Futterknappheit, steigende Auflagen und niedrige Milchpreise machen eine kostendeckende Milchproduktion schwer. 16 Punkte, in denen Berater in der Praxis noch Optimierungspotenzial sehen.
Vorab: Es ist aufwendig geworden, die Produktionskosten für Milch weiter zu senken. Wer heute einen Cent „herausholen“ möchte, muss hartnäckig an vielen kleinen Stellen gleichzeitig arbeiten. Bedingt durch die in den letzten Jahren so rasch gestiegenen Kosten, u. a. für Grundfutter, Umweltschutz und Arbeitserledigung, mussten Milcherzeuger bereits intensiv optimieren, um annähernd etwas verdienen zu können.
Wir haben vier Unternehmens- und Produktionsberater befragt, an welchen Stellen sie noch Reserven für Milchleistung- und Erlössteigerung sowie Kostensenkung sehen. Sie nannten 16 Bereiche, in denen es sich für viele Betriebe lohnen dürfte, diese wiederholt gezielt hinsichtlich Optimierung unter die Lupe zu nehmen. Das erfordert zunächst Zeit, die knapp ist. Viele der Veränderungen schaffen, wenn sie etabliert sind, jedoch oft auch neue Zeitkapazität.
(Bildquelle: Elite)
Es sind alltägliche Herausforderungen
1. Zuteilung Kraftfutter: 1x im Monat (nach Milchleistungsprüfung) oder besser alle 14 Tage (anhand Milchmengenmessung bzw. Tankmilchmenge + Kälbermilch), sollte die Kraftfuttergabe über die Station bzw. den Melkplatz an das Leistungsniveau der Kuh/Kühe angepasst werden. Hier sind Milcherzeuger nicht immer konsequent genug.
2. Optimale Rationsvorlage: Bei der Mischqualität für Gleichmäßigkeit (Nährstoffe, Mischung) und Stabilität (nicht selektierbar, keine Nacherwärmung im Trog) zu sorgen und min. 5% Restfutter (Reste lieber an die Rinder!) auszuräumen, lohnt sich. Hieran sollten Milchkuhhalter konstant arbeiten, denn Nachlässigkeit (tägliche Schwankungen und insb. knappe Trockenmassevorlage) kann an diesen Stellen leicht einige Kilogramm Milch pro Kuh und Tag kosten.
Kein Schnickschnack
3. Einfache Rationen: Betriebe mit geringen Futterkosten und(!) gesunden, leistungsstarken Kühen zeigen, dass neben gutem Grundfutter wenige hochwertige Einzelkomponenten (Getreide, Körnermais, Pressschnitzel, Raps- und Sojaschrot, ggf. geschützt) genügen. Regelmäßige Futteranalysen, Berechnungen und Anpassungen der Ration an die aktuelle Leistung (mind. 1x Monat) beugen Unter- wie Überversorgung vor.
4. Mineralfutter: Mineralien und Spurenelemente in der Gesamtration (Futteranalyse) zu berücksichtigen und ein passend reduziertes Mineralfutter zu füttern, kann dessen Kosten sinnvoll senken.
5. Spezialfuttermittel: Prüfen Sie die Sinnhaftigkeit von vermeintlich wichtigen, teuren Komponenten. Spezialfutter sollten nur zeitlich begrenzt nötig sein, z.B. um die Kalbung (Ketoseprophylaxe), in der Hochleistung oder bei problematischem Grundfutter.
6. Grundfutter bleibt knapp und teurer – alle Verluste vermeiden! Bei unvermeidbar zu wenig Vorschub im Silo (knappe Lagerfläche) vorsorglich Siliermittel der Wirkungsrichtung2 einsetzen.
Die passende Herdengröße finden
7. Jungvieh: Die Aufzucht auf den Bedarf für die Remontierung (Ziel <30%, um 20%) zu reduzieren, kann bei der Mehrheit der Betriebe Kosten senken. Die Verkaufserlöse von Rindern über Auktion, ab Hof oder Export decken meist nicht deren Aufzuchtkosten (Ausnahme Spitzengenetik).
