Viele hellbraune Kühe stecken neugierig ihre Nase durch das Fressgitter, während wir über den Futtertisch laufen – typisch Jersey eben. Das morgendliche Melken und Füttern ist erledigt, außer uns ist niemand im Stall. Die 240-Kopf große Herde wirkt ruhig und kaum Hitze-gestresst, obwohl wir den Betrieb bei guten 30°C Außentemperatur besuchen. Bisher gibt es nur zwei kleine Ventilatoren am Strohstall, aber ein leichter Luftzug sorgt für ein angenehmes Klima im großen Boxenlaufstall. „Wir wollen zukünftig mehr Ventilatoren einbauen, aber durch die vielen offenen Wände ist es auch so in Ordnung. Und Jerseys haben sowieso nicht so schnell Hitzestress“, erklärt uns Michael Leurs.
Er und sein Vater Arno Leurs bewirtschaften den Milchkuhbetrieb in Kerken (Niederrhein) seit 2013 gemeinsam als GbR. Hier melken sie derzeit rund 240 Jerseykühe zweimal täglich im Doppel-15er Side-by-Side-Melkstand. Die Aufzucht sowie der Futterbau sind größtenteils ausgelagert. Neben der Familie gehören zwei Festangestellte, ein Auszubildender und eine 450 Euro-Kraft zum Team.
35.500 kg Abgangsleistung
„Unser Ziel ist eine durchschnittliche Laktationsleistung von 8.000 kg Milch“, sind sich Vater und Sohn einig. Dass dieses ambitionierte Ziel mit ihrer Herde nicht gerade unrealistisch ist, zeigen die aktuellen Leistungskennzahlen. „Vor der letzten Aufstockung lagen wir bei 7.600 kg Milch im Durchschnitt, aktuell sind es rund 7.000 kg Milch mit 5,60 % Fett und 4,20 % Eiweiß“, sagt Michael Leurs. Hinzu kommt, dass ihre Jerseys nicht nur fleißig sind, sondern auch alt werden. Die Remontierungsrate liegt bei 20 %, die durchschnittliche Abgangsleistung bei 35.500 kg Milch (umgerechnet nach ECM sind es anhand der hohen Inhaltsstoffe etwa 46.000 kg Milch). „Dänemark, das Jersey-Land, liegt im Mittel bei 7.400 kg Milch, einige Betriebe erreichen dort sogar 9.000 kg Milch mit Jerseys. Das ist schon machbar“, ist sich Michael Leurs sicher.
Unsere ältesten Kühe erreichen Lebensleistungen von 10.000 kg Fett und Eiweiß.
Michael Leurs
Betriebsspiegel
| 240 Kühe
| 7.000 kg Milch mit 5,60 % Fett und 4,20 % Eiweiß
| 35.500 kg Milch Abgangsleistung (rund 46.000 kg nach ECM)
| rund 65 Hektar Futterbau (45 ha Mais, davon 25 ha Zwischenfrucht Feldgras, 20 ha Grünland)
| ausgelagerte Jungrinder-Aufzucht in Brandenburg
| 4 Ak plus Azubi
In 30 Jahren von 20 auf 240 Jerseys
Während Jerseykühe in Deutschland gerade „voll im Trend sind“, gab es bei Familie Leurs noch nie andere Kühe. Nachdem sein Vater die Milchkuhhaltung aufgegeben hatte, hat Arno Leurs 1992 mit 20 Jerseys wieder angefangen, Milch zu produzieren. Weil noch Anteile an einer Milchquote zum Betrieb gehörten, die Arno Leurs nutzen wollte, hatte er geplant, für ein Jahr Milch mit einem möglichsten hohen Fettgehalt zu produzieren. Deshalb fiel die Wahl auf Jerseys. Bei nur einem Jahr blieb es aber doch nicht. Obwohl mit Einführung der Milchquote ein hoher Fettgehalt eher von Nachteil war und Molkereien die Inhaltsstoffe erst seit 2012 honorieren, ist Arno Leurs den kleinen braunen Kühen treu geblieben und hat die Herde nach und nach vergrößert.
