Dreizehn 100.000 kg-Kühe und eine Lebensleistung von 68.742 kg – auf dem Betrieb Kleemann finden sich so viele lebensleistungsstarke Kühe wie sonst kaum irgendwo.
„Zugegeben, dieses Jahr ist ein Bomben-Jahr“, freut sich Mimke Kleemann, „es laufen nicht immer so viele alte Kühe in der Herde, aber acht Hunderttausender sind es eigentlich immer.“ Was uns im Gespräch mit Eimo, Mimke und Mena Kleemann im ostfriesischen Burhafe sofort auffällt, ist die enorme Begeisterung für ihre Milchkühe. Diese haben sie von ihren Eltern vererbt bekommen.
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„Zugegeben, dieses Jahr ist ein Bomben-Jahr“, freut sich Mimke Kleemann, „es laufen nicht immer so viele alte Kühe in der Herde, aber acht Hunderttausender sind es eigentlich immer.“ Was uns im Gespräch mit Eimo, Mimke und Mena Kleemann im ostfriesischen Burhafe sofort auffällt, ist die enorme Begeisterung für ihre Milchkühe. Diese haben sie von ihren Eltern vererbt bekommen.
Hillrich setzte gemeinsam mit seinem Bruder voll auf die Milchproduktion. Gemeinsam haben die beiden 100 Kühe in Anbindung gemolken. 1990 musste Hillrich Kleemann dann aber den elterlichen Betrieb verlassen, mit 45 Kühen siedelte er sich in Burhafe an, errichtete 1993 den ersten Boxenlaufstall und erweiterte diesen 2004 nochmals auf 110 Kuhplätze. 2007 wurde in einen Jungviehstall investiert, 2011 in einen Stall für die Trockensteher. 2019 wurde dann der Kuhstall um 120 weitere Plätze ergänzt, so dass jetzt 180 Kuhplätze für melkende Kühe vorhanden sind.
- 160 Kühe
- 12.128 kg
- 160 Hektar
- 4 Voll-Ak (nur Familienmitglieder)
Familie Kleemann (von links); Mimke, Mena, Mutter Sandine und Heimo Kleemann.
(Bildquelle: Veauthier)
Aktuell werden aber erst 165 Kühe gemolken, denn die Aufstockung erfolgt langsam, ausschließlich aus eigener Nachzucht. „Wir behalten nur die besten Färsen“, erläutert Mimke. 100 Färsen werden denn auch jedes Jahr auf der Auktion in Leer und rund 35 Deckbullen ab Hof vermarktet. Das gelingt, da die Kleemanns auf gesextes Sperma setzen. Alle Rinder sowie 50 % der Kühe werden zur ersten Besamung gesext besamt.
Das Geheimnis der hohen Lebensleistungen
Der Herdendurchschnitt beträgt aktuell 12.128 kg Milch! Vor dem Hintergrund der ganztägigen Weidehaltung erscheint uns das Leistungsniveau noch beeindruckender. Hinzu kommt, dass noch 13 Hunderttonner (100.000 kg Kühe) und 40 Kühe mit über 80.000 kg in der Herde laufen. Das Geheimnis hoher Lebensleistungen beruht vor allem der ungewöhnlichen Zuchtphilosophie der Kleemanns: Es werden gerne alte bewährte Bullen eingesetzt, deren Zuchtwerte oft ein dickes Minus aufweisen. Bei Färsen wird darauf geachtet, dass sie nicht zu schnell starten, sondern dass sie von Laktation zu Laktation zulegen.
Wichtig ist, dass die Kühe körperliche Reserven haben. Mit Weide können wir nicht alles ausfüttern.
Mimke Kleemann
„Wir wollen Kühe, die Körper mitbringen, Rippe und Tiefe, keine großen Kühe, mit langen Beinen und wenig Bauch. Diese werden nicht alt, so Eimo Kleemann, „derart magere Kühe passen einfach nicht in unser System.“ Als ideal sehen es die Geschwister an, wenn die jungen Kühe mit 9.000 kg Milch die ersten Laktation absolvieren und dann nachfolgend ihre Leistung steigern, auf bis zu 14.000 kg in der vierten Laktation.
