Scandinavian Dairy Tour

Von klein bis groß: Alle in einem Stall

Familie Torstad melkt 50 Kühe und erleichtert sich die Arbeit in Lesja (NOR) mit Hilfe von z.B. einer BCS-Kamera oder einer Messung von Progesteron am AMS.

Es sind die Begeisterung für Kühe und sein eifrig verfolgtes Ziel, immer besser zu werden, die uns zu Pål Lasse Torstads Betrieb in Lesja, etwa 100 km nordöstlich von Otta in Norwegen, führen. Diese Region gehört laut dem Betriebsleiter zu den trockensten des Landes: „Ohne Beregnung gibt es hier kaum Futter für die Kühe!“ Hinzu kommt, dass die Vegetationsperiode mit Temperaturen oberhalb von 5°C nur von Mitte Mai bis Mitte September dauert. Bei unserem Besuch Mitte Juni ist die Gras-Neuansaat am Hang gerade mal durch einen leichten Grünschimmer zu erkennen.

Betriebsspiegel

  • 50 Kühe mit weiblicher Nachzucht
  • Automatisches Melken
  • 10.200 kg ECM pro Kuh und Jahr
  • Voll-TMR mit einem Kraftfutteraufwand von 32 kg Kraftfutter pro 100 kg ECM
  • 25,9 Monate EKA
  • 11,7 Monate Zwischenkalbezeit
  • Durchschnittlicher Abgang mit 2,7 Laktationen (trotz Doppelnutzung bei Erstkalbinnen!)

Die ganze Herde in einem Stall

An einem ungewöhnlich heißen Junitag mit etwa 30°C Außentemperatur betreten wir den - bedingt durch kalte, schneereiche Winter – komplett geschlossenen Stall. Ein kurzer, schmaler Gang mit benachbartem Stallbüro führt ins Stallinnere, wo uns viele bunte Köpfe der Rasse Norwegian Red anschauen. Denn neben dem AMS-, dem Trockensteher- und den Jungrinderabteilen, sind auch die Tränkekälber in dem Stall untergebracht. „Die ganze Herde unter einem Dach zu halten, ermöglicht mir viel Überblick und ein einfaches Arbeiten“, erklärt uns Pål Lasse Torstad. Auf der rechten Seite finden wir vor dem AMS-Abteil Gruppen mit Tränke- und abgesetzten Kälbern. Die Tränkekälber können hier täglich 12 Liter Vollmilch am Automaten abrufen. Meistens trinken sie aber nur circa 8 Liter Milch, so Torstad.

Zusammen mit seiner Frau bewirtschaftet Pål Lasse Torstad den Betrieb. (Bildquelle: Simon)

Vollmilchtränke über die gesamte Tränkephase

Üblich für Norwegen sind die Kälberabteile mit Gummimatten, eingestreut mit Sägespänen im Liegebereich. Die Liegebereiche der Rinder und Kühe sehen ähnlich aus. Das einzige Stroh im Stall ist in den Kälbereinzelboxen eingestreut. Hier sind die Kälber etwa zwei Wochen, bevor Torstad sie in die Gruppe am Tränkeautomaten umstallt. „Am Anfang ist es mir wichtig, dass die Kälber gute Milch aufnehmen. Deshalb messe ich den Brixwert des Kolostrums. 20% Brix sind bei mir ein Muss“, erklärt uns der Milcherzeuger. Die Bullen- und Kreuzungskälber (Norwegian Red x Angus) verkauft er nach vier Monaten abgetränkt mit durchschnittlich 120 kg Gewicht.

Die Kälber hält Torstad für zwei Wochen in Einzelboxen. (Bildquelle: Bilder)

Ich versuche jedes Jahr etwas besser zu werden.
Pål Lasse Torstad
In einem Abteil neben den Kälberboxen sind besamungsfähige Jungrinder. „Ich kontrolliere das Gewicht der Rinder mit einem Maßband. Ab knapp 400 kg Lebendgewicht stehen sie zur Besamung an“, sagt Pål Lasse Torstad. Er selbst besamt nicht, sondern ruft dafür den Tierarzt. Im Durchschnitt liegt das Erstkalbealter bei 25,9 Monaten. Aktuell hat er etwa 35 Tiere für die weibliche Nachzucht im Stall: „Ich brauche jährlich immer nur etwa 50 % der Erstkalbinnen. Nach der Kalbung entscheide ich, was mit der Kuh geschieht!“

Ab etwa 400 kg Lebendgewicht werden die Jungrinder besamt. (Bildquelle: Simon)

Milch- oder Mastkuh?

Die Rasse Norwegian Red ist eine Doppelnutzungsrasse. In Norwegen ist es daher üblich, nach der ersten Abkalbung zu entschieden, ob eine Kuh für die Milchproduktion in der eigenen Herde verbleibt oder nach der ersten Laktation für die Fleischproduktion abgemolken wird. Tiere, die eine Milchleistung unter 25 Liter Milch haben und die Vorzüge der Rasse Norwegian Red nicht mitbringen, gehen bei Torstad nach der ersten Laktation ab: „Sie müssen gut fruchtbar und sehr gesund sein!“ Außerdem ist das Melkverhalten der Jungkühe entscheidend: Tritt eine Kuh gegen den Melkarm des Roboters, muss sie ebenfalls gehen. Durchschnittlich 274 kg Schlachtgewicht bringen seine Tiere. Im Durchschnitt sind Norwegian Red Kühe mit einer Größe von etwa 1,35 bis 1,40 m ausgewachsen.

 Keine Nachzucht von genetisch uninteressanten Tieren

Um von diesen für die Milchproduktion eher schwächeren Jungkühen keine weibliche Nachzucht zu haben, besamt Pål Lasse Torstad alle genomisch schwachen Jungtiere mit Angussperma: „Wenn sie nach der Kalbung dann doch besser sind als ihre genomischen Werte vermutet ließen, besame ich sie danach mit einem Norwegian Red-Bullen.“ Die besten Tiere der Herde besamt Torstad seit kurzem weiblich gesext für die eigene Remontierung.

Die Kühe haben in der kurzen Vegetationsperiode die Möglichkeit zu weiden. (Bildquelle: Simon)

Kühe machen viel Arbeit, aber eben auch viel Spaß!
Pål Lasse Torstad

BCS-Kontrolle mittels AMS-Kamera

Der schmale, etwa 1,50 m breite Futtertisch der Laktierenden, der Trockensteher und Jungrinder ist gut gefüllt mit Grassilage. Die laktierende Herde wird zusätzlich über den Melkroboter sowie einer separaten Station mit Kraftfutter versorgt. Der Melkroboter ist mit einer Body Condition Score (BCS)- Kamera ausgestattet. Jede Melkung nimmt die Kamera ein Bild des Tieres auf. Dadurch kann Pål Lasse Torstad bei allen Kühen einen genauen Verlauf der BCS-Kurven während der Laktation einsehen. Sinkt der BSC unter 2,75 kriegt er einen Alarm: „Wir haben selten Probleme mit Ketosen. Wenn aber eine Kuh ketotisch ist, schraube ich den Kraftfutteranteil pro Tag höher. Mit Propylenglykol oder Ähnlichem arbeite ich nicht.“   

Jede Melkung nimmt die BCS-Kamera ein Bild auf, um die BCS-Kurven ermitteln kann. (Bildquelle: Simon)

Keine Trächtigkeitsuntersuchungen

Doch nicht nur den BCS-Verlauf der Kühe kontrolliert der Melkroboter. Bei jeder Melkung wird auch der Progesterongehalt der Milch überprüft. „Deshalb ist keine Trächtigkeitsuntersuchung bei den Kühen mehr nötig“, erklärt der Milcherzeuger und zeigt auf dem Computer im Stallbüro den Progesteronverlauf einer tragenden Kuh. Deutlich zu erkennen ist hier der stagnierende Gehalt des Trächtigkeitsschutzhormons nach der letzten Besamung. Er zeigt den Verlauf einer anderen Kuh, die stark schwankende Progesteronwellen innerhalb weniger Tage verzeichnet hat : „ So sieht es aus, wenn eine Kuh eine Zyste hat!“

Optimierungsbedarf beim Abkalbe- und Kälberbereich

Auf die Frage, was sich Pål Lasse Torstad in Zukunft vorstellt, antwortet er: „Ich versuche jedes Jahr etwas besser zu werden. Dieses Jahr hoffe ich auf bessere Grundfutterqualitäten, damit die Milchleistung, besonders die Inhaltsstoffe wieder steigen.“ Außerdem sieht er noch Potenzial bei seiner Kälberaufzucht und dem Abkalbebereich. Aufgrund des geringen Platzangebotes kann er hier nur selten Leerstand garantieren, weshalb der Druck hoch sei. Hier seien Stellschrauben für die Optimierung in Zukunft!

Das hat uns besonders beeindruckt:

  • Das Stallklima trotz geschlossenem System!
  • Die intensive Nutzung der angebotenen AMS-Programme.
  • Den Versuch, die Arbeit als reiner Familienbetrieb möglichst einfach und übersichtlich in einem Stall zu gestalten.

Infos zur Milchproduktion in Norwegen:

Norwegen ist wohl das einzige Land, in dem nicht die Rasse Holstein-Friesian dominiert. Die meisten Milcherzeuger melken Norwegian Reds, eine Doppelnutzungsrasse. 90% aller Kühe im Land gehören zu dieser Rasse. Sie sind etwa 8 cm kleiner als Anglerkühe und weisen sehr gute Gesundheits- und Fruchtbarkeitswerte auf. Reinrassige Tiere findet man eigentlich nur in Norwegen, da sich die einzige Zuchtorganisation im Land, Geno, mit den Landwirten Darauf geeinigt hat, dass es vom Vorteil ist, die Zucht der Rasse weiterhin in der eigenen Hand zu haben. Ausnahme dieser Regelung war der Export von Jungrindern nach Irland für einen Moorversuch.
Die meisten Milchkuhbetriebe melken ihre Kühe an einem automatischen Melksystem mit Weidehaltung. Die meisten Kühe erhalten neben dem Weidegang Grassilage am Futtertisch und Kraftfutter am AMS sowie an einer zusätzlichen Kraftfutterstation.
Durch die strengen Winter mit teilweise bis zu -50°C sind die Ställe geschlossen und mit mechanischer Belüftung sowie gedämmten Dächern ausgestattet.  
Da nur vereinzelt, vorrangig im Süden des Landes, Getreide angebaut wird, ist Stroh ein knappes Gut. Deshalb sind nur Hochliegeboxen in den Laufställen zu finden, die mit Sägespänen zur Bindung der Feuchtigkeit eingestreut sind. Die Kälber wechseln nach der Einzelhaltung oft direkt in Laufställe, mit einer, ebenfalls mit Sägespäne eingestreuten, Gummiliegefläche. Ähnlich sind die Abkalbebreiche gestaltet.
In Norwegen gibt es eine Milchquote zur Regulierung der auf dem Markt bestehenden Milchmenge. Die durchschnittliche Quote pro Betrieb beträgt 240.000 Liter Milch.

Die Sponsoren der Elite Dairy Tour 2023. (Bildquelle: Redaktion Elite)


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