Der Ruf aus der Praxis nach problemlosen, funktionellen Kühen wird immer lauter. Zwar hat sich der relative Gesamtzuchtwert (RZG) in den letzten Jahren immer weiter in diese Richtung entwickelt, doch mit dem RZ Euro (RZ€) lassen sich die Ziele schneller und zielgerichteter realisieren.
Der neuen Index wird in Euro (+ und -) dargestellt und bezieht sich auf den Grenzgewinn im Leben einer Kuh (drei Laktationen). Für die Entwicklung...
Der Ruf aus der Praxis nach problemlosen, funktionellen Kühen wird immer lauter. Zwar hat sich der relative Gesamtzuchtwert (RZG) in den letzten Jahren immer weiter in diese Richtung entwickelt, doch mit dem RZ Euro (RZ€) lassen sich die Ziele schneller und zielgerichteter realisieren.
Der neuen Index wird in Euro (+ und -) dargestellt und bezieht sich auf den Grenzgewinn im Leben einer Kuh (drei Laktationen). Für die Entwicklung des RZ€ wurden alle Zuchtwertmerkmale wirtschaftlich bewertet. Merkmale mit weniger als 1 % Einfluss (mit Ausnahme von Melkbarkeit) sind nicht im RZ€ einberechnet.
Mehr zur Entwicklung des RZ€:
Er wird parallel zum RZG ausgewiesen und in den entsprechenden Filter-und Suchfunktionen eingebaut. Neben den Werten für Besamungsbullen in Katalog, Bullenkarte oder App erhalten Rinderhalter, die ihre Herde genomisch typisieren lassen, die RZ€-Werte über NETRINDgenom für alle weiblichen Tiere.
Die RUW und Qnetics werden in der Startphase spezielle RZ€-Bullen unter der Rubrik „TopQEconomics“ anbieten und sie noch einmal separat mit den RZ€-Zuchtwerten und einem detaillierten Gesundheitsprofil darstellen (siehe Beispiel „Sputnik RDC“).
Je höher, desto wirtschaftlicher
Der RZ€ macht die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Tieren sichtbar und zeigt die finanziellen Auswirkungen von Anpaarungs- und Selektionsentscheidungen. Je höher der RZ€, desto wirtschaftlicher ist die Kuh bzw. vererbt sich der Bulle. Ein Zuchtwert von zum Beispiel +2.000€ bedeutet beim weiblichen Tier, dass es selbst bis zu 2.000€ in seinem Leben mehr erwirtschaften kann als der Durchschnitt.
Ein Bulle gibt immer nur die Hälfte seiner Gene an seine Nachkommen weiter. Setzt man also einen Bullen mit +2.000€ ein, so erreichen seine Nachkommen einen wirtschaftlichen Vorteil (Grenzgewinn) von 1.000€ gegenüber einem durchschnittlichen Bullen.
Erste Zahlen: Die ersten RZ€-Werte der August-Zuchtwertschätzung zeigen, dass der höchste Bulle einen Wert von +3.095€ erreicht. Fast alle genomisch getesteten Jungbullen weisen Werte über 2.000€ auf und liegen damit deutlich über den töchtergeprüften Vererbern. Rotbunte Holsteins liegen durchschnittlich hinter den Schwarzbunten. Zwar ähneln die Rangierungen nach RZ€ denen des RZG, dennoch gibt es Bullen mit einem RZG über 140, die im ökonomischen Zuchtwert „nur“ bei +1.200€ oder darunter liegen.
Mehr zur Zuchtwertschätzung im August:
RZ€ und Einzelmerkmale
Obwohl eine rein betriebswirtschaftliche Anpaarung und Selektion nach RZ€ den maximalen ökonomischen Profit sichert, sollte jeder Betrieb die Schwachstellen in der eigenen Herde berücksichtigen und verbessern. Einzelmerkmale wie z.B. Melkbarkeit oder Strichplatzierung spielen bei der Anpaarung nach wie vor eine wichtige Rolle.
Statt aber den goldenen (ausgeglichenen) Bullen zu suchen und dem extremen Bullen mit einem höheren RZ€ vorzuziehen, ist die passende Anpaarung das Geheimnis und der Schlüssel zum (wirtschaftlichen) Erfolg. So kann eine Vorselektion von Bullen anhand des RZ€ getroffen werden und die exakte Anpaarung schließlich individuell nach Einzelmerkmalen erfolgen. Auf diese Weise werden die wertvollen Gene des hohen RZ€-Vererbers zielgerichtet genutzt, ohne drastische wirtschaftliche Kompromisse einzugehen. Warum den +2.000€-Bullen einsetzen, wenn es den +3.000€-Bullen gibt?
Anpaarungsprogramme (am besten in Kombination mit Herdentypisierung) können helfen, die höchsten und durchaus extremen Bullen optimal einzusetzen. Für einen zielgerichteten Einsatz des RZ€ sollten sich Milcherzeuger deshalb auch weiterhin von ihren Zuchtberatern unterstützen lassen.
