Die Milchproduktion hat in dem in der Nähe von Luckau (Spreewald) gelegenen Großbetrieb eine lange Tradition. Zu DDR-Zeiten gehörte die Milchkuhanlage zur örtlichen LPG Tierproduktion. Nach der Wende wurde der Standort in Uckro von der neu gegründeten Genossenschaft „übernommen“. Die damals vorhandenen Typenställe wurden seitdem stetig optimiert, sie werden auch heute noch intensiv für Kühe, Jungrinder und Kälber genutzt.
Die Produktionskennzahlen der auf 800 Kühe angewachsenen Kuhherde zeigen, dass die Milchproduktion in Uckro rund läuft. So fanden sich in den letzten Jahren 45 Kühe mit einer Lebensleistung von mindestens 100.000 kg Milch, aktuell sind vier im Bestand. Die Nutzungsdauer der Abgangstiere liegt bei 52,4 Monaten, die Lebenstagsleistung bei 20,5 kg ECM.
Durch die kürzlich erfolgte Aufstockung ist Lebensleistung der Kühe auf „nur“ noch 39.000 kg gesunken, sie dürfte sich schon aber bald wieder erhöhen. Die durchschnittliche Tagesmilchleistung liegt aktuell bei gut 32 kg Milch. Im Wirtschaftsjahr 2019/20 haben sie 10.011 kg mit 4,09 % Fett und 3,4% Eiweiß abgeliefert.
In den letzten Jahren ist die extreme Trockenheit am Standort und den bewirtschafteten Flächen zu einer großen Herausforderung geworden. Gut, dass das Team Herausforderungen gewöhnt ist. Durch Optimierungen, nicht nur in Futterbau und Fütterung, sondern auch in der Aufstallung und dem gesamten Herdenmanagement, versuchen sie stets, die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion zu sichern.
- 800 Kühe
- 32 kg Milch
- 2.300 Hektar, Biogas
- 14 Ak + Lehrling in der Tierproduktion
Schwarze Zahlen als dauerhafte Herausforderung
Zur Genossenschaft gehören neben rund 800 Milchkühen 2.300 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche (davon 845 ha Eigentum), eine Biogasanlage mit 536 kW sowie eine PV-Anlage. Bis zum Jahr 2015 waren alle 400 Kühe in Altgebäuden untergebracht, gemolken wurde dreimal täglich im Doppel 16er-Fischgräten-Melkstand. Mit dem Bau des neuen Kuhstalls, der weiteren 400 Kühen Platz bietet, wurde die Fischgräte durch ein 40er-Außenmelker-Karussell ersetzt. Heute werden die Kühe aber nur noch zweimal täglich gemolken. „Wir würden gerne dreimal melken, aber es muss sich rechnen. Derzeit sind die Technik- und Arbeitszeitkosten einfach zu hoch“, begründet Geschäftsführer Norbert Zittlau die Entscheidung. Der Kuhbestand wurde allein aus eigener Reproduktion aufgestockt.
„Es ist schon ein Unterschied, ob man mit 50 oder mit 800 Kühen ein Minus macht“, weiß der Geschäftsführer. Im Juni diesen Jahres lag der Milchpreis bei nur 29,6 Cent. Das reicht natürlich nicht aus. Doch in Uckro haben sie es bislang immer geschafft, gesamtbetrieblich am Ende schwarze Zahlen zu schreiben. Nicht zuletzt deshalb wurde die Milchproduktion auch noch nie in Frage gestellt.
Inklusive Tierverkauf trägt die Milchproduktion mit rund 64% zum Umsatz der Agrargenossenschaft bei. Die erneuerbaren Energien haben sich als drittes Standbein etabliert. „Dank Biogas (seit 2006) und der Sonnenkollektoren (seit 2014) sind wir bislang gut durch Krisenzeiten gekommen“, erzählt Zittlau. Die PV-Anlage wird jetzt noch einmal erweitert.
Durch stetige Optimierung haben wir es irgendwie immer geschafft, gesamtbetrieblich schwarze Zahlen zu schreiben. Aber es gibt ständig neue Herausforderungen.
Norbert Zittlau
Derzeit arbeiten rund 14 Personen und ein Lehrling in der Tierproduktion. Für das Herdenmanagement sind neben Marlies Michligk (Leiterin Tierproduktion) zwei weitere Mitarbeiter zuständig. Insgesamt beschäftigt die Genossenschaft 29 Arbeitskräfte und zwei Lehrlinge. Viele der Mitarbeiter sind schon lange in er Genossenschaft beschäftigt, einige scheiden denn auch bald altersbedingt aus. Das kann sich zum Problem erwachsen, denn es wird zunehmend schwieriger, Mitarbeiter zu finden. Selbst Auszubildende werden rar. Dabei haben junge Menschen nach der Ausbildung ihren Arbeitsplatz quasi sicher, „sie müssen aber etwas Engagement zeigen, die Mitarbeit auch wollen“, sagt Zittlau.
Futterproduktion ist Chefsache!
