Forschung

Die Ökobilanz der Milchproduktion

In einer Studie wurden die Effekte der Milchproduktion auf die Umwelt untersucht. Demnach verbessern vor allem Weide und heimische Futtermittel die Ökobilanz.

Welche Wirkung die Produktion von Kuhmilch in einem Betrieb auf die Umwelt hat, ist eine entscheidende Frage für die Zukunft der Haltung von Milchkühen am Standort Deutschland.
Die potenziellen Umweltwirkungen der Milchproduktion in Deutschland wurde nun anhand einer neuen Ökobilanz untersucht. Neben der Bilanzierung nahmen die Wissenschaftler eine Monetarisierung (Bewertung in Geldeinheiten) der Umwelteffekte der Milchproduktion vor.
Es handelt sich um die Studie „Sichtbarmachung versteckter Umweltkosten der Landwirtschaft am Beispiel von Milchproduktionssystemen“ (Bericht zum Download als pdf). Beteiligt waren Wissenschaftler vom Öko-Institut e.V. (Freiburg), der INFRAS (Zürich) sowie des KTBL e.V. (Darmstadt). Die Studie wurde im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) durchgeführt und richtet sich in ihren Empfehlungen vornehmlich an die Politik.
Einige der Erkenntnisse und Aussagen, die aus der Studie hervor gehen, fassen wir hier zusammen. 

16 verschiedene, „typische“ Betriebsmodelle der Milchkuhhaltung wurden verglichen

Um möglichst „typische“ Milchproduktionssysteme abbilden zu können, erfolgte die Auswahl der Modellbetriebe zunächst auf Basis der regionalen Schwerpunkte der Milcherzeugung.

„Typisch“ für die Modellregion „Allgäu“ wurden Fleckvieh-Herden mit Bestandsgrößen von 40 Kühen angenommen.  (Bildquelle: Stöcker-Gamigliano, Landwirtschaftsverlag GmbH)

Ausgewählt wurden die Regionen mit den meisten Kühen je 100 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche:
  • Region Nord (bzw. Nordwestdeutschland mit dem nördlichen Teil Niedersachsens und dem Bundesland Schleswig-Holstein), Herdengröße pro Betrieb: 120 Kühe, Rasse: Holstein
  • das Allgäu (mit den angrenzenden Regionen Oberbayern, Schwäbische Alb), Herdengröße: 40 Kühe, Rasse: Fleckvieh
  • die Mittelgebirgsregionen in Rheinland-Pfalz (Eifel) und Nordrhein-Westfalen (Bergisches Land), Herdengröße: 100 Kühe, Rasse: Holstein
  • Region Ost mit Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, Herdengröße: 500 Kühe, Rasse: Holstein
Die ausgewählten Regionen wurden mit den Parametern Wirtschaftsweise (konventionelle bzw. ökologische Wirtschaftsweise) und Weidegang (mit und ohne Weidegang) kombiniert. Insgesamt ergaben sich so 16 verschiedene „typische Betriebsmodelle“, die in ihrer Ökobilanz verglichen wurden. 
  • Berücksichtigt wurden Betriebe mit mittlerer Leistung, die nach den aktuellen gesetzlichen Vorgaben arbeiten.
  • Keine Berücksichtigung fanden in der Praxis bereits etablierte Ansätze zur Verbesserung der Umweltwirkung, die über den gesetzlichen Standard hinausgehen. Wie z.B. emissionsmindernde Haltungsverfahren, Güllebehandlung oder regenerative Ansätze im Futterbau.
Die Stoff- und Energieflüssen innerhalb der folgenden Teilprozesse wurden in der Bilanzierung angeschaut:
  • Haltung der Tiere, jeweils untergliedert nach Milchkühen, Kälbern und Jungvieh;
  • Futtermittelbereitstellung, inklusive der Ermittlung des Energiebedarfs, des Grund- und Kraftfutterbedarfs und daraus abgeleiteter Futterrationen;
  • Stallgebäude und dazugehörige baulichen Anlagen (Wirtschaftsdüngerlager) inkl. Einstreu;
  • Berechnung der Emissionen aus Stall, Wirtschaftsdüngerlager und Weide und
  • Humusbilanz und Humusveränderung im Zuge des Eigenfutteranbaus.
Berücksichtigt wurde auch die Milchleistung – angenommen wurde folgendes Leistungsniveau: konventionell Holstein 8.500 kg Milch, ökologisch 7.000 kg Milch; Fleckvieh konventionell 7.000 kg, ökologisch 6.000 kg. Sowie die Anzahl an Laktationen: konventionell 2,7; ökologisch 4,1 (Daten aus dem ADR Jahresbericht 2017).  