Bei der Anpaarung wird besonders auf Körper, Exterieur insgesamt und Kuhfamilien geachtet. Auch Fruchtbarkeit ist ein wichtiger Parameter. Für die Anpaarung wird mittlerweile auch das Triple-A-System genutzt. „Wir züchten nicht auf Färsen, die 40 oder 45 Liter geben, wenn die 35 Liter melken ist das voll in Ordnung. Die Jungkühe, die ganz viel Milch geben, verkaufen wir meistens. Wichtig ist uns eine hohe Persistenz, Färsen die mit 35 Liter anfangen und mit 30 Liter am Ende ihrer ersten Laktation aufhören. Solche Tiere sind meist nicht über dem Limit“ ergänzt Mimke, der jüngere der beiden Brüder.
„Die 11.000 kg-Färse wird oft nicht die 14.000 kg Kuh.“
Mimke Kleemann
Auf die genomische Typisierung legen sie keinen Wert. „Gute, alte 100.000 Liter-Kühe sind nach Zuchtwerten fast immer uninteressant, auch in punkto Zuchtwert Nutzungsdauer“ wundert sich Mena Kleemann, die jüngste der Geschwister. „Das System rechnet solche Kühe einfach schlecht … warum auch immer. Wenn eine Kuhfamilie aber über drei Generationen 100.000 Liter schafft, kann das, was wir machen, ja nicht so verkehrt sein, auch wenn die Zuchtwerte schlecht sind“, ist ihr Bruder Mimke überzeugt.
Zwei Kuhfamilien und viele alt bewährte Vererber prägen die Herde in Burhafe. Zum Teil spülen Kleemanns ihre alten Kühe mit alten Bullen, die sich gut bewährt haben. Jungrinder werden als Trägertiere genutzt. Sie sollen sich erst beweisen, bevor sie zur Remontierung genutzt werden.
Jede Kuh hat eine beeindruckende Familiengeschichte. Gefragt sind Kühe, die Körper mitbringen, Rippe und Tiefe - keine großen Kühe, mit langen Beinen und wenig Bauch.
(Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)
Das hat uns besonders beeindruckt:
In erster Linie natürlich die besondere Zuchtphilosophie, die vielen alten Kühe und die hohe Lebendtagsleistung. Aber auch die Nähe der Herdenmanager zu ihren Tieren. Der Blick für jede einzelne Kuh, jedes Rind, jedes Kalb. Nichts entgeht den Augen der drei Geschwister. Zu jeder Kuh gibt’s mindestens eine Geschichte zu erzählen. Tritt einmal ein Problem auf, dann wird ein Tier sofort „vorgemerkt“, damit nicht noch einmal solch ein Malheur passiert.
Beeindruckend ist aber auch, mit wie wenig Schnickschnack bzw. Technik der Betrieb auskommt. Gefüttert wird mit einem Blockverteilwagen, Kraftfutter (max. 12 kg im Winter) wird über die Abrufstation angeboten. Auf eine Aktivitätsmessung wird verzichtet.
Andere gleichen Fehler in der Grundfutterqualität mit dem Mischwagen aus.
Mimke Kleemann
Was sind die Erfolgsfaktoren im Kuhstall?
Auf diese Frage gibt’s laut Mimke keine einfache Antwort: „Letztlich spielt doch immer alles zusammen“, erklärt er, „eine intensive Betreuung rund um die Abkalbung, die Tiefboxen im Stall, dass sich sofort um eine auffällige Kuh gekümmert wird - auch an Weihnachten oder Ostern oder während des Silierens.“ Und sonst?
Den optimalen Belegungszeitpunkt für jede Kuh finden (manche brauchen einfach etwas mehr Zeit, die Besamung erfolgt in Abhängigkeit der Körperkondition).
