Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, das traf bislang auch auf die Rinderzucht zu – zumindest aus Sicht der Milcherzeuger bzw. Rinderzüchter. Denn bislang buhlten etliche regionale Zuchtorganisationen um die Aufmerksamkeit der Rinderhalter, doch das ändert sich gerade schlagartig. Ab Januar 2021 werden viele Milcherzeuger bei deutlich weniger Genetikanbietern informieren bzw. einkaufen können, denn ..…
- … zum 1. Januar 2021 schließen sich die Zuchtverbände RinderAllianz (RA),...
Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, das traf bislang auch auf die Rinderzucht zu – zumindest aus Sicht der Milcherzeuger bzw. Rinderzüchter. Denn bislang buhlten etliche regionale Zuchtorganisationen um die Aufmerksamkeit der Rinderhalter, doch das ändert sich gerade schlagartig. Ab Januar 2021 werden viele Milcherzeuger bei deutlich weniger Genetikanbietern informieren bzw. einkaufen können, denn ..…
- … zum 1. Januar 2021 schließen sich die Zuchtverbände RinderAllianz (RA), Rinderproduktion Berlin-Brandenburg (RBB), Rinderunion Baden Württemberg (RBW), Rinder-Union West RUW), Qnetics und Rinderzucht Schleswig-Holstein (RSH) zur PhönixGroup zusammen. Mehr dazu erfahren Sie bei uns im Artikel „PhönixGroup: Fünf Zuchtverbände kooperieren“.
- … der zweite große Player in Deutschland, die Masterrind, bündelt ab sofort ihre Zuchtaktivitäten für Milch- und Fleischrinder mit Evolution aus Frankreich und VikingGenetics aus Skandinavien in der neuen Organisation "Arcowin“.
Evolution ist ein Hauptakteur in der französischen (28.000 Züchter) Rinderzucht (12.000 Besamungen pro Tag. Weitere Infos unter
www.evolution-int.com.
VikingGenetics (Marktführer in den nordischen Ländern) vereint 19.000 Milch- und Rinderzüchter in Dänemark, Schweden und Finnland. Der Fokus in der Rinderzucht liegt auf der Kombination von gesundheitlichen und Leistungsmerkmalen. Weitere Infos unter
www.vikinggenetics.com.
Geburtsstunde globaler Zuchtunternehmen ?
Auch wenn die an den beiden neuen Gebilden beteiligten Zuchtunternehmen betonen, das operative Geschäft weiterhin eigenständig durchführen zu wollen, so ist doch absehbar, dass sie Synergieeffekte prüfen. In nicht allzu weiter Zukunft dürfte deshalb auch ein engerer Zusammenschluss erfolgen. Zumindest lässt sich das zwischen den Zeilen herauslesen.
Bedeuten die „Kooperationen“ den Beginn einer neuen Ära, die Geburtsstunde globaler Zuchtunternehmen? Naht jetzt das Ende der Rinderzucht in bäuerlicher Hand? Im Gegensatz zu kommerziellen Zuchtunternehmen, hinter denen zumeist kapitalkräftige Investoren stehen wie z.B. der Pharmakonzern Zoetis (Clarifide Zuchtprogramm) und deren Bestreben es in erster Linie ist, Rendite zu erzielen, stehen die deutschen Zuchtverbände nach eigenen Aussagen auch weiterhin für Regionalität und die Mitsprache der eigenen Züchter.
Auch wenn zunächst kein Aufbau von Testherden (Donorherden) vorgesehen ist, so werden die neuen Unternehmen letztlich versuchen, mit eigenen Datenprogrammen (u. a. auch durch die konsequenten Nutzung eigener Zuchtindizes) Abhängigkeiten zu schaffen.
Ein Blick in die Schweine- und Geflügelbranche sei hier angeraten: Nur vier Konzerne beliefern die Welt mit Zuchtmaterial für Legehennen, Masthähnchen und anderes Geflügel. Auch im Schweinesektor konzentrieren sich die Zuchtlinien immer mehr in der Hand von wenigen Biotechunternehmen.
Wettbewerb zwingt zu Zusammenschlüssen
Think big, think global ist das neue Motto! Deshalb wird auch nicht mehr die Versorgung der Rinderhalter mit Bullensperma zu möglichst niedrigen Preisen und die langfristige Entwicklung der regionalen Rinderpopulation oberste Priorität haben.
