Rund 700 Kühe mit durchschnittlich 40 kg Milch. Gute Bedingungen, klare Strukturen und viel Motivation führen das Team von Westerkamp Holsteins zum Erfolg.
Über die 40 kg abgelieferte Milch im Tagesschnitt haben wir uns einige Tage lang gefreut“, erzählt Kim Saß-Hauschildt. Der 39-jährige Unternehmer hat den Milchkuhbetrieb „Westerkamp Holsteins“ in Hemdingen, rund 30 km nordwestlich von Hamburg, in 2009 mit 200 Kühen von seinen Eltern übernommen. Seitdem hat sich die Kuhzahl auf gut 730 Kühe mehr als verdreifacht. Aktuell werden auf der Milchkuhanlage rund 650 Kühe dreimal täglich gemolken. Untergebracht sind dort auch die Trockensteher und ein Teil des weiblichen Jungviehs. Die übrigen Rinder werden auf zwei Aufzuchtbetrieben großgezogen.
Betriebsspiegel:
Hemdingen, Schleswig-Holstein
730 Kühe
12.961 kg Milch
12 Voll-Arbeitskräfte + Teilzeitkräfte
100% Kuhkomfort – neben ausreichend Fressplätzen und komfortablen Tiefboxen spielen vor allem Belüftung und Beregnung eine entscheidende Rolle.
(Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck )
„Mit der Kuhherde zu wachsen war immer ein Traum von mir”, erinnert sich Kim Saß-Hauschildt. Doch trotz rasantem Wachstum war die betriebliche Entwicklung nicht einfach. „Ich bin 2009 mit einem Milchpreis von 17 Cent gestartet. Auch das Krisenjahr 2015/2016 hat keinen Spaß gemacht. Mit 2017 folgte dann ein gutes Jahr, aktuell sind es wieder knapp 30 Cent. Das ist natürlich nicht genug”, schildert der Betriebsleiter.
Als Unternehmer geht man viele Risiken ein und arbeitet viel, aber letztlich wird es 100% Kuhkomfort – neben ausreichend Fressplätzen und komfortablen Tiefboxen spielen vor allem Belüftung und Beregnung eine entscheidende Rolle. nicht ausreichend honoriert: „Die Kosten steigen unaufhörlich, aber der Milchpreis bleibt gleich niedrig. Die Schere klappt immer weiter auseinander!”
Mehr Milch bei gleichen Kosten
Die großen Investitionen mit viel Fremdkapital lassen es nicht zu, zu zweifeln oder nur 80% zu geben. Eine hohe Milchleistung beziehungsweise Auslastung ist zwingend erforderlich. Deshalb beurteilt Kim Saß-Hauschildt das Management in erster Linie anhand wirtschaftlicher Kennzahlen. 40,5 kg abgelieferte Milch ist eine beeindruckende Zahl, die aber wichtig ist, damit es sich rechnet.
Mehr Milch bei gleichen Kosten ist das Ziel. Entscheidend ist die Milch pro Stallplatz. Kim Saß-Hauschildt arbeitet mit dem „Cow Value“ (wirtschaftlicher Wert einer Kuh). Eine Kuh, die im Stall bleiben will, muss sich rechnen! So kann es ökonomisch gesehen durchaus sinnvoll sein, eine schwere vierkalbige Kuh gegen eine hochleistende gesunde Jungkuh auszutauschen. Die Remontierungsrate kann dann auch mal 35% betragen, nichtsdestotrotz findet sich aber immer wieder mal eine 100.000 kg-Kuh in der Herde.
Die Lebensleistung der abgegangenen Kühe liegt derzeit bei rund 38.000 kg Milch. Diese Kennzahl wird maßgeblich von der stetigen Aufstockung und dem entsprechend hohen Färsenanteil geprägt und soll zukünftig weiter steigen. Wichtig ist vor allem, dass die Zahl der Abgänge in den ersten 60 Laktationstagen so gering wie möglich ist.
Alle Kühe werden dreimal täglich in einem Doppel-15erSide-by-Side-Melkstand von zwei Personen gemolken.
(Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck )
Konstant gute Arbeit
Was sind die Erfolgsrezepte im Stall von Westerkamp Holsteins? Die Basisarbeit muss in allen Bereichen gut sein, vom Kalb bis zur 100.000 kg-Kuh! „Es ist kein Hexenwerk, aber es muss jeden Tag gleich gut gemacht werden“, sagt Herdenmanager Joshua Seider. Läuft das Management zu 100%, zeigen es die Kühe auch. Für klare Strukturen sorgen vor allem auch die Zusammenarbeit mit der zuständigen Tierarztpraxis sowie die Verknüpfung aller Bereiche über das Herdenmanagementprogramm.
Es ist kein Hexenwerk, aber Konsequenz ist gefragt.
Joshua Seider
Neben ausreichend Platz und Fressplätzen sorgen auch komfortable Tiefboxen sowie die Belüftung für maximalen Kuhkomfort. „Es ist beruhigend, den Kühen zuzusehen“, beschreibt der Herdenmanager die Ruhe im Stall – dank bester Bedingungen. Ein TMR-Audit für mehr Homogenität sowie der Einsatz von Shredlage waren Schlüsselfaktoren im Bereich Fütterung. Seitdem werden weder Stroh noch Luzerne eingesetzt.
