7.200 Kühe insgesamt. Ein neuer Stall, drei Jahre alt, 230 m breit und 460 m lang. So groß wie 10 Fußballfelder. Acht Gruppen á 500 Kühe und 24 Abkalbeboxen unter einem Dach. Ein 100er-Außenmelker-Karussell, ein Durchsatz von 725 Kühen pro Stunde. Eine Milchleistung von 43 kg im Schnitt!
Dimensionen wie diese sind erst einmal schwer zu fassen. Vor allem, wenn es von Tourguide Amber Hewitt heißt, dass die Eltern der jetzigen Eigentümer erst 1972 mit 14 Kühen und acht Hektar Land begonnen haben. Bis zum Bau des neuen Stalles stammten dann auch alle Kühe noch von der ursprünglichen Herde ab, erst zum Einzug hat man Färsen zugekauft. Heute gehören 4.000 ha zum Betrieb.
Doch auf den zweiten Blick überwiegt die Neugier: Wie schafft man es auf einem solchen Megabetrieb, kranke Kühe schnell zu finden? Wer behält den Überblick? Gibt es hier noch "kleine Fehler" oder hat jedes Problem einen solchen Hebel, dass es das ganze fein austarierte Konstrukt zu Fall bringen kann?
Mit den Menschen sprechen und den Kühen zuhören!"
Amber Hewitt, Kinnard Farms
Arbeitsorganisation mit genügend Leuten
Eins ist klar: So viele Kühe werden auch von vielen Angestellten versorgt. 83 Vollzeit- und 20 Teilzeitmitarbeiter kümmern sich um die Kühe.
Vier Manager haben die Geschäftsbereiche Geschäftsführung, Herde, Außenwirtschaft und Gebäude unter sich aufgeteilt. Die beiden Besitzer der Farm treffen sich monatlich mit den Managern, die wiederum die Mitarbeiter in ihrem Bereich organisieren. Im Bereich der Herde bearbeiten vier Herdenmanager die Schwerpunkte Reproduktion, Allgemeines, Abkalbung und Melkstand. Fünfzehn Herdsman unterstützen sie,
z. B. als Klauenpfleger oder bei Behandlungen.
Die Arbeiter, z .B. die Melker, arbeiten in 12-Stunden-Schichten. Nach vier Tagen Arbeit haben sie zwei Tage frei, arbeiten wieder drei Tage und haben einen Tag frei. Auch ein Wochenende im Monat ist dienstfrei. Die Mitarbeiter arbeiten in festen Teams entweder in der Tages- oder in der Nachtschicht. Tagesmelker erhalten 10 bis 13,50 Dollar pro Stunde, Nachtmelker verdienen einen Euro extra.
"Das wichtigste für eine hohe Milchleistung ist die Kommunikation mit den Leuten", sagt Amber. "Nur, wenn sie uns auch mitteilen können, was ihnen auffällt und wir im Gegenzug klar verständlich machen, was wir von ihnen wollen, haben wir eine Chance, in einem Betrieb wie unserem den Überblick zu behalten." Dazu gehören Arbeitsprotokolle genauso wie regelmäßige Teammeetings oder Vorarbeiter, die sowohl englisch als auch spanisch sprechen und somit übersetzen können. Das sei, so macht die freundliche Frau mit den braunen Locken deutlich, noch wichtiger als die Produktionstechnik (gutes Futter, sauberes Melken).
1. Kommunikation mit den Angestellten
2. Den Kühen zuhören
3. Den Kühen geben, was sie brauchen (gutes Futter)
Rationen alle zwei Wochen anpassen
Der Futterberater prüft jede zweite Woche die Trockenmasse der Futtermittel und passt anschließend die Ration an. Die Kühe schaut er sich einmal pro Monat an.
Das Futter wird auf dem Betrieb selbst angebaut. Das Häckseln der 1.200 ha Mais im Herbst dauert rund drei Wochen. Sieben Häcksler laufen gleichzeitig, 75 bis 100 Lkws fahren das Futter ins Silo. Rund 40 km ist die weiteste Fläche entfernt!
Sieben Walztrecker sorgen für die Verdichtung, dazu zwei Lkws mit Sand. Zum Reifenwerfen werden Tagelöhner angestellt. Um die Futterqualität zu kontrollieren, zieht ein Mitarbeiter Proben von jedem LKW (Truck) und lässt im Labor eine Vollanalyse durchführen. Alle Trucks werden eingewogen.
