In Ostfriesland sind Imke und Anna-Lena Boerma in den Familienbetrieb eingestiegen. Mit Ruhe und Sorgfalt halten sie 146 Kühe gesund und deren Leistung hoch.
Fünf Kilometer vor der ostfriesischen Nordseeküste unweit der Stadt Norden liegt der Betrieb Boerma. Entlang der Einfahrt zum Hof entdeckt man rechts und links auf den grünen Weideflächen schon einige schwarzbunte Kühe, die unter den Bäumen Schutz vor der Sonne gefunden haben. Zwei junge Frauen und ein Mann kommen uns vom Kuhstall entgegengeschlendert.
Betriebsspiegel
146 Kühe plus 154 Nachzuchtstiere
11.833 kg Milch pro Kuh und Jahr
180 ha, davon 40 ha...
Jetzt bestellen und weiterlesen!
Elite - Das Fachmagazin für erfolgreiche Milchproduktion
Elite Print + Digital
Jahresabo
112,20 EUR
/
Jahr
6 Print-Ausgaben im Jahr versandkostenfrei
Alle Print-Ausgaben auch digital für Ihr Tablet oder Smartphone
Zugang zu sämtlichen Inhalten auf elite-magazin.de
Fünf Kilometer vor der ostfriesischen Nordseeküste unweit der Stadt Norden liegt der Betrieb Boerma. Entlang der Einfahrt zum Hof entdeckt man rechts und links auf den grünen Weideflächen schon einige schwarzbunte Kühe, die unter den Bäumen Schutz vor der Sonne gefunden haben. Zwei junge Frauen und ein Mann kommen uns vom Kuhstall entgegengeschlendert.
Betriebsspiegel
146 Kühe plus 154 Nachzuchtstiere
11.833 kg Milch pro Kuh und Jahr
180 ha, davon 40 ha Dauergrünland
3 Voll-AK
Gemeinsame Arbeit, getrennte Bereiche
„Unsere Rinder und die Trockensteher sind auf der Weide“, erklärt Imke Boerma, eine der Betriebsleiterinnen und blickt auf die Schwarzbunten. Auch die laktierenden Kühe haben 24 Stunden am Tag Zugang zur 15 ha großen Fläche, die direkt an den Kuhstall angrenzt. „An so warmen Tagen wie heute sind sie aber lieber im Stall“, sagt ihre Schwester Anna-Lena.
Tatsächlich ist die Weide mit dem erdigen Trampelpfad am Zaun entlang leer. In dem Moment trotzt eine Kuh der Hitze und tritt aus dem Stall. Imke zeigt auf sie und sagt: „Das ist Marlene, eine unserer beiden rotbunten Kühe.“ Auf dem Familienbetrieb kennen sie alle der 146 Kühe mit ihrem Namen. Denn die Kühe stehen bei Imke und Anna-Lena ganz im Fokus.
Hinter dem Futtertisch liegt der Zugang zur Weide, die von März bis September als Auslauf dient.
(Bildquelle: Thiemann)
Dass sie einen Milchkuhbetrieb führen würde, war ursprünglich nicht der Plan von Imke (33). Die Pädagogin entschied sich erst nach ihrem Studium für die Arbeit in der Milchproduktion. Eine Ausbildung zur Landwirtin half ihr dabei, die Grundlagen zu lernen. Ihre jüngere Schwester Anna-Lena (28) entschied sich direkt für eine landwirtschaftliche Ausbildung . Beide sind vor ein paar Jahren in den Betrieb eingestiegen und führen ihn zusammen mit dem Vater Johann.
Die Arbeit auf dem Betrieb teilen sie sich auf. Während Johann für den Außenbereich und Futterbau zuständig ist, kümmern sich Imke und Anna-Lena um die Tiere im Stall. Imke ist zudem für die Buchhaltung zuständig, Anna-Lena arbeitet sich gerade in die Klauenpflege ein. Dass es vielerorts an Fachpersonal mangelt, merken sie auch: Sie suchen noch einen Azubi für das aktuelle Ausbildungsjahr.
24 Stunde Weide und Voll-TMR
Den Kühen Weidegang zu bieten, macht den Boermas wenig zusätzlichen Aufwand. „Eigentlich müssen wir die Kühe gar nicht holen, die haben eine innere Uhr““, sagt Imke. „Meistens gehen sie so gegen halb vier Uhr nachmittags einmal raus und drehen eine Runde und kommen danach zum Melken wieder zurück“, ergänzt ihre Schwester Anna-Lena und lacht.
„Zu Beginn der Saison lassen wir die Kühe stundenweise raus“, erklärt Imke. Eine intensive Weide praktizieren die Boermas jedoch nicht. „Der Trend mag hingehen zur intensiven Weide. Da muss man dann auch viel Arbeit reinstecken, damit das funktioniert“, sagt Johann Boerma. Ausgefüttert werden die Kühe der Boermas daher im Stall.