Nach jedem Wachstumsschritt folgte ein gewisser Stillstand, um alle Bereiche zu optimieren.
Arno Leurs
1998 wurde ein neuer Kuhstall für 75 Kühe und 100 Stück Jungvieh gebaut, 2014 erfolgten die Aufstockung auf 160 Kühe sowie die Auslagerung der Aufzucht in Altgebäude. Mit einer Stallverlängerung konnten sie die Herde im letzten Jahr dann noch einmal um 80 Kühe auf die heutige Größe erweitern. „Die Emissionen und die Fläche begrenzen uns. Wir haben an unserem Standort jetzt alles gemacht, was möglich ist. Auf maximal 270 Kühe können wir in diesem Stall noch gehen, dafür muss aber die Gülle- und Futtersituation passen. Diese Betriebsgröße sehen wir als Optimum für einen gut organisierten und ausgelasteten Familienbetrieb“, erklärt Hofnachfolger Michael Leurs, der 2010 mit in den Betrieb eingestiegen und seit 2013 GbR-Partner ist.
Jerseys sind heute klar im Vorteil
Weil die Rasse Jersey schon seit 30 Jahren zu Familie Leurs gehört, könnten sie sich auch heute keine anderen Kühe vorstellen. Zumal die Vorteile der Jerseys jetzt noch deutlich stärker hervorstechen als vor einigen Jahren. „Jerseykühe haben eine vergleichsweise sehr gute Futtereffizienz. Und sie erlauben uns hinsichtlich Flächenkapazität und Emissionen eine größere Kuhzahl als es mit Holsteins möglich wäre. Zuletzt ist auch die Bezahlung der Inhaltsstoffe je nach Molkerei ein wichtiges Argument, das für die Rasse spricht“, erklärt Milcherzeuger Michael Leurs. Seit 2013 liefern sie die Milch zur Molkerei Arla und liegen derzeit bei einem Milchauszahlungspreis von über 70 Cent. Mit einem CO2-Äquivalent von 0,9 kg erreichen sie schon jetzt das Nachhaltigkeits-Ziel von Arla. Ein Teil der Milch wird seit 2015 zudem über eine eigene Milchtankstelle vermarktet.
Ich würde nicht einfach auf Holstein umstellen, wenn die Bezahlung der Inhaltsstoffe schlechter werden würde.
Michael Leurs
Dass heute immer mehr Milchkuhhalter auf Jerseys umstellen (möchten), kann Michael Leurs einerseits nachvollziehen, andererseits würde er es nicht pauschal jedem empfehlen. „Ich denke, dass Betriebe, die sehr gut mit Holsteins fahren, nicht auf Jerseys wechseln werden. Wer neu mit Jerseys anfängt, sollte eine Strategie verfolgen und nicht vorschnell handeln. Es muss zum Betrieb passen. Mit Jerseys ist nicht alles einfacher, vor allem die jungen Kälber sind sehr anspruchsvoll, weil sie nicht viel zuzusetzen haben und bei Erkrankungen entsprechend schnell sehr geschwächt sind.“ Eine gute Möglichkeit sieht er darin, die kleinen Kühe in alten Stallungen zu nutzen, die großen Holsteinkühen nicht mehr gerecht werden.
Professionelle Jersey-Aufzucht in Brandenburg
Weil die Aufzucht an ihrem Standort so teuer ist, hatten sie diese mit der Zeit drastisch reduziert. In 2018 hat es sich dann ergeben, mit einem bekannten Milcherzeuger zu kooperieren, der in Brandenburg 450 Jerseys melkt und viel Aufzuchtkapazität hat. „Bisher läuft das super. Die Jungrinder werden Jersey-gerecht aufgezogen und rechtzeitig besamt, was bei der Rasse besonders wichtig ist. Jungrinder, die nicht per Besamung tragend werden, kommen zu einem Jersey-Deckbullen“, erzählt Michael Leurs.
Im Alter von sechs Monaten werden alle weiblichen Kälber nach Brandenburg verkauft und ca. zwei Monate vor der ersten Kalbung zurückgekauft. Das Erstkalbealter liegt im Durchschnitt bei 25 Monaten. Die Transporte organisieren sie selbst, sodass immer nur ihre eigenen Tiere zusammengefahren werden. Tiere, die sie selbst nicht zur Remontierung benötigen, werden in der Regel direkt von Brandenburg aus verkauft. Dank des „Jersey-Trends“ ist die Nachfrage groß, vor allem wenn leistungsstarke Linien davorstehen.
35 % gesextes Sperma bei Kühen
Durch diese Aufzucht-Variante besamt Michael Leurs derzeit rund 35 % der Kühe mit gesextem Sperma. Welche Kühe das sind, entscheidet er vor allem nach Milchleistung und Brunstintensität. „Die Selektion der Nachzucht beginnt für uns mit der Besamung. Mit dem Einsatz von gesextem Sperma möchten wir weibliche Nachzucht unserer besten Kühe erzeugen. Alle anderen Kühe werden mit Weißblauen-Belgier-Bullen besamt, um Jersey-Bullenkälber möglichst zu vermeiden. Wir haben bisher kaum Probleme bei den Abkalbungen, aber die Kühe mit Kreuzungskälber benötigen um die Kalbung herum besondere Aufmerksamkeit“, sagt Michael Leurs.
Kühe mit überdurchschnittlich guter Milchleistung und intensiver Brunst werden gesext besamt.
Michael Leurs
Ziel ist, dass alle Kühe 40 Tage trockenstehen. Ab dem 60. Laktationstag werden sie wieder besamt. Bei Kühen, die dann noch deutlich über 30 kg Milch geben, wartet Michael Leurs länger mit der ersten Besamung. „Ich gebe Kühen, die schlecht tragend werden, sehr viele Chancen. Die Schlachtkuherlöse sind ohnehin nicht gut, dann kann ich die Kuh lieber länger halten.“ Die Brunsterkennung erfolgt über eine Aktivitätsmessung per Halsband.
Wir wollen keine braune Kuh, die Holstein-Milch gibt.
Michael Leurs
Bei der Bullenauswahl achten Arno und Michael Leurs vor allem auf Inhaltsstoffe und Euterqualität und setzen sowohl genomische als auch töchtergeprüfte Bullen ein. „Bei Kühen mit tendenziell niedrigen Inhaltsstoffen setzen wir gerne dänische Bullen ein, bei Kühen mit hohen Inhaltsstoffen nutzen wir vermehrt amerikanische Bullen. Es ist allerdings nicht so einfach, die Bullen nach einem Standard miteinander zu vergleichen.“ Gute Inhaltsstoffe sind ihnen nicht nur wegen der Milchvermarktung wichtig, sondern auch im Hinblick auf die Nutzungsdauer. „Wir beobachten, dass Kühe mit hohen Inhaltsstoffen älter werden als Kühe mit viel „dünner“ Milch.“ Die häufigsten Abgangsursachen sieht Michael Leurs in der Melkbarkeit, Klauengesundheit und dem Alter der Kühe.
Zweimal täglich füttern zahlt sich aus
Einen wichtigen Erfolgsfaktor für die Leistung und Tiergesundheit sieht Junglandwirt Michael Leurs in der Fütterung: „Wir füttern zweimal täglich und kalkulieren mit nahezu 0 % Futterrest. Die Ration besteht aus etwa ¾ Mais und ¼ Gras. Die Futteraufnahme liegt bei gut 17 kg Trockenmasse pro Kuh und Tag.“ Die Kühe sind in eine niederleistende und eine hochleistende Gruppe mit jeweiliger Ration unterteilt und wechseln in etwa am 180. Laktationstag. Trockenstehende Kühe bekommen in den ersten zehn Tagen nach dem Trockenstellen nur Heu und werden ab dann zweiphasig mit Mais, Stroh und Raps versorgt. „Milchfieber ist bei Jerseys oft ein Problem. Mit einer Anfütterungsration ohne Gras fahren wir aktuell sehr gut. Für Grünland-starke Betriebe ist das natürlich schwieriger.“
Der Anschiebe-Roboter liefert rund 100 Liter mehr Milch pro Tag.
