Elite Dairy Tour 2021

Zwei Familien und 130 fleißige Fleckviehkühe  

Eine einfache, aber konstante Fütterung und zwei Melksysteme sind Erfolgsgeheimnisse der (Lebens)leistungsstarken Fleckviehherde von Familie Wimmer am Chiemsee.

Betriebsspiegel

120 (melkende) Kühe 
10.070 kg Milch mit 4,27 % Fett und 3,65 % Eiweiß
6,8 Jahre Nutzungsdauer 
3,5 Ak 
Tolle Kühe, ein entspannter Betriebsleiter und der Blick vom Futtertisch auf den Chiemsee – trotz Regenwetter könnten wir diesen Betriebsbesuch eigentlich als Urlaub eintragen. Johann und Elisabeth Wimmer bewirtschaften den landwirtschaftlichen Betrieb in Grabenstätt, einer äußerst gefragten Urlaubsregion am Chiemgau, bereits in der sechsten Generation. Vor einigen Jahren sind auch ihr Sohn Johannes Wimmer und Lebensgefährtin Michaela mit in den Betrieb eingestiegen. Statt auf Ferienwohnungen zu setzen (wie dies viele Landwirte in der Urlaubsregion tun), lag und liegt der Fokus von Familie Wimmer immer auf der Milchproduktion. Das soll auch in Zukunft so bleiben!

Betriebsleiter Johannes Wimmer.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck )

Betriebsleiter auf den 2. Blick 

„Eigentlich wollte ich gar keine Landwirtschaft machen“, erzählt uns Johannes Wimmer. Als die mögliche Betriebsübergabe aber anstand, haben den gelernten Maurer die Tradition und vor allem die Selbstständigkeit dazu motiviert, den Hof zu übernehmen. „Ich habe viel Lust auf Kühe, trotzdem möchte ich nicht wie die meisten Milchkuhhalter nur noch arbeiten“, ist sich Johannes sicher. Deshalb war es ihm wichtig, frühzeitig in Arbeitsabläufe und Technik zu investieren, um anschließend Zeit zum Optimieren und vor allem auch für die Familie zu haben.
So hat sich der Betrieb schrittweise entwickelt:
  • Bis 2006 wurden die Fleckviehkühe von Familie Wimmer in Anbindung gemolken. 2005 haben sie dann den ersten Boxenlaufstall für 75 Kühe gebaut. 2012 wurde die Herde noch einmal auf 100 Kühe erweitert, indem die Nachzucht ausgelagert wurde. Den letzten Schritt haben sie 2020 mit dem Einbau eines Melkroboters und einer Stallerweiterung vollzogen. Heute gehören rund 135 Kühe und die weibliche Nachzucht zur Herde. Alle Baumaßnahmen wurden komplett in Eigenleistung realisiert, was Wimmers viel Zeit gekostet hat, wodurch letztlich aber auch viele Kosten gespart werden konnten. 
  • Das Jungvieh ist auf den elterlichen Betrieb von Michaela Wessely, rund 13 Kilometer vom Hauptstandort entfernt, ausgelagert. Ab einem Alter von sechs Monaten transportieren sie die weiblichen Jungrinder dorthin, ca. drei Monate vor der ersten Kalbung kommen sie wieder zurück. In der Regel fährt Michaela einmal am Tag rüber und versorgt die Nachzucht. Da viel Grünland rund um die Stallungen liegt, sollen die Jungrinder die Sommermonate zukünftig vermehrt auf der Weide verbringen. 
  • Neben Grünland und Ackerfutterbau (rund 25 % der Fläche wird für Silomais genutzt) werden auf rund 13 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Marktfrüchte angebaut. Zudem bauen Wimmers rund drei Hektar Sojabohnen an, was bezüglich der Verunkrautung aber eine große Herausforderung ist. „Eigentlich passt Getreide nicht zur Milchproduktion, das kostet zu viel Zeit und sorgt für Arbeitsspitzen“, meint Johannes Wimmer. Auch eine 75 kW-Biogasanlage gehört zum Betrieb und wir ausschließlich mit Abfällen (Mist und minderwertige Silagen) betrieben.
  • Die beiden Familien bewirtschaften den Betrieb gemeinsam und werden von ein bis zwei Lehrlingen unterstützt. „Ich habe am liebsten zwei Lehrlinge. Zu zweit entfalten sie sich oft besser und können selbständiger arbeiten. Ziel der Ausbildung bei uns ist es, dass ein Lehrling 100 Kühe alleine melken kann“, sagt Johannes Wimmer.  