8. Überbelegung kostet Leistung und Futtereffizienz! Eine 10%ige Überbelegung abzubauen, kann die Restherde hinsichtlich der Tankmilchmenge meist in wenigen Tagen durch den besseren Komfort ausgleichen. Stellen Sie altmelkende Kühe, die 30 bis 20% unter dem Herdenschnitt melken, trocken und selektieren Sie strenger. Weniger Kühe bei gleicher Leistung bedeuten auch Zeitgewinn, z.B. für die Klauenpflege.
Lernen & Selbermachen
9. Besamung: Sperma wird oft zu teuer eingekauft bzw. macht sich ein entsprechend nötiger Fortschritt nicht im Leistungsniveau bemerkbar. Nicht zu unterschätzen sind auch die Kosten für Besamung in Dienstleistung. Eigenbestandsbesamung ist jedoch nur günstiger, wenn die Verantwortlichen es beherrschen.
10. Früherkennung: Das frühzeitige Erkennen von Problemkühen (Erkrankung, Lahmheit, Kondition) und deren sofortige, wirkungsvolle Behandlung sind einer der Hauptgründe für Unterschiede in der Leistung von Betrieben, die ansonsten mit vergleichbaren Mitteln (Stall, Fütterung) arbeiten. Um hier besser zu werden, braucht es neben einer dafür täglich fest geblockten Zeit, eine entsprechende Ausbildung (inkl. Updates) im Herdenmanagement. Die Arbeiten in der Tierbetreuung zu standardisieren hilft zudem vorzubeugen, dass eine Kuh unvorbereitet zur Kalbung/in die Laktation oder zum Trockenstellen kommt, was gleich Leistungseinbußen bedeutet.
11. Tiergesundheit: Jede Erkrankung erhöht die Produktionskosten, bedingt durch Leistungseinbrüche, fehlende Persistenz, Behandlung oder gar einem Tierverlust. Geringe Erkrankungsraten und Verluste erreichen Milcherzeuger durch eine fachlich richtige, nicht extravagante, aber konsequente Basis-Prophylaxe: Eine bedarfsgerechte Versorgung und Kontrolle aller Tiere (insbesondere auch der Trockensteher, Transitkühe und Frischmelker!), eine hohe Melk- und Stallhygiene (insb. Boxenpflege, Einstreuqualität), regelmäßige Klauenpflege sowie Stallkomfort (Platz!) und Stallklimatisierung müssen täglich gegeben sein.
12. Klauenpflege: Wie bei der Besamung kann es Dienstleistungskosten senken, die Klauen selbst zu pflegen. Das rechnet sich aber nur, wenn die Klauengesundheit gut bleibt/wird! Die nötige Ausbildung und wöchentliche bzw. tägliche Zeitkapazität für die Verantwortlichen müssen gesichert sein. Bei Eigenleistung bewährt sich die Kontrolle und Korrektur nach Laktationstag (1. mind. 14 Tage vor Trockenstellen, 2. ab dem 21. Laktationstag, ggf. 3. bei Bedarf). Mehr zur Klauenpflege nach Laktationstagen bei uns unter „Klauenpflege: Nicht alle an einem Tag“
Zeit für Kostenvorteile investieren
13. Einkauf Produktionsmittel: Kontrakte können Kosten reduzieren, wenn der richtige Kaufzeitpunkt getroffen wurde! Über Erfolg entscheiden gute Informationsquellen, Marktbeobachtung und der offene Vergleich bei den Händlern (es gibt immer zwei Preise!). Wer nicht gut handeln kann sowie kleinere Betriebe können von Einkaufsgemeinschaften profitieren. Menge und Großgebinde sind günstiger.
14. Erlöse erhöhen: Chancen auf durchschnittlich höhere Erlöse bieten bei der Milch insb. hohe Inhaltsstoffgehalte (Fütterung, Zucht) und Festpreismodelle (bei der Molkerei prüfen bzw. fordern und Teilmengen absichern). Schlachtkühe regional über Metzger zu vermarkten, kann bei kleinen bis mittleren Herden zu besseren Erlösen verhelfen. In der Kälbervermarktung können feste Abnahmebetriebe interessant sein, einheitliche gute Qualität wird gerne honoriert!
