Elite Dairy Tour 2021

„Wenn´s nicht einfach geht, geht’s einfach nicht!“

Bock auf Kühe, aber auch auf ein Leben außerhalb des Kuhstalles – zu Besuch auf dem top organisiertem Braunvieh-Zuchtbetrieb von Carolin und Josef Müller. 

Als wir am Telefon nachfragten, ob wir seinen Milchkuhbetrieb im Allgäu besuchen dürfen, erklärte uns Josef Müller (49), dass wir ruhig mal kommen sollten, so könnten wir ja mal positiv übers Braunvieh berichten.
 Der Milcherzeuger ist ein äußerst umtriebiger Mensch, vielseitig interessiert und engagiert, der zwar nach eigenen Angaben zwar noch so richtig Bock auf Kühe hat, sich aber auch immer wieder noch Herausforderungen außerhalb des Kuhstalls sucht. Aktuell ist er in mehreren Vorständen aktiv und deshalb auch viel unterwegs. Um immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein zu können, erhält er volle Unterstützung von seiner Frau und seiner Familie.

Betriebsspiegel 

95 Kühe, davon 85 % Braunvieh
10.000 kg Milch pro Kuh und Jahr
56 Hektar, davon 20 ha Mais, 15 Hektar Getreide, 10 ha Ackergras und Grünland; 3 Hektar Wald, bis 70iger Böden, 1.200 mm Niederschlag
600 m3 Gülle werden abgegeben
Jungvieh und teilweise Trockensteher im Sommer auf der Alpe
Ak: Familie und ein Mitarbeiter (Minijob)
Sonstiges: 300 KW PV und  Vermietung „Haus der Gesundheit“ im Ort

„Wir melken einfach gerne“

Müller ist ein Projektmanager, durch und durch, wie sich schnell herausstellt. So war ursprünglich der Milchkuhbetrieb auch ein Projekt. Eigentlich hatte der gelernte Landwirt, der sich zwischenzeitlich auch als Zeitsoldat im Musikcorps der Bundeswehr verdingte, andere Pläne als mit Anfang 20 den kleinen, im Ort gelegenen landwirtschaftlichen Betrieb seines Onkels zu übernehmen. An 150 Abenden pro Jahr stand er damals als Musiker auf der Bühne, zudem arbeitete er noch als Skilehrer. Als ihn dann aber ein Anruf ereilte, dass sein Onkel aus gesundheitlichen Gründen deutlich kürzertreten müsse, war für Josef Müllers klar, das „Projekt Milch“ zu übernehmen. Schließlich hat er Landwirtschaft gelernt und immer Interesse an Kühen gehabt. Mit 23 Jahren ergab sich ihm dann die Möglichkeit, Bauland an die Gemeinde zu verkaufen bzw. Flächen einzutauschen, um eine Aussiedlung des landwirtschaftlichen Betriebes möglich zu machen. Die alte Hofstelle wurde weiter genutzt, dort steht heute das „Haus der Gesundheit“.  
Heute, rund 25 Jahre später, werden in dem 1996 errichteten und zweimal verlängerten Laufstall (2010 und nochmals 2020) rund 95 Kühe mit einer Durchschnittsleistung von 10.000 kg Milch gemolken. Gemolken wird in einem 2x6 Side-by-Side; eine Person benötigt dazu zwei Stunden. Warum kommt hier kein AMS zu Einsatz? Schließlich ist Zeit auf dem Milchkuhbetrieb Müller ja eine knappe Ressource. „Wir melken einfach gerne“, erklärt Carolin Müller (40), „Melken ist doch der schönste Job im Stall. Hier kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen und kreativ sein“, schmunzelt die dreifache Mutter. Aber auch ihr Ehemann, Josef, kann dem Melken etwas abgewinnen: „Musik hören bei der Gedanken Power Hour.”

Braunveih nicht nur aus Tradition – Josef Müller schätzt besonders die Robustheit und Gesundheit der braunen Kühe.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Braunvieh nicht nur aus Tradition

Rund 85 % der Kühe sind braun. Braunvieh wird hier aber nicht allein aus Tradition gehalten, die Braunen haben durchaus ihre Vorteile, weiß Müller. Bei in etwa gleicher Milchleistung im Vergleich zu den Holsteins sind sie etwas robuster, was sich letztlich in einer besseren Klauen- und Eutergesundheit widerspiegelt. Geht eine Kuh zum Schlachter, hat sie mindestens 40.000 kg gemolken. Zudem lassen sich die braunen Kälber und Zuchtrinder besser vermarkten. Das liegt aber nicht zuletzt auch an dem guten Namen, den sich die Familie in der Braunviehzucht erarbeitet hat. So haben die Müllers schon mal eine Bayernsiegerin gestellt. Die Rinderzucht erachtet Müller aber auch noch aus einem weiteren Grund für wichtig: Dadurch lassen sich die Kinder für die Kühe begeistern, „Tierschauen machen Bock auf Kühe!“
Tierschauen machen Bock auf Kühe!“
Josef Müller
Eine klare Meinung vertritt der Eigenbestandsbesamer beim Zuchtziel: Schweizer Exterieur und deutsche Milch (genomisch und töchtergeprüft) gepaart bringen den größten Erfolg.  Gute Kühe werden größtenteils mit gesextem Sperma belegt, die übrigen mit Weiß-Blauen Belgiern oder einer anderen Fleischrasse. Mit dem Besamen der frischabgekalbten Kühe wird frühestens nach 12 bis 15 Wochen begonnen („lass die Kuh doch Milch geben“). Großen Wert legt Müller bei der Bullenauswahl auf eine hohe Persistenz und auf Inhaltsstoffe. „Spitzenleistungen von 40 bis 50 Liter genügen völlig.“ Sein absoluter Bullen-Favorit derzeit ist „Deja Vu“ (Zweckverband Greifenberg).“
Alle Jungrinder werden zweimal mit gesextem Sperma besamt, falls dann noch nicht tragend, darf der Deckbulle ran. Beim Erstkalbealter werden 26 bis 27 Monate angestrebt, allerdings werden wegen der Aufzucht auf der Alp, Schwankungen in Kauf genommen („das juckt mich nicht“). Alle Rinder ab einem Alter von sechs Monaten dürfen von Mai bis Oktober in den Sommerurlaub. Auch einigen trockenen Kühen gönnen Müllers eine Auszeit in den Bergen. Unter dem Strich lassen sich durch das Alpen acht bis zehn Hektar Fläche einsparen. Da rechnet sich der Mehraufwand von 70 Cent pro Tier und Tag Weidegeld, zumal auch nur die Rinder nachgezogen werden, die unbedingt zur Remontierung benötigt werden. Weideprämie 50 € pro Tier vom Staat.

Das Wohnhaus mit dahinter liegenden Hofgebäuden von Familie Müller in Oberostendorf.  (Bildquelle: (c)photorazzi.de)

Fütterung erfolgt „vollautomatisch“

„Um mehr Lebenszeit zu gewinnen, lassen wir eine Mischgemeinschaft füttern“ erläutert, Josef Müller, Vorstand der Gemeinschaft seit etlichen Jahren. Die monatlichen Kosten für die Futterentnahme und die Vorlage der auf einer Sandwichsilage basierenden TMR („so wird der Mais nicht warm“) beziffert Müller mit 1.400 bis 1.500 Euro pro Monat. Gefüttert werden alle Laktierenden aktuell mit 20 kg Mais, 20 kg Gras, 2,5 kg eigenes Getreideschrot und 3,0 kg Eiweiß. Ein weiteres Kilo Kraftfutter (18/4) streut der „Butler“ über die TMR. Seit nunmehr zehn Jahren schiebt der automatische Futternachschieber stündlich (mit Ausnahme der Melkzeiten) das Futter nach. Die Trockensteher werden einphasig gefüttert mit 2,5 kg Stroh, 10 kg Mais, 10 kg Gras, 2,0 kg Kraftfutter und Mineralien.