Mit jeder Stallerweiterung wurde viel Wert auf Kuhkomfort gelegt.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Zwei Melksysteme, zwei Herden

Die Fleckviehherde von Familie Wimmer ist in zwei Gruppen aufgeteilt – die 60 Kühe rechts vom Futtertisch werden von einem automatischen Melksystem (AMS, DeLaval) gemolken, die 60 Kühe auf der linken Seite im Melkstand. Ist das sinnvoll? Für Wimmers ist es das derzeit! „Ich war nie ein AMS-Fan, aber letztlich war die Zeit knapp und ich war doch neugierig“, erzählt Johannes Wimmer über den Weg zum Melkroboter.
Anfangs war er sehr skeptisch, zumal auch das Einmelken nicht gerade reibungslos verlief. Seit sie aber zahlreiche Einstellungen am AMS verändert und exakt auf die Herde angepasst haben, läuft es rund. Die Herde am AMS melkt 34 bis 35 kg Milch im Durchschnitt. „Vor allem die Jungkühe sind deutlich in der Leistung gestiegen“, sagt Johannes Wimmer. Er selbst schätzt die vielen Daten des Melksystems: „Ich jongliere gerne mit Zahlen, das ist interessant.“ Die Zellzahl ist durch die Umstellung auf das AMS von 110.000 Zellen/ml Milch auf ca. 160.000 Zellen/ml Milch im Durchschnitt leicht gestiegen.
Die restliche Herde wird morgens und abends konventionell gemolken, in der Regel von Elisabeth Wimmer „Meine Mutter kann am schnellsten melken, sie schafft es meistens in 45 Minuten“, erzählt Johannes Wimmer. Eine entscheidende Frage, die wir sofort stellen: Wer entscheidet, wie welche Kuh gemolken wird? „Alle Jungkühe werden zuerst am AMS getestet. Wenn sie dort gut funktionieren, bleiben sie dort (Leistungssteigerung). Kühe, die dort nach drei bis vier Tagen noch nicht funktionieren, gehen in die Melkstand-Herde. So sind wir bei der Umstellung auch mit älteren Kühen vorgegangen“, antwortet Johannes Wimmer.
Ziel ist also, dass eine Kuh dort gemolken wird, wo sie am besten funktioniert. Und da verbleibt sie dann auch über die gesamte Laktation. „Zuerst mussten wir uns selbst daran gewöhnen, zu überlegen, wo welche Kuh ist, jetzt hat sich das aber klar eingespielt.“ Ob zukünftig alle Kühe automatisch gemolken werden, wissen sie noch nicht. Derzeit funktioniert es auf diese Weise gut – die Leistung ist gestiegen und Arbeitszeit gespart. 

In der Fütterung sieht Johannes Wimmer den größten Dreh- und Angelpunkt hinsichtlich Milchleistung und Tiergesundheit.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Mais-Fan! 

„Der Futtertisch ist für mich der wichtigste Dreh- und Angelpunkt“, ist sich Johannes Wimmer sicher. Die beeindruckende Milchleistung seiner Fleckviehkühe (10.070 kg Milch mit 4,27 % Fett und 3,65 % Eiweiß) führt er zu großen Teilen auf die Fütterung zurück. Er nutzt keine Fütterungsberatung, setzt aber selbst auf ein ausgefeiltes Rationscontrolling.
Der Futtertisch ist für mich der wichtigste Dreh- und Angelpunkt.
Johannes Wimmer 
  • Die Ration ist einfach, aber konstant! Ziel ist es, 365 Tage im Jahr nahezu dieselbe Ration vorzulegen. „Im Sommer verliert man erntebedingt schnell den Fokus, das ist gefährlich.“
  • Die Ration am Futtertisch ist auf 28 kg Milch ausgelegt und enthält vier kg Kraftfutter pro Kuh, am AMS bzw. Transponder bekommen die Kühe bis zu fünf kg Kraftfutter.
  • Die Ration besteht zu 45 % aus Maissilage - „Ich bin Mais-Fan“, sagt Johannes über sich.
  • Die Trockensteher bekommen eine Ration aus Mais und Stroh.
Bildergalerie 1: 

