„Dann steigt‘s mal ein, wir fahren hoch zu den Kühen“ begrüßen uns Sarah und Markus Schwaighofer, als wir auf dem Milchkuhbetrieb im österreichischen Erl (Tirol) aus dem Auto steigen.
Mit dem Geländewagen geht’s 11 km bergauf, manchmal trauen wir uns gar nicht aus dem Seitenfenster zu schauen, so steil fällt der Hang neben der schmalen Piste ab. „Hier fährt tatsächlich ein Milchwagen hoch?“, frage ich ungläubig nach? „Klar doch“, antwortet Sarah … und wie zum...
„Dann steigt‘s mal ein, wir fahren hoch zu den Kühen“ begrüßen uns Sarah und Markus Schwaighofer, als wir auf dem Milchkuhbetrieb im österreichischen Erl (Tirol) aus dem Auto steigen.
Mit dem Geländewagen geht’s 11 km bergauf, manchmal trauen wir uns gar nicht aus dem Seitenfenster zu schauen, so steil fällt der Hang neben der schmalen Piste ab. „Hier fährt tatsächlich ein Milchwagen hoch?“, frage ich ungläubig nach? „Klar doch“, antwortet Sarah … und wie zum Beweis kommt uns der LKW entgegen. Ohne zu zögern setzt Markus ein paar Meter zurück, so dass der Milchwagen weiter in Richtung Tal fahren kann.
Betriebsspiegel
- 100 Kühe (Fleckvieh)
- 10.000 kg Milch
- 60 Hektar Grünland im Tal, 145 Hektar auf der Alm
- 3,5 Ak
- 2 Ställe, einer im Tal, einer auf dem Berg
Immer wieder tauchen während der Fahrt Stallungen auf den Wiesen auf. Für uns „Flachländer“ aus dem Münsterland unvorstellbar, dass hier, in dem hängigen Gelände, noch Milch produziert wird. „Doch, doch …“, erklärt Sarah, während unten im Dorf „nur“ noch sieben Milcherzeuger wirtschaften, sind es auf dem gesamten Berg noch rund 30. Das Kuriose ist, dass die Bergbauern unterschiedliche Molkereien beliefern. Denn das führt letztlich dazu, dass gleich mehrere Milchwagen im Berg unterwegs sind.
Und dann sind wir da! Mächtig präsentiert sich auf knapp 1.000 m Höhe der Bergbauernhof, der den Boxenlaufstallstall und das giebelseitig angeordnete Wohnhaus, das erst vor kurzem neu errichtet wurde, unter einem Dach vereint. Beim Blick auf die steilen grünen Hänge fragen wir uns schon, wie hier 100 hochleistende Milchkühe gehalten werden können? „Das geht schon“, lacht Markus Schwaighofer (Senior), der zusammen mit seiner Frau Susanne während der Sommermonate die Alm managt. Die beiden leben denn auch von Ende Mai bis Mitte August mit den Kühen im Berg. Im Spätsommer, wenn das Graswachstum ausbleibt, werden die Kühe wieder ins Tal zurück transportiert. Die Trockensteher und die Rinder bleiben noch etwas länger „im Berg“, je nach Witterung bis etwa Mitte Oktober.
10.000 kg mit Fleckvieh – dank guter Genetik
Noch erstaunter sind wir, als wir erfahren, dass die Durchschnittsleistung der Fleckviehherde rund 10.000 kg Milch mit 4,50 % Fett und 3,60 % Eiweiß beträgt. Möglich ist diese beeindruckende Leistung nur durch eine sehr intensive Fütterung und ein ausgefeiltes Herdenmanagement, auch auf der Alm. Die hohen Milchleistungen beruhen aber auch auf einer guten Genetik. „Unsere Herde ist enorm auf Leistung getrimmt“, erläutert Markus Schwaighofer, „Eigentlich schon fast zu sehr für unser System, aber das bringt die Genetik mit“. In seinen Augen ist die Genetik auch beim Fleckvieh extrem auf Leistung fokussiert. Seine Färsen sollen lieber erst weniger Milch haben, dafür eine gute Persistenz aufweisen und vor allem gute Fundamente haben. „Schlechte Fundamente sind eine Katastrophe“, sagt er mit Hinweis auf ihr Produktionssystem (extrem viel Bewegung).
Unsere Herde ist enorm auf Leistung getrimmt“
Markus Schwaighofer
Da Frischmelker mit den oftmals rauen Bedingungen auf der Alm nicht zurechtkommen würden, kalben die Kühe im Herbst im Tal ab. Das hat den Vorteil, dass die Kühe während der Hochlaktation und entsprechend intensiv im Stall gefüttert werden können. So ist die Herde schon altmelkend und alle Tiere tragend, wenn sie im Frühjahr in ihr Sommerdomizil umziehen. Die meisten Kühe sind auf der Alm noch sechs bis acht Wochen in Milch und werden dann trockengestellt. Aber dennoch wird dort zugefüttert. Im Melkstand (2x6 Fischgräte) gibt’s Kraftfutter, im Stall noch Heu, damit sie nicht zu viel an Kondition verlieren.