Ansatzpunkte, wie Milcherzeugerbetriebe ihre Ökobilanz verbessern können

Die wichtigsten Stellschrauben zur Verbesserung der Umweltauswirkungen von Milchproduktionssystemen finden sich in der Fütterung.“
Antony et al., 2021

Kraftfutter hat laut der Studie einen hohen Einfluss auf die Ökobilanz. Bei ökologischer Ware haben die geringeren Hektarerträge einen negativen Effekt, bei konventioneller Ware Komponenten aus dem Ausland. (Bildquelle: Berkemeier, Landwirtschaftsverlag GmbH)

Milcherzeuger, die die Ökobilanz ihrer Produktion verbessern möchten, können sich den Erkenntnissen aus der vorgestellten Studie nach an folgenden Punkten orientieren:
  • Bessere Umweltverträglichkeit durch Weidehaltung: Alle Betriebsmodelle mit Weidehaltung zeichneten sich im Vergleich zu denen ohne Weidehaltung durch niedrigere Werte für die verschiedenen Umweltwirkungen aus. Besser schnitten sie insbesondere bei den Wirkungskategorien Energieaufwand, Wasserverbrauch, Süßwasser-Eutrophierung, terrestrische Versauerung, terrestrische Toxizität und Aquatoxizität. Zu beachten: Für die Weideflächen wurde keine mechanisierten Arbeitsverfahren und nur eine Düngung mit wirtschaftseigenem Dünger (Gülle) angenommen!
  • Kraftfuttereinsatz: Hauptanteil an den fütterungsbedingten Umweltbelastungen macht die Zusammensetzung und die Komponentenherkünfte der Kraftfutter aus. Zu beachten: Für die untersuchten Betriebsmodelle wird angenommen, dass die Betriebe alle fertige Milchleistungsfutter zukaufen. Durch den Ersatz von sojabasierten Komponenten durch einheimische Futterleguminosen lässt sich die Ökobilanz laut der Studie verbessern – „sofern die ernährungsphysiologischen Bedürfnisse der Tiere berücksichtigt werden“. Aufgrund der geringeren Hektarerträge weise Bio-Milchleistungsfutter trotz heimischer Herkünfte besonders große Umweltauswirkungen pro kg Futter auf. Somit gilt für konventionell wie für ökologisch wirtschaftende Betriebe: Je weniger Milchleistungsfutter eingesetzt werden muss, desto günstiger wirkt sich dies auf die Umweltbelastung der Milch aus.
  • Milchleistung hat ihre Grenzen: Im Gegensatz zu unterdurchschnittlichen Milchleistungen ergeben sich zwischen einer Milchleistung von 8.500 kg ECM und 10.000 kg ECM und darüber hinaus kaum noch Unterschiede beim Treibhausgaspotenzial. Entscheidend ist im Zusammenhang jedoch die Futterration. Anzustreben hinsichtlich der Ökobilanz sind hohe Grundfutterleistungen und der Einsatz heimischer Kraftfutterkomponenten.
  • Überwiegend bessere Umweltverträglichkeit durch ökologische Bewirtschaftung: Die ökologischen Betriebsmodelle wiesen für die Mehrzahl der betrachteten Indikatoren gegenüber den konventionell wirtschaftenden Betriebsmodellen laut den Autoren „mehr oder weniger deutliche“ Umweltvorteile auf. Eindeutig besser schnitten die konventionellen Betriebsmodelle in Bezug auf das terrestrische Versauerungspotenzial und bei der Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen ab.
  • Nutzungsdauer: Die Annahme einer höheren durchschnittlichen Laktationszahl der Milchkühe senkte die die Umweltbelastungen in allen betrachteten Wirkungskategorien nur vergleichsweise leicht.
  • Herdengröße ohne Einfluss: Keinen relevanten Einfluss auf die Ökobilanz hat laut der Studie die Größe des Rinderbestandes – weder in den konventionellen noch in den ökologisch wirtschaftenden Betrieben.
  • Region ohne Einfluss: Auch wenn sich die Grundfuttererzeugung in Hinblick auf Ackerland- und Grünlandflächen in den ausgewählten Regionen mitunter deutlich unterscheiden, ergeben sich laut den Autoren der Studie bezogen auf das Endprodukt Milch für die Regionen jeweils vergleichbare Umweltbelastungen.