15. Arbeitserledigung: Hier stecken losgelöst von Größe und Rechtsform oftmals Reserven, denn es mangelt meist an festen Routinen, Abläufen und Wochenplänen. Durch vorgegebene Strukturen kann täglich Zeit bei der Planung der Arbeit und dem Treffen von Entscheidungen gespart werden. Damit Arbeitsroutinen und -pläne im Alltag Fuß fassen, müssen sie mit allen Beteiligten besprochen und umgesetzt werden. Fachwissen, Verantwortung, Feedback und Fairness motivieren die meisten Mitarbeiter neben einem angemessenen Gehalt. Das zu geben lohnt sich – es erleichtert es, hohe Leistungen zu erreichen! Ebenso ein Backup: Mindestens zwei Personen wissen und können, was zu tun ist.
16. Arbeitserleichterung: Technik kann sich hier schnell rechnen – wenn sie sinnvoll ist! Ein Einstreugerät dürften sich bei viel Tierstreufläche oder Tiefboxen, ähnlich wie ein Futteranschieber, immer lohnen. Denn die Arbeit kann nicht nur schneller, sondern auch ordentlicher erledigt werden, sodass Kapazität für anspruchsvollere Arbeiten frei wird.
Wie kann man Einsparungspotenziale finden?
Um Reserven in der Produktion zu finden, lautet die klare Empfehlung: Betriebszweigauswertung (mit Vollkosten und Buchführung). Der mehrjährige Vergleich des Betriebs mit sich selbst sowie mit Betrieben in der Region zeigt, mit welchen Erlösen ein Milcherzeuger grundsätzlich regional und betriebsindividuell rechnen kann bzw. muss. Die BZA hilft auch zu erkennen, wie die Produktionskosten auf die Erlösmöglichkeiten eingestellt werden müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben (Vergleich mit + 25%). Mehr dazu lesen Sie bei uns in dem Beitrag „BZA: Kostentreiber aufspüren“
Um die Produktionskosten laufend optimieren zu können, müssen Milcherzeuger umfassend und zeitnah wissen, zu welchen Kosten sie gerade produzieren. Stichwort: Controlling. Bewährte Parameter sind u.a. Income Over Feedcost (IOFC). Ein Beispiel, wie sich ein betriebseigenes Controlling etablieren lässt, finden Sie bei uns in einem Bericht über den Betrieb Claus Lürßen „Zeitnah reagieren können“.
Von Betriebsblindheit kann sich niemand freisprechen. Ein Betriebs-Check (inkl. Rundgang!) mit einem neutralen Unternehmens-/Produktionsberater hebt garantiert einige Flaschenhälse (zurück) ins Bewusstsein. Die Investition kann sich aber nur lohnen, wenn der Betrieb Feedback annimmt und bereit ist, Veränderungen vorzunehmen!
Kommentar: Die Erlösseite muss sich jetzt anpassen!
Dass sich Produktionsbedingunen mit der Zeit ändern, ist nachvollziehbar. Doch gegen den, in den letzten Jahren rasant gestiegenen, auflagen- und klimabedingten Mehraufwand in der Produktion „anzuarbeiten“, hat die Belastungsgrenze vieler Milcherzeuger überschritten. Denn der hier entstandene Mehraufwand bringt keine Mehrleistung und zeitgleich sind Phasen mit vollkostendeckenden Milchpreisen für durchschnittlich wettbewerbsfähige Betriebe rar geworden: Nur in 2017/18 und 2013/14 konnte die Mehrheit der Milcherzeuger zuletzt kostendeckend wirtschaften. Für eine zukunftsfähige Milchproduktion muss sich jetzt grundlegend etwas auf der Erlösseite ändern!
Lesen Sie hierzu auch den Kommentar der neuen Elite 4/2020 (ab diesem Freitag online!).