Bestes Grundfutter produzieren sowie ein top-Weidemanagement. 50 ha Weideflächen stehen rund um den Stall zur Verfügung, Die gesamte Kuhherde ist in der Zeit des Graswachstums Tag und Nacht draußen (nachts können die Kühe aber in den Stall). Die Herausforderung ist, den Kühen immer frisches Gras anzubieten. „Wir können die Kühe nicht einfach drei Mal in die gleiche Koppel lassen“ erklärt Eimo. „Unsere Kühe werden schnell unzufrieden, wenn es ihnen auf der Weide nicht passt.“ Die Graszuteilung erfolgt nach „Gefühl“. So bleibt die Herde bei schlechtem Wetter denn auch schon mal länger im Stall, ebenso bei großer Hitze. Im Stall wurde kürzlich eine Beregnungsanlage installiert, seitdem haben sich die Frühaborte verringert. vielleicht kommt nächstes Jahr noch eine Lüftung hinzu.
Die Weide muss regelmäßig ausgemäht und abgefahren, das Gras nicht nur gemulcht und liegengelassen werden. Denn wenn das tote Gras am Boden liegen bleibt, dann fressen die Kühe das neue Gras auch nicht mehr. Auch darf das Gras nicht zu lange in den Winter gehen. … Sicher trägt der Kleyboden und das schmackhafte Gras auch dazu.
Rinder auf Mortellaro untersuchen, behandeln, auch bei den Kühen dran bleiben (schnell kümmern). Nicht einige Tage abwarten, bis ein Verband angelegt wird. Je schneller mit der Behandlung begonnen wird, desto besser die Heilung. Deshalb hängt Klauenstand hinter dem Melkstand an der Decke, der kann schnell abgelassen werden und los geht’s, notfalls auch nach dem Abendmelken. Eine humpelnde Kuh wird immer noch am gleichen Tag behandelt. Allerdings ist das auch möglich, da immer mindestens drei Familienmitglieder im Kuhstall sind.
Überbelegung vermeiden, Kühe dürfen sich nicht im Weg stehen, dann fühlen sie sich nicht wohl, junge Tiere laufen dann nicht mehr so häufig zum Futter oder zur Tränke.
Nach dem Trockenstellen bleiben die Kühe erstmal ein paar Tage im Stall, damit die Euter überprüft werden können.
Die neugeborenen Kälber bleiben einen halben Tag bei der Mutter, erfahrungsgemäß sind die Kühe dann einfach zufriedener. So beginnen die Kühe auch früher zu fressen. Jeder Kuh wird in der Abkalbebox deshalb auch sofort ein Trunk und Futter angeboten.
Warum melkt ihr weiter?
Aus Leidenschaft, wir sind mit viel Herzblut dabei!
Weil wir gut finden, was wir machen!
Weil Milchproduktion nachhaltig ist!
Ausblick: Demnächst mit AMS?
Wie gehts weiter? Um drei bzw. vier Familien zu ernähren ist die Kuhherde zu klein. Klar ist, dass Mena, nach Abschluss ihrer Meisterausbildung sich wohl anderwärtig wird orientieren müssen. Diesen Schritt haben auch schon zwei ältere Brüder getan, sie bewirtschaften je einen Milchkuhbetrieb („die haben das wohl gut am laufen“).
In der Diskussion ist die Anschaffung zweier Melkroboter, im neuen Stall sind 120 Kuhplätze vorhanden, das würde genau passen. 60 weitere Kühe müssten dann weiter im Melkstand gemolken werden, aber das wäre schon mal deutlich weniger Arbeit. Auch die Kühe würden vom automatischen Melken profitieren, glaubt Mena Kleemann, da bei den hohen Leistungen drei Melkungen sicherlich gut tun. Zudem sei es sehr schwierig gute Mitarbeiter zu finden, die den eigenen hohen Ansprüchen genügen, ergänzt ihr Bruder Mimke. „Bei den Melkrobotern weiß man, was man hat.“
Der Betrieb Kleemann ist auch das Zuhause der diesjährigen Miss Ostfriesland Manita (EX92, v. Godewind) – die erste rotbunte Siegerin der Excellent-Schau des Vereins Ostfriesischer Stammviehzüchter (VOST). In diesem Video finden Sie eine kleine „Homestory“ von Manita: