A2-Milch soll verträglicher sein als konventionelle Milch. Über den Einsatz ausgewiesener A2-Vererber kann die gesamte Herde langfristig auf A2-Produktion gezüchtet werden.
Die sogenannte „A2-Milch“ hat sich in Europa bisher noch nicht durchgesetzt. Grund sind unter anderem fehlende wissenschaftliche Beweise, dass das A2-Beta-Casein für manche Menschen eindeutig besser bekömmlich ist. Dennoch überlegen auch erste Molkereien in Deutschland, A2-Milch vermarkten.
Das Unternehmen „The A2 Milk Company“, das seit 2000 A2-Milch in Neuseeland produziert, ist Vorreiter. Dort nehmen sie derzeit einen Marktanteil von rund 10% ein mit wachsender Tendenz. Mittlerweile vermarkten sie die A2-Milch auch in Australien, China, Singapur und den USA. In den Niederlanden wird A2-Milch von Jerseys (Holland Jersey) in rund 550 Supermärkten angeboten. Zu geringen Teilen kann sie auch in Deutschland erworben werden. Der Literpreis liegt zwischen 1,80 und 2,00 Euro. In der Schweiz sollen einige Molkereien für A2-Milch mehr Geld als für Biomilch auszahlen.
Was ist A2-Milch?
A2-Milch unterscheidet sich im Beta-Casein von konventioneller (A1-)Milch. Den größten Anteil der Proteinfraktion in der Milch stellt die Gruppe der Caseine dar. Beta-Casein kann in zwei verschiedenen Varianten auftreten, A1-Beta-Casein oder A2-Beta-Casein. Die verschiedenen Proteine verhalten sich wiederum unterschiedlich bei der Verdauung im menschlichen Darmtrakt.
Eine Kuh kann je nach genetischer Veranlagung entweder den Typ A1 oder Typ A2 oder auch beide Typen produzieren. Der Unterschied zwischen A1- und A2-Beta-Casein liegt in der Aminosäurenkette. Ursprünglich sollen alle Kühe A2-Milch produziert haben. Durch eine Genmutation hat sich die A1-Genvariante über die Domestikation der Milchkühe verstärkt durchgesetzt.
Einige Thesen besagen, dass die „normale“ Beta-Casein-Variante A1 negative Wirkungen auf die menschliche Gesundheit haben soll. Milch von Kühen, die genetisch bedingt A2-Beta-Casein anstatt A1-Beta-Casein synthetisieren, soll dagegen für manche Menschen (z.B. bei Diabetes) besser bekömmlich sein. Laut einer Theorie aus China heißt es zudem, dass A1-Milch Laktoseintoleranz fördere und A2-Milch dagegen tendenziell eine bessere Verdaulichkeit bei Laktoseintoleranz aufzeigt. Bisherige Studien zeigen zwar statistische Zusammenhänge, aber keine abschließenden wissenschaftlichen Beweise. Eine deutsche Studie des FBN und der LFA in 2019 hat keine signifikanten Unterschiede zwischen A1- und A2-Milch ergeben.
Genetik ist der einzige Einflussfaktor
Auf die Produktion von reiner A2-Milch umzustellen ist nicht einfach. Die Zucht auf die passenden Gene ist der einzige Weg. Das entsprechende Gen zur Ausprägung der Beta-Casein-Variante liegt auf Chromosom 6 und wird nur in reinerbiger Form ausgedrückt. Das heißt, die Kühe müssen A2A2 homozygot tragen, um A2-Milch zu produzieren (A2A2 positiv). Milch von heterozygoten (A1/A2) Kühen darf daher nicht als A2-Milch vermarktet werden. Die Vererbung funktioniert also wie bei der Hornloszucht.
Für die spätere Vermarktung ist es sinnvoll, auf langfristige Sicht die gesamte Herde umzuzüchten. Wird das Ziel verfolgt, sollte konsequent vorgegangen werden. So sollten ausschließlich Bullen eingesetzt werden, die A2A2-Träger (homozygot) sind. Auf Bullenkarten, im Katalog, in der App sowie auf der Homepage der Zucht- und Besamungsorganisationen werden diese Bullen entsprechend gekennzeichnet.
Bei der RinderAllianz tragen rund 50% der angebotenen Besamungsbullen die A2A2-Variante.
Dr. Jan Körte
Dazu gehören sowohl genomische Jungbullen als auch töchtergeprüfte Vererber. Zusätzlich zur Anpaarung kann auf weiblicher Seite nach entsprechender Untersuchung (z.B. genomische Typisierung) ausselektiert werden. Auch für genomisch typisierte Deckbullen kann der A2-Status angezeigt werden.
Rund 40% aller Holsteinkühe tragen das A2A2-Gen
Je nach Milchrasse unterscheidet sich der Anteil an A2A2-tragenden Tieren innerhalb der Population. Mit rund 55% aller Kühe, die das A2A2-Gen tragen, ist der Anteil in der Holsteinpopulation eher gering. Jerseys liegen mit 50% noch darunter. Mit 71% ist der Anteil beim Fleckvieh deutlich höher. Die Rasse Guerney sticht mit 96% A2A2-Tieren besonders heraus, (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Anteil der Proteintypen bei unterschiedlichen Rinderrassen
Da sich die Genvariante für A2-Milch nicht dominant vererbt, gibt es Mischformen und Untervarianten. Bei Holsteins ist das A2-Gen zwar überwiegend vertreten, aber selten in reinerbiger Form. Nur die reinerbige Variante A2A2 und die Untervariante A2A3 gelten als positiv (= A2-Milch).
Wie teste ich meine Kühe auf die Gen-Variante A2A2?
Um A2-Milch zu vermarkten oder zuerst einmal einen Überblick über den Status der eigenen Herde zu bekommen, müssen alle Einzeltiere auf die Gen-Variante getestet werden. Dazu gibt es folgende drei Untersuchungsmöglichkeiten:
1. Milchprobe
Der A2-Status eines Tieres kann über eine Milchprobe überprüft werden. Eine Probe kostet 15,27 Euro (ab 15 Proben) und weist je nach Hygiene bei der Probenahme eine Sicherheit von rund 98% auf. Diese Untersuchungsmöglichkeit ist neu im Labor des Milchkontroll- und Rinderzuchtverbandes eG in Güstrow etabliert und hat sich als praxistauglich erwiesen. Die Dauer, bis das Ergebnis vorliegt, hängt bisher noch von der Anzahl an Proben ab. Derzeit können täglich 60 bis 100 Milchproben untersucht werden.
Über eine Milchprobe kann getestet werden, ob die Kuh das A2A2-Gen trägt.
(Bildquelle: Ostermann-Palz)
2. Blutprobe
Neben der Milch kann die Genvariante auch über das Blut bzw. Gewebe der Kuh untersucht werden. Eine Blutprobe auf A2A2 kostet 24,80 Euro. Beim IFN Schönow liegt das Ergebnis rund eine Woche später vor. Die Sicherheit liegt bei 100%.
3. Genomische Typisierung
Die genomische Typisierung stellt dritte Möglichkeit dar, um den A2-Status der eigenen Herde zu untersuchen. Auch hier ist von einer 100%igen Sicherheit auszugehen. Die Kosten für ein Einzeltier liegen zwischen 25,50 und 27,50 Euro (je nach Vertrag und Daten). Das Ergebnis kann nach rund drei Wochen über die Internetplattform „NETRINDgenom“ abgerufen werden.
Gegenüber der Milch- oder Blutprobe weist die genomische Untersuchung den Vorteil auf, dass sie neben dem A2-Status noch zahlreiche weitere Daten über das Tier liefert. Zudem verschafft eine gesamte Herdentypisierung einen Überblick über die Herde und kann im Bereich Anpaarung, Selektion, Vermarktung und Controlling als Management-Tool dienen. Die genomische Typisierung ist bei Kreuzungstieren nicht möglich.
Hier erfahren Sie mehr zum Thema Herdentypisierung:
Über die Herdentypisierung erhält man alle genetischen Daten der Tiere, so auch den A2-Status.
(Bildquelle: Berkemeier)
Die folgende Abbildung zeigt den Ablauf in einem Beispielbetrieb. Im Jahr 2016 wurden alle weiblichen Tiere des Betriebes genomisch untersucht. Zu dem Zeitpunkt rund 42% die A2A2-Variante getragen. Seit 2017 wurden dann ausschließlich A2A2-Bullen eingesetzt. In 2020 liegt der Anteil an A2A2-Tieren nun bei rund 58%. Allein über einen konsequenten Bulleneinsatz sowie die Herdentypisierung kann demnach viel erreicht werden. Bis aber die gesamte Herde reinerbig A2-Milch produziert, dauert es lange.
Abbildung 2: Veränderung des A2A2-Anteils durch Zucht
Fazit: Bestehende Möglichkeiten, aber fragliche Zukunft
Die Meinungen über A2-Milch sind sehr unterschiedlich. Problematisch sind die fehlenden wissenschaftlichen Beweise. Grundsätzlich sind Vermarktungschancen vorhanden, bisher aber eher außerhalb der EU. Mittel- bis langfristig lassen sich mit A2-Milch aber vielleicht auch in Europa ungenutzte Marktpotenziale erschaffen, die sich im Milchpreis widerspiegeln könnten. Auch für Direktvermarkter kann A2-Milch eine (noch) einzigartige Vermarktungsstrategie sein.
Der aktuelle Ernährungstrend zeigt, dass Verbraucher gewillt sind, mehr Geld für „gesundheitsfördernde“ Lebensmittel auszugeben. Aber: Zu laute Diskussionen um die Verträglichkeit der Milch könnte auch schädlich sein. Würde schließlich drastisch zwischen „guter“ und „schlechter“ Milch unterschieden, kann das zu einem Problem für die Vermarktung der „normalen“ A1-Milch werden.
Sollte sich der Trend durchsetzen, kann man sich über die entsprechende Zucht schon jetzt vorbereiten. Ausreichend Bullen vererben die A2A2-Genvariante vererben, ohne dass ein Kompromiss im Hinblick auf Zuchtfortschritt eingegangen werden muss. Auch die Untersuchungsmöglichkeiten für weibliche Tiere sind vorhanden und praxistauglich. Zu beachten ist, dass die Auswahl an einzusetzenden Bullen bei reiner Zucht auf A2A2 eingeschränkt ist.