Monetarisierung bisher wenig aussagekräftig, Einfluss auf Biodiversität nicht erfasst

Ein Teil der (Umwelt)-Wirkungen kann bisher nicht oder nur teilweise monetarisiert werden, so das Resümee aus der Studie. Deswegen können die erarbeiteten Werte nicht pauschal angewandt werden – es bestehe Bedarf für weitere wissenschaftliche Arbeiten.
Auswirkungen auf die Biodiversität und auf Ökosystemleistungen der verschiedenen Betriebsmodelle konnten aufgrund fehlender Datengrundlage nicht quantitativ erfasst werden.

Empfehlungen an die Politik: Grünlandbasierte Systeme und heimische Kraftfutterkomponenten fördern

Der Einsatz von einheimische Futterleguminosen, wie z.B. Ackerbohnen, statt aus Übersee importierter Soja verbessern die Ökobilanz von Milcherzeugerbetrieben. (Bildquelle: Berkemeier, Landwirtschaftsverlag GmbH)

Die wesentlichen Empfehlungen an die Politik hinsichtlich der Umweltwirkung der Milchproduktion lauten:
  • „Die Ergebnisse können genutzt werden, um aufzuzeigen, mit welchen Vorteilen und welchen Nachteilen für die Umwelt bestimmte Betriebssysteme in der Milchproduktion verbunden sind. Die Ergebnisse können Forderungen stützen, umweltvorteilhaftere Systeme stärker zu fördern.“
  • „Die wichtigsten Stellschrauben zur Verbesserung der Umweltauswirkungen von Milchproduktionssystemen finden sich in der Fütterung.“
  • „Je weniger Milchleistungsfutter eingesetzt wird, desto günstiger wirkt sich dies auf die Umweltbilanz der produzierten Milch aus. Die Menge und die Zusammensetzung des eingesetzten Milchleistungsfutters hat einen großen Einfluss auf die Höhe der Umweltbelastungspotenziale der untersuchten Wirkungskategorien.“
  • „Der Einsatz von einheimische Futterleguminosen, z.B. Ackerbohnen, statt aus Übersee importiertes Soja bringt potenzielle Umweltverbesserungen in den untersuchten Wirkungskategorien mit sich.“
  • „Durch eine Erhöhung des grünlandbasierten Anteils im Grundfutter können Umweltentlastungeffekte erzielt und die Umweltkosten gesenkt werden. Dies kann durch Weidegang und / oder eine Erhöhung des Anteils an Grassilage und Heu im Grundfutter erfolgen.“

Ökobilanz – was ist das und wie sind die Ergebnisse zu betrachten?

Wie die Produktion eines Produktes die Umwelt beeinflusst, kann über sogenannte „produktbezogene Ökobilanzen“ untersucht werden. Derartige Analysen können helfen ökologische Optimierungspotenziale von Produkten zu identifizieren oder deren ökologischen Fußabdruck abzubilden.
Es gibt jedoch ein Problem: Vorhandene Ökobilanzen zu landwirtschaftlichen Produkten können sich in ihren Ergebnissen zu dem eigentlich gleichen Produkten in Qualität und Belastbarkeit stark unterscheiden. Teils können sie von einander abweichen oder sich widersprechen. Eine Ursache für dieses Problem ist, dass die Betriebe in ihren Produktionssystemen sehr vielfältig aufgestellt sind, so auch bei Milch. Es ist nicht möglich, einfach „die konventionelle“ und „die biologische“ Milchproduktion zu charakterisieren und sie damit eindeutig zu bewerten.


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