Fitness bringt uns Freizeit

Noch beeindruckender als die Laktationsleistung sind Nutzungsdauer und Lebensleistung der rund 130 Fleckviehkühe. „Letztes Jahr haben drei Kühe die 100.000 kg Milch-Grenze überschritten“, erzählt der Betriebsleiter stolz. Die durchschnittliche Nutzungsdauer beträgt 6,8 Jahre, die Lebensleistung der lebenden Kühe 26.000 kg Milch. „Alte Damen werden stur, aber wir freuen uns natürlich, wenn sie so alt werden“, freut sich Kuhmensch Johannes Wimmer.
Die Fitness seiner Kühe erreicht er neben Kuhkomfort und Fütterung vor allem auch durch die Zucht. „Ich suche die Bullen in der Regel selbst aus und achte besonders auf Fitness-Merkmale. Milch bringt nahezu jede Genetik mit, da ist mir Funktionalität wichtiger.“ Sein Ziel sind homogene und langlebige Kühe mit guten Eutern, guter Persistenz und guter Gesundheit. Denn: Fitte Kühe sparen Zeit! Für die Anpaarung nutzt er ein Anpaarungsprogramm und die Unterstützung eines Zuchtberaters.
Milch bringt nahezu jede Genetik mit. Wichtiger ist Fitness, die bringt uns viel Freizeit!
Johannes Wimmer 
Die Remontierungsrate liegt derzeit bei 28 bis 29 %, soll aber auf 20 % reduziert werden. Da sie nicht alle Kälber zur Nachzucht benötigen, werden einige schon während der Aufzucht verkauft. Auch die Bullenkälber verlassen im Alter von vier bis sechs Wochen den Hof. Die aktuelle Zwischenkalbezeit von 382 Tagen würden Wimmers gerne verlängern, dafür mangelt es in ihren Augen bei vielen Fleckviehkühen aber an Persistenz.
Die meisten Abgänge gehen auf eine ungenügende Klauen- und Eutergesundheit zurück. Zweimal im Jahr kommt ein externer Klauenpfleger zum Bestandsschnitt, akute Fälle übernehmen Johann und Johannes selbst. Insgesamt ist die Klauengesundheit in dem Stallbereich mit Spalten deutlich besser als auf dem planbefestigtem Laufstallboden.
Bildergalerie 2: 

Keine Angst vor Veränderung

In absehbarer Zeit sollen noch der Kälber- und Trockensteherbereich „renoviert“ werden. Insgesamt steht aber weniger Investition, sondern vor allem Optimierung auf dem Plan! Der Tierbestand soll tendenziell eher reduziert als erweitert werden, denn sie möchten die Arbeit weiterhin ohne Fremdarbeitskräfte schaffen können. Für Johannes steht auch fest: „Ich möchte jederzeit die Option haben, aufhören zu können!“
Investieren möchten Vater und Sohn denn auch in sich selbst, indem sie regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen und Fachzeitschriften lesen. „Fütterungsseminare finde ich immer hilfreich. Vieles hat man vielleicht schon gehört, es aber dennoch nicht zuhause umgesetzt“, sagt Johannes Wimmer selbstkritisch.
Eine Investition in sich selbst in am wertvollsten! Man lernt immer dazu und vieles kann man nicht oft genug hören.“
Johannes Wimmer 
Was sich Johannes Wimmer zukünftig vorstellen kann, ist die Umstellung auf biologische Milchproduktion. „Ich bin absolut überzeugt von konventioneller Milchproduktion. Aber aufgrund der höheren Milchpreise und der Möglichkeiten hier in der Region, kann ich mir eine Umstellung durchaus vorstellen“, erzählt der junge Betriebsleiter. Ab dem nächsten Jahr möchte er den Kühen eine Joggingweide anbieten – zum einen aufgrund der Bio-Richtlinien, zum anderen erhofft er sich dadurch aber auch eine bessere Klauengesundheit.
Angst vor Veränderung hat er nicht. In seinen Augen muss die Milchkuhhaltung als Unternehmen gesehen werden, indem man gegebenenfalls flexibel reagieren kann und immer einen Plan B hat!  

Das hat uns besonders beeindruckt: 

  • Die Gelassenheit und Offenheit der Familie.
  • Die hohe Nutzungsdauer der Kühe.
  • Das Nebeneinander von automatischem und konventionellem Melken und dem dazugehörigem Herdenmanagement.

Die Sponsoren der Elite Dairy Tour 2021.  (Bildquelle: Elite )


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