Das Füttern ist auf dem Betrieb in Frauenhand, Imke und Anna-Lena wechseln sich dabei ab. Die Kühe bekommen eine TMR über die gesamte Laktation. „Die Fütterung hat sich ziemlich verändert, seitdem die beiden dabei sind“, erinnert sich Johann. „Früher hatten wir eine Kraftfutterstation und eine Ration, jetzt füttern wir alles mit dem Futtermischwagen.“
Seine Tochter ergänzt: „Früher konnten wir die Kühe an der Kraftfutterstation gut ausfüttern, einige haben richtig viel Milch gegeben. Aber mit dieser Ration sind die Kühe konstant in der Milchleistung bis zum Ende der Laktation. Die halten lange durch und sehen gut aus. Da muss man eher dann aufpassen, dass sie gegen Ende nicht zu fett werden.“ Außerdem berichtet sie, dass die Kühe viel ruhiger geworden sind uns es weniger Stress in der Herde gibt, seitdem die Kraftfutterstation den Stall verlassen hat.
Mit der Voll-TMR sind die Kühe während der Laktation konstant in der Leistung
Imke Boerma
Den Futterbau macht Johann selbst. „Wir haben einiges zugepachtet, weil es im letzten Jahr etwas knapp wurde mit dem Futter“ sagt Johann. „Wir konnten zwar etwas zukaufen, aber da stimmte die Qualität nicht immer“, ergänzt Imke. Die Ration ist mittlerweile standortbedingt sehr graslastig.
Wenige, aber effiziente Veränderungen
Seitdem die Töchter auf den Betrieb mit eingestiegen sind, hat sich nicht nur die Fütterung verändert. Sie haben an einigen Schrauben gedreht und die Abläufe optimiert. Das größte Projekt war wohl im Jahr 2019 der Anbau an den alten Kuhstall, in dem nun das neue Melkhaus mit Vorwartehof und Selektion sowie ein Abkalbebereich untergebracht sind.
„Wenn wir jetzt bauen würden, wären für uns sicherlich auch Melkroboter interessant“ überlegt Imke und schaut auf den Melkstand, der sauber und verlassen unter einem hellen Glasdach liegt. „Damit wären wir hier auf dem Betrieb noch etwas flexibler.“ Damals war die Dichte der Roboter in Ostfriesland noch nicht so hoch und niemand konnte ihnen für das Altgebäude mit den Anbauten ein richtig gutes Konzept vorschlagen.
Doch auch mit dem 2x12er Side-by-Side-Melkstand sind sie zufrieden. Denn damit konnten sie die Melkzeit von 2,5 Stunden auf 1,5 Stunden reduzieren. Zudem ist das neue Melkhaus heller und luftiger als der alte Melkstand, sodass das Melken allen mehr Spaß macht.
Der neue Melkstand gefällt nicht nur den Boermas, auch die Kühe haben sich schnell daran gewöhnt.
(Bildquelle: Thiemann)
Auch den Kühen scheint der neue Melkstand zu gefallen. Das Anlernen an den neuen Melkstand verlief innerhalb einer Melkzeit und so unkompliziert, dass selbst der Melkstandtechniker überrascht war. „Einige Kühe haben gelernt, an der Schnur für das Lockfutter zu ziehen. Auf einer Seite haben wir die Schnur schon höher gehängt. Aber die großen Kühe ziehen manchmal auch noch daran, wenn sie rauslaufen, zum Beispiel Hanne“, sagt Anna-Lena und lächelt.
Kuhkontrolle per Smartphone
Im Ausgangsbereich neben dem Melkstand öffnet Anna-Lena eine große Schiebetür auf der linken Seite. Dahinter liegt der großzügige Abkalbe- und Krankenbereich mit seinen vier separate Strohboxen. „Früher waren diese Kühe ganz am anderen Ende vom Stall“, erinnert sie sich. „Wenn man da eine lahme Kuh zum Melken bringen musste, war das nicht schön, sie auf wackeligen Beinen erst durch die ganze Herde zu leiten.“ Mit der an den Melkstand angegliederten Krankenbox, die direkt neben dem Melkstand hinter den Schiebetoren liegt, kann nun auch eine Person eine Kuh bewegen.
Ein weiterer Pluspunkt im Abkalbestall sind die Kameras, die an der Decke installiert sind. „Darüber können wir die kalbenden Kühe einfach per Handy überwachen“ sagt Imke und zückt ihr Smartphone. „Das ist viel entspannter als nachts aufzustehen und ständig hier rüberzufahren.“ Sie wohnt mit ihrem Mann rund fünf Minuten Fahrradfahrzeit entfernt.
Die vier Strohboxen für Abkalber und kranke Kühe liegen unmittelbar neben dem Melkstand.
