Genomische Zuchtwerte weiblicher Tiere dienen als objektives Herdenmanagement-Tool. Vier Milcherzeuger berichten über den Nutzen für Selektion und Anpaarung.
Genomische Zuchtwerte entwickeln sich mehr und mehr zu einem Werkzeug für das Herdenmanagement. Fragen wie „Welche Kälber ziehe ich auf, welche verkaufe ich?“ oder „Welche Jungrinder werden gesext besamt, welche Kühe mit Fleischrassebullen?“ können dank Genomics auf weiblicher Seite objektiv beantwortet werden. Besonders in den „nicht sichtbaren“ funktionellen Merkmalen lassen sich heute hohe Zuchtfortschritte erzielen.
Damit sich die Typisierung der weiblichen Tiere im eigenen Betrieb rechnet, müssen die Daten gezielt genutzt werden. Zudem sollten Milcherzeuger eine klare Strategie verfolgen, um den maximalen Nutzen, das heißt maximaler Zuchtfortschritt und richtige Selektionsentscheidungen, zu erreichen.
Erfahrungen und Tipps aus der Praxis
Vier Milcherzeuger aus den USA haben die Herdentypisierung fest in ihren Betrieben integriert und berichten über Strategien, Rentabilität sowie Fleischrasse-Besamungen. Zudem geben sie Tipps für den Anfang. Auch wenn jeder Milcherzeuger andere Ziele verfolgt und unterschiedlich mit Genomics arbeitet, sehen alle zweifellos die Genetik als eine wichtige Grundlage für ihre Herden.
Je früher die Kälber genomisch getestet werden, desto früher stehen Daten für Selektionsentscheidungen bereit.
(Bildquelle: Berkemeier )
Welche Strategie verfolgen Sie?
Wir lassen seit drei Jahren alle Kälber innerhalb des ersten Monats genomisch testen. So können wir exakte Entscheidungen bei Anpaarung und Selektion treffen.
Wir nutzen die Herdentypisierung bereits seit der Einführung. Alle weiblichen Kälber sowie 15% der Bullenkälber werden getestet.
Unser Ziel ist es, gesunde Kühe möglichst lange in der Herde zu halten. Mit dem Start in 2012 haben wir zuerst 500 Jungrinder testen lassen, diese aber nicht gezielt angepaart. Heute achten wir vor allem auf den DWP $, um langlebige Kühe einzustallen. Außerdem nutzen wir die Zuchtwerte, um die besten Tiere zu finden und alle anderen mit Fleischrassen zu besamen.
Wir sind in 2012 mit dem Ziel gestartet, die Anzahl an Färsen zu reduzieren. Bei dem rasanten Wachstum auf heute rund 3.300 melkende Kühe steht weniger der schnellstmögliche, genetische Fortschritt im Fokus, als viel mehr eine gezielte Nachzucht-Selektion. Um nur noch so viele Tiere aufzuziehen, wie wir selbst zur Remontierung benötigen, lassen wir alle Kälber testen. Wir möchten keine Genetik vermarkten, sondern unsere zukünftigen Kühe züchten.
Wie bewerten Sie die Rentabilität von Herdentypisierung?
Seit wir Genomics nutzen, hat sich die Rentabilität erhöht. Vor zwei Jahren sind 60 Holsteinkälber pro Woche geboren, heute nur noch 30. Außerdem hat sich das Erstkalbealter von 23 auf 21,5 Monate reduziert.
Wir hoffen, dass sich die Typisierungskosten im Embryo- und Bullenverkauf wiederspiegeln. Den größeren Nutzen sehe ich aber in der besseren Qualität und vor allem Homogenität der jungen Färsen.
Wir haben zu viele Jungrinder! Der größte Nutzen ist daher, die schlechtesten Tiere zu merzen. Wir haben drei oder vier Genetik-Audits durchgeführt, um die tatsächliche 305-Tage-Leistung mit den Zuchtwerten zu vergleichen. Dabei hat sich gezeigt, dass sich die Unterschiede zwischen den Einzeltieren von der ersten zur zweiten Laktation nahezu verdoppeln.