„Ich brauche Freizeit!“

Den Müllers ist das Leben außerhalb des Kuhstalls sehr wichtig. Ski fahren, Musik machen, Zeit mit der Familie verbringen und sich auch noch ehrenamtlich engagieren, „dafür will ich die Zeit haben.“ Das Paar nimmt es sich heraus, kapital- und arbeitsintensive Arbeiten überbetrieblich erledigen zu lassen. Um freie Zeit zu generieren, ist eine Aufstockung der Herde auch nicht geplant. Ideal wäre es, mit 100 Kühen 1,0 Mio. kg Milch mit 4,50 % Fett, 3,70 % Eiweiß zu erzeugen. „Das geht nur mit Braunvieh“, ist Müller überzeugt. Nicht größer und nicht verwundbar machen, lautet ihre Devise. „Unternehmer sein bedeutet auch, nicht immer in Arbeit zu investieren“, ergänzt Carolin Müller. 
Die beiden wollen in den kommenden Jahren ihr Familienunternehmen weiter optimieren, mit dem Ziel, in zehn Jahren die finanzielle Freiheit zu erlangen. Bis dahin sollte ihr Sohn Johannes (17) dann auch so weit sein, dass er die Verantwortung für den Milchkuhbetrieb übernehmen kann. Um die gesteckten Ziele verwirklichen zu können, investiert Müller denn auch lieber in sich selbst als in Größe („im Kopf wachsen“). Denn seiner Meinung nach entscheidet der Betriebsleiter mehr über den wirtschaftlichen Erfolg als der Milchpreis. Sein Sohn soll später selbst entscheiden können, welchen unternehmerischen Weg er einschlagen möchte.

Ein toller Betriebsbesuch bei Familie Müller in Oberostendorf.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Der Tierwohl-Diskussion standhalten

Angesprochen auf die großen (gesellschaftlichen) Veränderungen, mit denen sich die Milchproduktion konfrontiert sieht, gibt sich der nimmermüde wirkende Betriebsleiter optimistisch. Es gelte der Tierwohl-Diskussion standzuhalten und die neuen Kriterien zu erfüllen, allerdings müssten diese auch vergütet werden. „Ich lasse unsere Kühe gerne auf die Weide, aber dann will ich im Gegenzug auch Geld sehen.“ Aber wir sind startklar, ist Müller überzeugt und präsentiert uns stolz den neuen Besucherraum im bzw. über dem Kuhstall. Hier können sich Interessierte bald über die tiergerechte Milcherzeugung selbst ein Bild machen.
Eines scheint auf jeden Fall klar: Es geht weiter in Oberostendorf, denn aussitzen wird Josef Müller die Entwicklungen nicht. Das war auch schon bei Biogas so. Als einer der bayerischen Biogas-Pioniere hat er 24 Jahre lang Strom produziert, kürzlich hat er seine Anlage aber abgestellt. „Die Auflagen des EEG lassen eine rentable Bewirtschaftung mit der aktuellen Herdengröße nicht mehr zu“, begründet er seine Entscheidung. Dafür wird jetzt noch mehr PV-Strom auf den Dächern, um die Einspeisekapazität auszulasten. Insgesamt wurden seit 2004 rund 300 KW gebaut. Es gibt eben immer wieder ein neues Projekt!
Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren
  • Immer 110 % geben
  • Eine ausgefeilte Fütterung, eine top Fruchtbarkeit und ein gutes Stallklima
  • Freude im Umgang mit Kühen
Bildergalerie 1: 

Das hat uns besonders beeindruckt: 

- Beeindruckende Braunviehkühe, die sich offensichtlich sehr wohl fühlen in ihrem Stall.
- Einfache Arbeitsabläufe: „Wenn´s einfach nicht geht, geht’s einfach nicht!“
- Die positive Einstellung des Unternehmerehepaares (der Milchpreis bestimmt nicht allein den Unternehmenserfolg) und der Wunsch eines Lebens außerhalb des Kuhstalls.
Bildergalerie 2: 

Die Sponsoren der Elite Dairy Tour 2021. (Bildquelle: Elite )


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