Michael Leurs
Ab dem nächsten Jahr werden Leurs´ Kühe automatisch gefüttert, die Futterhalle ist bereits im Bau. „Ich sehe uns als maximal ausgelasteter Familienbetrieb. Vor allem das zweimalige Füttern kostet viel Zeit. Deshalb fiel die Entscheidung, auf ein automatisches Fütterungssystem zu wechseln“, erklärt Michael Leurs. Allein durch den Anschiebe-Roboter hat er gemerkt, wie wichtig frisches Futter und ständiges Vorlegen sind. Ein automatisches Melksystem kann sich Michael Leurs hingegen nicht vorstellen. „Ich bin kein Freund von Melkrobotern. Ich stehe gerne früh auf und möchte abends Feierabend haben.“
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Stall:
| Niedrige Remontierungsrate
| Hohe Futteraufnahme
| Leichte Abkalbungen
Veränderungen, die zuletzt Erfolg gebracht haben:
| Gezielter besamen und selektieren, um die bestmögliche Nachzucht zu melken.
| Zweimal täglich füttern, um die Futteraufnahme zu steigern und Futterreste zu minimieren.
„Die Zukunft liegt bei ihm“
„Die Entscheidungen liegen ganz klar bei Michael. Ich bin seit 35 Jahren im Betrieb und habe viele Entscheidungen getroffen, das reicht mir“, sagt Arno Leurs und lächelt zufrieden. Generationskonflikte scheint es zwischen Junior und Senior Leurs kaum zu geben, das merken wir beim gemeinsamen Gespräch. Beide leben für ihre Jerseys und sind ambitioniert, Entscheidungen kann aber nur einer treffen. Neben dem eigenen Betrieb ist Arno Leurs aktiv im VDJ (
Verband Deutscher Jerseyzüchter), wo er derzeit das Amt des Vorsitzenden einnimmt.
Er hat Erfolg in seiner Arbeit, das macht Spaß und erleichtert das Abgeben.
Arno Leurs
„Ich möchte noch viele kleinere Sachen optimieren und verändern wie zum Beispiel die automatische Fütterung, eine intensivere Klauenpflege oder das Einrichten einer Frischmelker- und einer Färsengruppe“, sagt Michael Leurs. Auch der Strohstall soll renoviert werden. Alles soll dazu verhelfen, die Leistung, die Tiergesundheit und die Nutzungsdauer der Herde stetig zu verbessern.
Eine Herausforderung sieht er in der Trockenheit: „Derzeit beregnen wir unseren Mais, weil wir viel Zweitfruchtmais anbauen. Aber wie lange das noch möglich ist und sich rechnet, kann man jetzt nicht sagen.“ Die Flächen-Konkurrenz ist enorm, das Futter könnte also knapp werden. Eine Chance sieht er dagegen darin, dass die Milchproduktion rückläufig ist und alle Milcherzeuger weltweit mit hohen Kosten zu kämpfen haben. Das könnte das Angebot an Milch begrenzen und somit für stabile Preise sorgen. Zuletzt sieht er sich mit den kleinen, sehr futtereffizienten Kühen auch in Bezug auf die Klimabilanz auf der sicheren Seite.
Das hat uns besonders beeindruckt:
- Die hohe Leistung mit bei konstant hohen Inhaltsstoffen und langer Nutzungsdauer.
- Die angenehme Stimmung zwischen Vater und Sohn – an einem Strang ziehen und trotzdem „machen lassen“.
- Die wirtschaftliche Betrachtung aller Bereiche (Zahlen kennen) und die Einstellung zur Arbeitszeit im Familienbetrieb (“auch mal Feierabend haben“).