Neben seinen (Büro-)Tätigkeiten als Geschäftsführer gehört die Futterernte nach wie vor den Aufgaben von Norbert Zittlau. „Futterproduktion ist Chefsache!“, schmunzelt Marlies Michligk. Schon zu LPG-Zeiten haben die beiden ehemaligen Kader in Uckro zusammengearbeitet gearbeitet, Zittlau als Leiter der Futterproduktion, Michligk als Futterökonomin.
Damals wie heute stellen die beiden Futterbau und Fütterung vor Herausforderungen. „Der Mais ist eine gerade Katastrophe“, erläutert der Geschäftsführer. Seit 2018 herrscht extremer Wassermangel, pro Jahr fallen gerade mal noch 350 mm Niederschlag. Deshalb müssen zunehmend Futtermittel wie Maisschrot, Luzerneheu, GVO-freies Sojaschrot und gelegentlich auch Silage zugekauft werden.
Zudem mindert die Trockenheit die Grundfutterqualitäten und bedingt eine ständige Anpassung der Futterrationen. Die Fütterung lässt sich nicht mehr so vorausschauend planen, wie noch in den Jahren zuvor.
Die Rationsgestaltung ist mittlerweile ein Jonglieren mit vorhandenen Futterkomponenten.
Marlies Milchligk
Tiergesundheit im Fokus
„Es ist wichtiger, die Kühe gesund durch die Laktation zu bringen, als 40 Liter im Tagesschnitt zu melken“, ist Herdenmanagerin Marlies Michligk überzeugt. Stand früher die Leistungssteigerung verstärkt im Fokus, ist es heute die Tiergesundheit. Deshalb werden auch fünf verschiedene Rationen gemischt, drei für die melkenden Kühe, zwei für die Trockensteher. Eine Mischration über die gesamte Laktation hinweg zu füttern wäre eine sehr teure Variante. Michligk versucht aber, in allen Rationen die selben Komponenten einzusetzen, um die Futterwechsel möglichst schonend zu gestalten.
Besonders großen Wert legt die zierliche Frau auf eine hohe Trockenmasseaufnahme und Grobfutterleistung. Sie erreichen eine durchschnittliche Futteraufnahme von mindestens 25kg Trockenmasse mit sehr hoher Grobfutterleistung. „Es gibt zwei Strategien in der Fütterung, einmal die straffe Ration mit Ausrichtung auf möglichst viel Milch und einmal eine strukturreichere Ration mit Ausrichtung auf eine möglichst stabile Stoffwechselgesundheit. Ich bevorzuge die letztere Variante, da in meinen Augen die Kühe eine Ration, die 200 bis 300 g Stroh enthält, besser und vor allem gesünder in Leistung umsetzen.“
Als weitere Maßnahmen zur Förderung der Tiergesundheit zählt sie ein doppeltes Klauenbad (dreimal in der Woche durchgeführt!), die Kontrolle der Körpersubstanz über eine BCS-Kamera (Delaval), das Einstreuen der (Tief-)Boxen einmal in der Woche und die Belüftung mit Ventlatoren in allen Bereichen auf.
Lange stand die Leistungssteigerung im Fokus. Heute ist die Tiergesundheit entscheidender, um wirtschaftlich Milch zu produzieren.
Marlies Michligk
Im Bereich Reproduktion arbeitet die Genossenschaft intensiv mit der Rinderproduktion Berlin-Brandenburg (RBB) zusammen, die die Besamungen übernehmen. Trächtigkeitsuntersuchungen erfolgen durch den betreuenden Tierarzt. Die freiwillige Wartezeit variiert je nach Körperkondition und Leistung zwischen 50 und 70 Tagen. Die Zwischenkalbezeit hat sich bei 410 Tagen eingependelt, der Besamungsindex beträgt 2,4 (Kühe) bzw. 1,5 (Jungrinder). Je nach Milchleistung und Euterform werden rund 20% der Kühe mit Fleischrassebullen besamt. In diesem Jahr wurde mit der Herdentypisierung gestartet, um künftig die Nachzucht gezielter zu selektieren, unter anderem natürlich auch nach Gesundheitsparametern.
Das hat uns besonders beeindruckt:
- Die Vision, mit Milch Geld zu verdienen: Dem Team ist es gelungen, trotz aller politischen und marktrelevanten Irrungen und Wirrungen immer klar Kurs zu halten und die Milchproduktion auf eine gesunde wirtschaftliche Basis zu stellen.
- Der Fokus auf die Tiergesundheit: Nicht die maximale Leistung zahlt sich aus, sondern die maximale Tiergesundheit. Marlies Michligk hat uns mit ihrer Strategie überzeugt, denn die Kühe haben hier einen sehr guten Eindruck hinterlassen.
- Die optimale Nutzung der alten Stallgebäude. Der Komfort für die Tiere in den niedrigen, geschlossenen Typenställe ist beeindruckend. Hier wurde das Beste aus den Hallen herausgeholt. Die Stroh- und Kälberabteile bieten mehr Komfort als so mancher neuer Stall.
Was sind die Erfolgsfaktoren im Kuhstall?
Der Schritt von 7.000 auf 8.000 kg Milch ist deutlich einfacher als von 10.000 auf 11.000 kg.
Norbert Zittlau
- Stetige Optimierung! Umbaumaßnahmen in den Altgebäuden, ein komfortabler neuer Stall, die Anpassung von Futterbau und Fütterung an die Trockenheit etc. Das Team Uckro wird nicht müde im Optimieren. Und das zahlt sich aus!
- Fokus auf Tiergesundheit! Das beinhaltet die exakte Rationsgestaltung, die kontinuierliche Kontrolle der Futteraufnahme sowie Reproduktion und Transitphase. In Zukunft soll der Übergang der verschiedenen Futtergruppen noch optimiert werden.
- Eingewöhnung und Anfütterung! Hochtragende Färsen sind gemeinsam mit trockenstehenden Kühen in der Anfütterungsphase eingestallt. Über einen Laufgang besteht auch von diesem Stall eine Verbindung zum Melkkarussell. Einmal in der Woche „fährt“ die gesamte Gruppe einmal durch das Melkkarussell. Das bringt drei Vorteile gleichzeitig mit sich: Die Eingewöhnung der Färsen an das Karussell (mit Hilfe der älteren Kühe), die Euterkontrolle aller Tiere sowie der Gang durch das Klauenbad. Damit lohnt sich dieser (wenig aufwendige) Arbeitsschritt absolut.
- Trocken-TMR für Kälber! Alle Kälber werden in den ersten zwei Wochen ad libitum mit Vollmilch getränkt. Anschließend bekommen sie Milchaustauscher über eine Tränkeautomaten. Seit einiger Zeit wird den Kälbern während der Tränkephase eine selbst gemischte Trocken-TMR gefüttert. Das hat sich super bewährt und fördert sichtlich die Entwicklung der Kälber. Das durchschnittliche Erstkalbealter konnte bereits von 26 auf 24,8 Monate gesenkt werden.
- Die Arbeit mit Mitarbeitern! Engagierte Mitarbeiter sind bei dieser Herdengröße das A & O. Deshalb wird in Uckro viel Zeit und Mühe in die Ausbildung der Arbeitskräfte gesteckt. Dabei ist es wichtig, als „Führungsperson“ selbst auch immer Bescheid zu wissen und für Fragen zur Verfügung zu stehen: „Man muss selbst immer nah an der Arbeit sein““, weiß Marlies Michligk. Die Kolleginnen und Kollegen müssen sich ernst genommen fühlen und mitgenommen werden. So werden regelmäßig Teamsitzungen abgehalten, in den alles offen besprochen wird. Dazu gehört es auch, sowohl negative als auch positive Ergebnisse mitzuteilen. Das fördert die Motivation und das Verantwortungsbewusstsein.
Warum melken Sie weiter?
„Wir haben die Milchproduktion als Betriebszweig nie in Frage gestellt!“, erklärt Norbert Zittlau die schon damals bewusste Entscheidung für Veredlung. Auch bei dem Wechsel auf die Genossenschaft waren Kühe stets mit eingeplant, weil Ställe und Arbeitskräfte bereits da waren. Durch die Investitionen müssen sie jetzt auch weitermachen. Und das möchten sie auch! Die stetige Optimierung und die Motivation der ganzen Genossenschaft sorgen dafür, dass es sich auch rechnen und Spaß machen kann.
Ziel für die kommende Zeit ist vor allem die Optimierung der Tiergesundheit. Eine weitere Steigerung der Milchleistung ist in den Augen von Marlies Michligk nur dann sinnvoll, wenn der Gesundheitsstatus und die Reproduktionsleistung konstant gut bleiben. Die Selektion der Nachzucht anhand genomischer Daten soll zudem die Gesundheit und Produktivität der Herde auf genetischer Seite fördern.
Neben dem „Jonglieren“ mit dürrebedingt begrenzten Futtermitteln wird das Thema Mitarbeiter in Zukunft eine schwierige Herausforderung. Zum einen ist es schwierig, überhaupt Personen zu finden, zum anderen müssen sie fähig und motiviert sein. Gerade in der Nähe zu Berlin gibt es scheinbar doch viele „coolere“ Berufe als die Landwirtschaft.
Für mich ist der Job interessant und spannend und hat viel mehr Anerkennung verdient! Wir produzieren Lebensmittel von hoher Qualität mit Tieren, die nur deshalb so leistungsbereit sind, weil es ihnen gut geht!
Marlies Milchligk
Marlies Michligk selbst wird Ende des Jahres in den Ruhestand gehen und den Milchkuhbetrieb nach über 40 Jahren verlassen. „Das wird nicht einfach, aber meine Enkelkinder werden mich bestimmt gut beschäftigen“, antwortet die erfahrene Herdenmanagerin auf die Frage, ob sie sich überhaupt ein Leben ohne Kühe vorstellen kann. Für ihre Nachfolge ist gesorgt, zwei ihrer Mitarbeiter werden die Leitung der Tierproduktion gemeinsam übernehmen. Aber dennoch braucht es weitere junge Menschen, die Lust auf Kühe haben und in den komfortablen Ställen der Agrargenossenschaft Verantwortung übernehmen wollen.