Bei Hitze bleiben die Kühe tagsüber im Stall, dann dürfen Sie nur nachts raus. Das gilt aber nicht für Susanne und Markus Schwaighofer. Die beiden sind den ganzen Tag mit melken, füttern, „zäunen“ und Tierbeobachtung beschäftigt. und an kommt es auch mal vor, dass sich ein Rind verirrt oder gar verletzt, das dann auch geborgen werden muss (im Extremfall sogar mithilfe eines Hubschraubers).
Auf der Hofstelle im Tal versorgen Markus und seine Schwestern währenddessen die jüngsten Kälber und die Zuchtbullen. Bis zu 20 männliche Kälber werden zur Zucht aufgezogen und mit 12 bis 14 Monaten verkauft (2.000 bis 3.000 Euro). Zudem organisiert der Junior auch die Grasernteernte. Mais wird nicht angebaut.
Im Stall im Dorf wird den Fleckviehkühen eine TMR bestehend aus Grassilage, Biertreber, Pressschnitzeln und Feuchtmais angeboten, die auf etwa 26 bis 27 kg Milch ausgelegt ist. Kraftfutter wird zusätzlich über Transponder verabreicht. Das ist eine Besonderheit, denn Schwaighofers sind im Dorf die einzigen Milcherzeuger, die Silage füttern; alle andere produzieren Heumilch.
Aus Tradition und wegen der Leidenschaft
Natürlich interessiert uns brennend die Frage, warum sich die Familie sowohl diesen finanziellen und organisatorischen „Stress“ mit den beiden Kuhställen, im Dorf und im Berg, antut? Nur am Bewirtschaftungs- und Milchpreiszuschlag kann es nicht liegen, denn für jeden Liter Alm-Milch gibt’s nur einen Zuschlag von sechs Cent.
Klar sind die auf der Alm aufgezogenen Rinder robuster. Auch wirkt sich die Weide positiv auf die Tiergesundheit der Kühe aus. So liegt die Zellzahl bei rund 100.000 Zellen/ml, die Nutzungsdauer beträgt im Durchschnitt fünf Jahre.
Eine Rolle spielt sicherlich die knappe Flächenverfügbarkeit im Tal. Ohne die Flächen auf der Alm könnten Schwaighofers keine 100 Kühe melken. Die Antwort auf die Frage ist vielmehr emotional. Die Alm-Wirtschaft hat in der Region eine lange Tradition, die Praxis der naturnahen Wirtschaftsweise wurde über Generationen hinweg weitergeben, das prägt! So ist es denn auch für Markus (jun.) ein völlig abwegiger Gedanke, die Alm aufzugeben.
Das hat uns besonders gefallen
- Das hohe Leistungsniveau der Fleckviehherde auf dem besonderen Standort.
- Die Leidenschaft, mit der sich die gesamte Familie um die Rinder und Kühe kümmern. Hier wird nicht nur gemolken, hier wird auch noch gezüchtet. Schon von klein auf haben insbesondere Sarah, Magdalena, und Bernadette und Markus, die vier Kinder von Susanne und Markus Schwaighofer sich als Jungzüchter engagiert und viele Schauen besucht. Auch heute noch packen die drei Mädels neben ihren Jobs kräftig mit im Stall an. Ohne diese Leidenschaft für die Kühe (welche in jeder Generation die Eltern zu vermitteln wissen), wäre allerdings die auch gar nicht möglich. „Unser System funktioniert nicht mit nur eine Generation“, weiß Markus Schwaighofer (sen).
Bildergalerie 1:
Warum haben einige Kühe Glocken?
Als wir auf der Alm aus dem Auto steigen sind keine Kühe zu sehen, dafür aber zu hören. Das Gebimmel der Kuhglocken ist unüberhörbar. Warum braucht es heutzutage noch Kuhglocken? Auf der Alm tragen nur einige wenige Kühe Glocken, klärt uns Susanne Schwaighofer auf, die Leitkühe, die gut laufen. Wenn alle Kühe eine Glocke tragen würden, wäre es zu laut; vor allem beim Melken, räumt sie ein. Aber ganz auf die Glocken verzichten möchte sie auch nicht, denn wenn die Tiere auf den steilen Hängen unterwegs sind, kann es schon mal passieren, dass sie hinter einer Kuppe oder im Dunst des Nebels nicht mehr zu sehen sind. Mit dem Glockengeläut fällt es ihr leicht(er), sie aufzuspüren. Das Geläut hat also immer noch einen praktischen Zweck.
Bildergalerie 2: