfrage und Aufwand für Landwirt und Besamungstechniker.
Zum Teil ist zu beobachten, dass Besamungstechniker – in bester Absicht – Kühe, bei denen die Brunstanzeichen unklar sind, von der Besamung ausschließen. In diesen Fällen sollte klar kommuniziert bzw. Rücksprache gehalten werden. Schwache Brunstsignale sind gerade dann häufig, wenn nur einmal am Tag besamt wird, die Kuh wird aber trotzdem aufnehmen. Stellt der Techniker aber Fruchtbarkeitsstörungen wie zum Beispiel Zysten fest, kann er eine Besamung ausschließen und den Landwirt entsprechend informieren. Letztlich entscheidet der Besamungsbeauftragte, ob das Tier besamungsfähig ist oder nicht.
Quelle: Dr. Joachim Lübbo Kleen, CowConsult & Jens Kolckhorst-Kahle, OHG eG
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