Sicher, die Besetzung der obersten Entscheidungsgremien mit gewählten Vertretern aus den Reihen der Milchkuhhalter soll dies weiterhin gewährleisten. Allerdings dürften in solchen großen Unternehmen schon bald Genetiker, Datenanalysten, IT-Spezialisten und Marketingexperten das Sagen haben.
Aus Sicht der Milcherzeuger muss das aber kein Nachteil sein. Der Wettbewerb um die beste Genetik zwingt die Zuchtorganisationen ja heute ohnehin schon, gewinnorientiert zu denken und zu handeln. Größere, internationale Unternehmen sind eher geneigt, den technischen Fortschritt schnell zu nutzen, wenn sich daraus Wettbewerbsvorteile ergeben.
So ist z.B. denkbar, dass die neuen Zusammenschlüsse weltweit die besten genomisch selektierten (zum Teil extrem teuren) Rinder einkaufen und diese dann verstärkt (z. B. im Rahmen des ET) nutzen. So lässt sich der Zuchtfortschritt schneller in die Breite tragen. Davon profitieren letztlich alle Milcherzeuger.
Nur VOST und OHG noch solo
Um die gesellschaftliche Akzeptanz der Zuchtziele (z.B. Gesundheitsmerkmale, Hornlosigkeit, …) sicherzustellen und um zu verhindern, dass sich die Rinderzüchter komplett in die Abhängigkeit von internationalen Konzernen begeben müssen (siehe Schweine und besonders Geflügel), ist es wichtig, dass die Leistungsprüfung und die Herdbuchführung ebenso wie die Durchführung der der genomischen Selektion in neutraler Hand bleiben. Dazu ist eine staatliche Förderung oder aber eine Umlage unabdingbar. Nur dann wird sichergestellt, dass auch kleinere (unbeugsame) Zuchtorganisationen wie z. B. die OHG Osnabrücker Herdbuch eG oder der VOST Verein Ostfriesischer Stammviehzüchter, weiterhin am Markt bestehen können.
- Die Gremien der OHG haben sich nach eigener Aussage einstimmig entschieden, unabhängig zu bleiben.
- VOST will im Januar 2021 entscheiden, ob man unabhängig bleiben oder sich einem der beiden „Großen“ anschließen wird).
Solange ein kleiner Genetikanbieter wie die OHG interessante Bullen produziert, die sich sowohl auf den nationalen als auch auf den internationalen Toplisten ganz oben präsentieren, werden sich eine solche Organisationen über Wasser halten können (die OHG hat mit Sinus in der Dezember-ZWS die Nr. 1 bei den Töchter basierten Bullen; bei RZ€ rangiert der Bulle auf Platz 4).
Die „Kleinen“ haben besondere Stärken …
Allerdings sind moderne Zuchtprogramme teuer, in Zukunft werden sie wohl noch teurer werden. Gleichzeitig sinken die Erstbesamungszahlen. Dies erleichtert den kleinen, regionalen Zuchtorganisationen das (Über)Leben sicher nicht. Was tun?
Ihre Stärken können die „Kleinen“ beim Service ausspielen. Viele Milcherzeuger lassen sich womöglich binden durch einen Besamungsservice, einen Fruchtbarkeitsservice (Zyklusüberwachungen und Trächtigkeitsdiagnosen, gezielte Behandlung von Problemtieren) oder eine umfassende, betriebsindividuelle Managementberatung in den Bereichen, Fütterung, Herdengesundheit, Jungviehaufzucht, Arbeitsorganisation und Umweltfragen. Mit solchen Serviceangeboten tun sich die „Big Player“ erfahrungsgemäß schwer.
Auch können sich regionale Zuchtorganisationen viel besser auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder einstellen. So passt z. B. nach Ostfriesland nicht unbedingt eine 15.000 kg-Kuh, die auf extrem hohe Trockenmasseaufnahmen gezüchtet wurde, sondern eher eine Kuh mit neuseeländischer Weidegenetik. So manch ein Milcherzeuger dürfte sich deshalb auch überlegen, ob ein paar Cent weniger für einen Bullen oder ein paar RZG-oder RZ€-Punkte mehr es wirklich wert sind, sich langfristig einem der Großen „auszuliefern“.