Nur wirtschaftliche Jungrinder aufziehen
Auf weiblicher Seite dient der RZ€ einmal mehr der frühzeitigen Nachzucht-Selektion. Die Spannweite zwischen rentablen und weniger rentablen Rindern in der Population und im eigenen Betrieb ist sehr groß (siehe Übersicht 1). Wohingegen bei der Anpaarung auch Einzelmerkmale berücksichtigt werden sollten, kann bei der Selektion strikt nach RZ€ gegangen werden. Je nach Aufzuchtkapazitäten empfiehlt es sich, von oben herab zu selektieren. Tiere mit einem negativen Grenzgewinn sollten die Herde verlassen bzw. nicht zur Nachzucht genutzt werden.
Anmerkung: Die Vorteile des RZ€ nutzen kann nur derjenige, der auf der weiblichen Seite typisiert.
RZ€ vs. RZG
Mit dem neuen RZ€ und dem weiterhin bestehenden relativen Gesamtzuchtwert RZG gibt es nun zwei Gesamtzuchtwerte. Worin bestehen die Unterschiede?
- Ausrichtung: Der RZ€ wird in Euro (+ und -) dargestellt und beinhaltet ausschließlich ökonomisch bewertbare Aspekte (über 1% Einfluss). Der RZG orientiert sich am Zuchtziel und beinhaltet demnach auch nicht ökonomisch bewertbare Aspekte.
- Exterieur: Der wirtschaftliche Wert des Exterieurs an sich liegt unter 1% und ist daher nicht direkt im RZ€ enthalten, wohingegen es im RZG zu 15% (Fundament und Euter) eingerechnet wird. Durch integrierte Zuchtwerte wie zum Beispiel Nutzungsdauer (RZN) werden wichtige funktionelle Exterieurmerkmale (Fundament und Euter) dennoch indirekt unterstützt. Unwichtige Exterieurmerkmale, wie zum Beispiel Milchcharakter oder Klauenwinkel, werden vernachlässigt.
- Zellzahl: Statt des Zuchtwertes für Zellzahl (RZS), der zu 7% im RZG integriert ist, ist im RZ€ der RZ Euterfit zu 6,4% einberechnet. Der RZ Euterfit beschreibt die Anfälligkeit für Euterentzündungen, dessen Auftreten wirtschaftliche Einbußen mit sich zieht. Die Zellzahl an sich (RZS) hat keine direkten wirtschaftlichen Folgen und wurde bisher nur als Hilfsmittel genutzt, um die Eutergesundheit zu bewerten.
- Gesundheit: Während sie im RZG (noch) nicht integriert sind, umfasst der RZ€ alle neuen Gesundheitszuchtwerte zu insgesamt 22% (siehe Übersicht 1).
Die Zusammensetzung beider Zuchtwerte wird stetig überprüft und angepasst. Die nächste große Anpassung des RZG wird es im Bereich der Gesundheitszuchtwerte geben. Mittel- und langfristig wird auch der geplante Zuchtwert für Futtereffizienz eine wichtige Rolle beim RZG und RZ€ einnehmen. Weiterhin ist ein Index (bzw. beide) dazu da, Tiere (Besamungsbullen oder weibliche Tiere in einer typisierten Herde) schnell zu rangieren, um die besten schnell ausfindig zu machen.
Was ist bei der Entwicklung aufgefallen?
- Funktionalität: Mit 59 % nehmen die funktionalen Merkmale aus den Bereichen Nutzungsdauer, Gesundheit, Fruchtbarkeit, Abkalbung und Kälberaufzucht einen im Vergleich zur Leistung deutlich höheren Anteil ein (siehe Übersicht). Dies ist ein deutliches Signal, dass hohe Wirtschaftlichkeit in der Milchkuhhaltung nur einhergehen kann mit sehr nachhaltiger, lang im Stall verbleibender, weil gesunder und unkomplizierter Genetik. Im Prinzip dürften bei langfristiger und konsequenter Anwendung des RZ€ schon bald deutlich mehr Kühe im Stall stehen, die die 100.000 kg-Grenze knacken.
- Aufzucht: Der RZ€ verdeutlicht auch, welche hohe Kosten die Aufzucht und relevante Krankheiten im Bereich der Eutergesundheit und des Stoffwechsels verursachen. Bemerkenswert ist der mit nur 3 % recht geringe Anteil der Kalbemerkmale, was sich auf die geringen Erlöse für Holsteinkälber zurückführen lässt.
- Exterieur: Im Bereich des Exterieurs stellt sich die Frage, welchen Stellenwert das Merkmal als Ganzes sowie die insgesamt 24 Einzelmerkmale in Zukunft noch einnehmen werden. Auswertungen haben zum Beispiel gezeigt, dass das Merkmal Klauenwinkel (Trachtenhöhe) nicht in Zusammenhang mit der Klauengesundheit steht. Für etwa sehr spezialisierte Exterieurzüchter wird der RZ€ wohl eine geringe Rolle spielen. Jedoch selektieren diese Betriebe zumeist nach Einzelzuchtwerten innerhalb des Exterieurs oder bestimmten Kuhfamilien.
Weitere Informationen:
Mehr zur Zuchtwertschätzung im August finden Sie hier:
Mehr zum RZ€ finden Sie hier: