Das „Nachholen“ von Kuhschlachtungen könnte kleine Wunder bewirken

Die Molkereien begründen die sinkenden Auszahlungspreise mit einem hohen Rohstoffangebot. Haben sie recht? Und wenn ja, wie lässt sich gegensteuern?

Elite: Herr Dr. Seufferlein, viele Molkereien haben im Januar und Februar ihre Auszahlungen zurückgenommen - um bis zu 15 Cent pro Liter. Ist der Milchmarkt zu Jahresbeginn so unerwartet stark eingebrochen?
Dr. Seufferlein: Nein, bereits Ende September 2022 haben einige Indikatoren darauf hingewiesen, so haben u. a. die hohen Milchpreise einen Anreiz zur Mehrerzeugung gegeben. Die Kuhschlachtungen lagen in 2022 mehr als 10 % unter dem Niveau 2021. Dass einige Molkereien jetzt deutliche Preisanpassungen vornehmen ­mussten, ist in der Größenordnung ungewohnt, schmerzlich, aber eben auch unumgänglich.
Elite: Aldi und Co. wollen die laufenden Verträge mit den Molkereien öffnen, um nachzubessern. Wird dadurch nicht ein fatales Signal in die Märkte gesandt? 
Dr. Seufferlein: Es wäre fatal, wenn dies Schule machen würde. Bei dem bekannten Macht­gefälle würde immer der Handel gewinnen: „Schlechte“ Verträge würde er öffnen, „gute“ ­hätten die Molkereien zu schlucken. Im Frühjahr 2022 wurde angesichts explodierender Kosten überlegt, beim LEH eine Öffnung der Verträge einzufordern. Es wurde jedoch Abstand ­genommen, weil man sich im Leben bekanntlich zweimal sieht.
Elite: Um welche Milchmengen müsste der Markt entlastet werden, um die Milchpreise kurzfristig zu stabilisieren?
Dr. Seufferlein: Es geht nicht um konkrete ­Mengen, sondern um den Trend! Trotz zuletzt steigender Mengen hat Deutschland 2022 ­wieder weniger Milch als 2021 erzeugt. Die aktuelle Situation ist ein „Gebräu“ aus nachlassender globaler Nachfrage, Mehrerzeugung, Spekulation auf weiter fallende Preise und dem Wahn des LEH, sich als Inflationsbremser zu gerieren. Ein zügiges „Nachholen“ von Kuhschlachtungen könnte kleine Wunder bewirken!
Dr. Hans-Jürgen Seufferlein ist Geschäftsführer des Verbands der Milcherzeuger Bayern e.V. (VMB). Der VMB kümmert sich um organisatorische, verwaltungsmäßige und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten rund um die bayerischen Milcherzeuger. Weitere Aufgaben sind Markt- und Milchpreisanalysen, PR und Öffentlichkeitsarbeit.