Ich kann sagen, dass sich die Investition bei uns rechnet. Wir nutzen die genetischen Informationen intensiv. Alle Anpaarungen erfolgen entsprechend der Genomics, das meint vor allem der Einsatz von Embryonen, gesextem Sperma und Fleischrassen. Alle Embryonen, die wir später zur Remontierung für die eigene Herde nutzen, stammen von hoch genomischen Jungrindern. Das verspricht mehr rentable Kühe!
Wie entscheiden Sie über Fleischrasse-Besamungen?
75% unserer Kühe werden mit Fleischrassen besamt. Das gilt auch für die 30% schlechtesten Jungrinder anhand der genomischen Zuchtwerte. Alle gute Jungrinder, von denen ich Nachzucht haben möchte, werden mit gesextem Sperma besamt.
Wir nutzen viele Jungrinder als Trägertiere für Embryonen und können sie abgekalbt gut verkaufen. Darum nutzen wir kaum Fleischrassen.
Für mehr als die Hälfte unserer Besamungen nutzen wir Fleischrassen. Die Jungrinder dienen in der Regel als Trägertiere. Auch bei Erst- und Zweitlaktierenden setzen wir zuerst einen Embryo ein. Kühe mit guten genomischen Daten werden mit Holsteinbullen besamt. Alle anderen Kühe und Tiere, die keinen Embryo aufnehmen, werden mit Fleischrassen belegt. Dabei nutzen wir die Fleischrassen, die unser Händler favorisiert.
Wir nutzen Genomics für alle Anpaarungsentscheidungen. Die schlechteren Jungrinder werden Trägertiere. Die besten 75 bis 80% werden zweimal gesext besamt. Sind sie dann noch nicht tragend, nutzen wir Angus. Auch bei 80% unserer Kühe nutzen wir Angus. Wir haben seit rund zwei Jahren kein konventionelles Holsteinssperma mehr eingesetzt.
Was war die größte Überraschung durch Genomics?
Die Übereinstimmung der Zuchtwerte für Mastitis mit der tatsächlichen Eutergesundheit.
Die Übereinstimmung zwischen dem Blick auf die Daten und dem Blick auf das Tier, vor allem in Hinblick auf Fruchtbarkeit und Leistung! Es passt nicht zu 100%, aber die Zuchtwerte sagen wirklich viel über die Fähigkeiten der Kühe aus.
Kälberverluste waren ein großes Problem. Durch die Zuchtwerte für Totgeburten hat sich das deutlich verbessert. Außerdem hat es sich als positiv erwiesen, den Mitarbeitern Zugang zu den Daten zu gewähren. Alle warten immer gespannt auf die neuen Ergebnisse.
Es hat mich überrascht, wie schlecht unsere Kälber-Identifikation zum Teil war. 20 bis 25% der Abstammungen waren fehlerhaft. Wir bekommen zehn bis 15 Kälber am Tag. Um diese richtig zuzuordnen, nutzen wir deshalb heute andere Protokolle und Markierungen im Abkalbestall.
Was raten Sie Milcherzeugern, die mit Herdentypisierung beginnen möchten?
Habe einen Plan und verfolge ihn strikt!
Auch wenn man mit Genomics arbeitet, ist das klassische Züchten nach Einzeltier oder Kuhfamilie nicht ausgeschlossen. Auch wir züchten einen Teil der Herde auf Typ. Diese Tiere schätze ich genauso wie die hohen genomischen Tiere. In meinen Augen ist es nicht verboten, das ein oder andere auszuprobieren und mit einem kleinen Teil der Herde „anders“ zu arbeiten.
Ich habe viele Betriebe besucht und mir die Homogenität derer Kühe angesehen. Das hat mich überzeugt!
Mein erster Ratschlag ist, einen Plan zu haben. Man muss planen, wie man die Nachzucht reduziert, den genetischen Fortschritt verbessert oder wertvolle Genetik verkauft. Und: Es gibt viele clevere Menschen in dieser Branche, denen man gut zuhören sollte!
A2-Milch soll verträglicher sein als konventionelle Milch. Über ausgewiesene A2-Vererber und Genomics kann langfristig auf A2-Produktion gezüchtet werden.