(Bildquelle: Thiemann)
Über eine App kann sie die kalbenden Tiere jederzeit einsehen. Während sie mit dem Finger auf das Display tippt, beginnt oben an der Decke die Kamera, sich zu positionieren. Dieses Tool sowie eine App für die Stromschaltung bei den Weidezäunen hat Imkes Mann installiert, der als IT-Fachkraft arbeitet.
Zusätzliche Entspannung bringt auch ein automatischer Futteranschieber. „Früher haben wir alles mit einem Reifen am Hoftruck angeschoben“, erklärt Imke. „Aber den Hoftruck braucht man eigentlich ständig für etwas anderes“. Jetzt schiebt der Anschieber über den ganzen Tag das Futter an, auch nachts. „Das ist der entscheidende Vorteil“, weiß Johann. „Tagsüber kannst du immer selbst anschieben, aber nachts ist jetzt auch immer Futter da.“
„Mit dem Futterschieber haben die Kühe auch nachts immer etwas zu fressen
Johann Boerma über die Vorteile des neues Futteranschiebers auf dem Betrieb
Gesunde Kühe sind gute Kühe
„Uns ist die Gesundheit der Kühe sehr wichtig“, erklärt Imke, während sie durch den alten Teil des Kuhstalls läuft. „Bis 2019 war dies noch der Rinderlaufstall“, erklärt sie. „Hier haben wir auch noch ein Sammelsurium an Liegeboxen.“ Sie zeigt auf die Hoch- und Tiefboxen, in denen viele schwarzbunte Kühe liegen und neugierig herüberschauen.
Die Trockensteher sind außerhalb der Weidesaison in großzügigen Strohboxen im ehemaligen Kornlager untergebracht. Dort warten sie in festen Gruppen auf die Kalbung. „Das ist echt schön und funktioniert gut, Trockensteher auf Stroh. Das würde ich nicht wieder anders machen“, sagt Imke.
„Trockensteher auf Stroh funktionieren gut, das würde ich nie wieder anders machen“
Imke Boerma
„Wir stellen unsere Kühe seit vierJahren selektiv trocken“, erklärt sie. Alles, was unter 20 kg melkt und acht Wochen vor der Kalbung steht, wird trockengestellt. Antibiotika setzen sie nur ein, wenn die Zellzahlen über 100.000 liegen oder die Kuh in der Laktation eine Euterentzündung hatte. „Warum einer gesunden Kuh Antibiotika geben? Das kostet ja schließlich auch Geld“, erklärt Imke. Außerdem sollen keine Resistenzen entstehen.
Eigene Stärken und Schwächen kennen
Füttern, melken, versorgen… ihre Kühe haben die beiden Schwestern gut im Blick. Dennoch wissen sie auch, an welchen Stellen sie noch Unterstützung anfordern müssen. „Wir machen das, was wir gut können“, sagt Anna-Lena. „Für alles andere setzen wir auf Hilfe von Fachpersonal.“
So kommt z.B. für die Rationsberechnung ein Fütterungsberater und trägt die Ration in ein Programm ein, das von den beiden Frauen per App abgerufen werden kann. Damit müssen sie sich beim Füttern keine Gedanken über die Ration machen. Bei den Besamungen setzen sie auf die Unterstützung eines Besamungstechnikers, für die Anpaarung und Bullenauswahl auf Hilfe bei ihrem Zuchtverein.
„Wir machen das, was wir gut können. Für alles andere setzen wir auf Hilfe von Fachpersonal.
Anna-Lena Boerma
Die Anpaarungsberatung machen die Mitarbeiter vom VOST. „Die können das eh viel besser als wir. Die Mitarbeiter brauchen sich eine Kuh nur drei Sekunden anzuschauen und wissen schon, welcher Bulle dazu passt“, sagt Anna-Lena. Die Vorschläge für die Bullen schaut sich das Trio dann trotzdem an.
„Auf Milchmenge achten wir bei der Bullenauswahl nicht mehr, das sitzt in der Herde drin“, sagt Imke. Der Großvater hatte die Herde in den vergangenen Jahrzehnten züchterisch so vorangebracht, dass der Herdenschnitt schon seit 20 Jahren bei über 11.000 kg Milch pro Kuh/Jahr liegt. „Wichtiger ist für uns eine gute Melkbarkeit, gerade bei unserem Melkstand. Wenn eine Kuh langsam melkt, hält sie den ganzen Laden auf“, ergänzt Johann. „Auch das Melkverhalten ist wichtig, damit wir keine tretenden Kühe im Melkstand haben“
Dass die Herde noch weiter wächst, das schließt Imke Boerma aus. „Wir wollen nicht weiter wachsen. Wir haben jetzt eine Größe erreicht, bei der wir die Aufgaben gut verteilt bekommen“, sagt sie. Jetzt wollen sie daran arbeiten, die langfristig gesund und leistungsstark zu haten.