„Am Ende vom Tag geht alles über die Futteraufnahme“, sagt Kim Saß-Hauschildt. Bei den hochleistenden Kühen erreichen sie eine Futteraufnahme von über 29 kg, bei Färsen von über 24 kg und bei Altmelkern rund 22 kg Trockenmasse! Über eine zweiphasige Trockensteherfütterung (Close-Up-Ration) haben sie subklinisches Milchfieber gut in den Griff bekommen. Die Trockenmasse-Aufnahme liegt hier bei über 15 kg. Zudem erhalten Frischmelker mehr Soja und etwas Luzerne. Sobald vermehrt Stoffwechselerkrankungen auftreten, lässt sich das ganz schnell auf flüchtige Fehler in diesem Bereich zurückführen.
Im Close-Up-Bereich soll in Zukunft eine sensorische Überwachung eingeführt werden, um die Tiergesundheit noch besser im Blick zu behalten. Um den maximalen Profit pro Kuhplatz zu erreichen, ist eine sehr gute Herdenfruchtbarkeit unabdingbar. Die Herde muss möglichst frischmelkend sein, die durchschnittlichen Melktage sollten nicht mehr als 180 Tage betragen.
Neugeborene Kälber sind zuerst in Einzeliglus untergebracht und werden mit Vollmilch ad libitum getränkt.
(Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck )
Strikte Reproduktion
Die Zwischenkalbezeit liegt derzeit bei 381 Tagen, was sie durch eine Pregnancy Rate von 30% trotz der hohen Leistung realisieren. Wer ab dem 70. Tag fit ist und bullt, wird besamt. Das gilt ebenso für Färsen, allerdings stehen diese zehn Tage länger trocken. Dass jederzeit gleichmäßig viele frischlaktierende Kühe gemolken werden, wird bereits beim Besamungsmanagement der Jungrinder berücksichtigt: Kontinuierliche Kalbungen sind wichtiger als das Erstkalbealter. Damit es rund läuft, sollten sechs Kuhkälber pro Woche geboren werden. Um das zu erreichen und für leichte Kalbungen wird gesextes Sperma eingesetzt.
Zuletzt spielt auch die Genetik eine wichtige Rolle. Alle Kühe werden tierindividuell in Zusammenarbeit mit einem Zuchtberater angepaart. Die schlechtesten 25% belegen sie mit Fleischrassen (Angus). Dazu gehörte in der Vergangenheit auch der Zukauf allerbester Tiere! Grundsätzlich ist das genetische Potenzial für viel Milch bei fast allen Tieren vorhanden. „Man muss es aber herausholen, durch allerbestes Management“, sagt Joshua Seider.
Nicht ohne Team
„Wir müssen in jedem Bereich immer 110% geben!“, weiß Kim Saß-Hauschildt. Mit dem „wir“ meint er nicht nur sich und die Kühe, sondern vor allem seine Mitarbeiter. Derzeit besteht das Team aus zwölf Vollzeit- und mehreren Teilzeitkräften. Ein Garant des Erfolgs im Stall ist Herdenmanager Joshua Seider, der schon seit 2013 neben Kim Saß-Hauschildt auf der Milchkuhanlage „den Hut auf hat“. Dazu kommen zwei Herdsmen, die einen zweijährigen Traineeship absolvieren. Ukrainische Praktikanten übernehmen zu großen Teilen das Melken, weitere Mitarbeiter das Füttern, den Jungtierbereich und die Außenwirtschaft.
In der guten Zusammenarbeit im Team sieht er einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren: „Wir haben ganz tolle, motivierte Leute hier und auch ich selber habe mega Lust!“, erklärt er. Mitarbeiter sind unverzichtbar, denn alleine lassen sich keine 700 Kühe managen. Durch die Nähe zu Hamburg ist es nicht einfach, neue Mitarbeiter zu finden. Über eine eigene Internetseite und soziale Netzwerke soll der Betrieb als regionaler Arbeitgeber bekannter werden. Gleichzeitig wird so Öffentlichkeitsarbeit geleistet.
Transitkühe sind im älteren Kuhstall untergebracht.
(Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)
Wie geht es weiter?
Obwohl Kim Saß-Hauschildt die Perspektivlosigkeit vieler Milcherzeuger nachvollziehen kann, setzt er bis heute auf Kühe und optimiert seinen Betrieb stetig. Seit Kurzem sind die Kälber in einen neuen Stall umgezogen. Die Optimierung des gesamten Aufzuchtbereiches soll vor allem die Lebensleistung weiter steigern. Zuletzt ist natürlich eine möglichst hohe Milchleistung ein dauerhaftes Ziel. Zunächst gilt es aber, die Leistung zu stabilisieren und „replizierbar“ zu machen. Das heißt, mit den jetzigen Methoden, mindestens das gleiche Ergebnis zu erreichen.
Sei jeden Tag optimistisch, offen und zeig‘ Passion.
Kim Saß-Hauschildt
„Sei jeden Tag optimistisch, offen und zeig’ Passion!“ – so das Motto des Betriebleiters. Jeden Tag das Beste für Tiere, Mitarbeiter und Umwelt zu tun, offen für Verbesserungen sein und wirtschaftlich sowie nachhaltig Milch zu produzieren. Dazu gehören Liebe, Respekt und Leidenschaft zu Kühen und vor allem der Spaß an der Arbeit in einem tollen Team.