Volle Melkroutine
Rund 725 Kühe schafft das 100er-Außenmelker-Karussell pro Stunde, die Melkdauer pro Kuh beträgt 4,5 bis 5 Minuten. Alle Kühe werden dreimal pro Tag gemolken. Fünf Personen arbeiten im Melkstand, zwei Personen treiben die nächsten Kühe heran. Trotz der Größe setzt der Melkstandmanager auf die volle Melkroutine: vormelken, bürsten (automatisiert), abtrocknen, ansetzen. Eine weitere Person setzt abfallende Melkzeuge wieder an und dippt. Die Aufgaben rotieren mit jeder Gruppe und somit alle 500 Kühe.
Wie werden in so einem großen Betrieb Kühe erkannt, die eine Mastitis entwickeln? Der Vormelker meldet Auffälligkeiten dem Schichtleiter, der wiederum dem Herdsman Bescheid sagt, der Tests durchführt und die Behandlung einleitet. Die Melker notieren die Kuhnummer auf einem Whiteboard. "Der Anteil behandelter Kühe liegt unter ein Prozent", sagt Amber. Im Schnitt weisen die Kühe eine Zellzahl von 200.000 Zellen/ml auf.
Die Reinigung des Melkstands findet nach jeder Melkzeit statt und dauert ca. 30 Minuten. Die Wartung der Milchmengenmessung geschieht einmal pro Monat. Drei Personen sind nötig, um im laufenden Betrieb alle zwei Wochen die Zitzengummis auszutauschen!
Kontrollierte Atmosphäre und ein langer Weg
Auch in den USA ist ein solches Mammutprojekt nicht so einfach zu realisieren. Der Betrieb hat vier Jahre und drei Gerichtsprozesse benötigt, um den neuen Mega-Stall genehmigt zu bekommen. Nun werden die Erstlaktierenden auf dem Stammbetrieb gehalten, auf dem sich auch das Futterzentrum befindet. Rund 4.300 Mehrkalbskühe befinden sich in dem neuen Stallgebäude.
Der Stall ist durch eine Querlüftung zwangsbelüftet und wird ab einer Temperatur von 18 °C durch Wasserlamellen an der Wand gekühlt. Rund acht Grad Temperaturunterschied zwischen innen und außen macht die Technik möglich!
4.300 Kühe leben in 500er-Gruppen unter einem Dach. Die Liegeboxen sind mit Sand eingestreut, der vor Ort gereinigt und wieder verwendet wird. Der Bakteriengehalt des aufbereiteten Sandes wird regelmäßig überprüft. "Mit jedem Recycling wird der Sand ein bisschen grober. Das ist aber sogar von Vorteil: Der grobe Sand leitet die Flüssigkeit sehr gut von der Kuh ab", erklärt Amber.
Auf der Frontseite befinden sich 24 Abkalbeboxen. Auch weitere Pflegearbeiten, wie z. B. Klauenpflege, finden in dem Gebäude statt.
Der Stall ist sogar mit einem Wasserbad für festliegende Kühe ausgestattet.
Wärmeraum für Kälber
Nach der Geburt melken die Betreuer die Kuh und versorgen das Kalb mit Kolostrum. Anschließend bringen sie es in einen von zwei auf 23 °C aufgeheizten und mit Stroh eingestreuten geschlossenen Raum. Jedes Kalb erhält rund sechs Liter Kolostrum (per Flasche, der Rest wird aufgedrencht), denn eine zweite Mahlzeit gibt es im Kuhstall nicht. Jeden Morgen um sieben Uhr sammelt ein Aufzüchter die Tiere ein. Erst als tragende Färsen kommen sie zurück auf den Betrieb.
Die Aufzucht kostet bis zum Absetzen 3,10 Euro/Tag, vom Absetzen bis zum Alter von sechs Monaten rund 2,10 Euro/Tag. Nach sechs Monaten wechselt der Aufzüchter nochmals, den Rest der Zeit verbringen die Jungrinder in Colorado. Bis zum 220. Trächtigkeitstag kostet die Aufzucht der Rinder dort ebenfalls 2,10 Euro/Tag, jedoch inklusive Transport. Dieser dauert 18 Stunden.
So wie Kinnard Farms lagern viele der großen Milchviehbetriebe in Wisconsin ihre Kälberaufzucht aus. "Wir überlegen jedoch, die Kälber künftig wieder selbst aufzuziehen, wenn wir noch Gebäude dazu bauen können. Dann hat man mehr selbst unter Kontrolle", berichtet Amber.
(Elite hat über einen solchen Aufzüchter schon einmal berichtet. Artikel und Bilder finden Sie hier.)
Fazit
Eine solche Größe ist nicht für jeden erstrebenswert und auch keine Grundvoraussetzung, um mit gesunden Kühen hohe Milchleistungen zu erreichen. Doch was man von einem Großbetrieb wie Kinnard Farms lernen kann: Kommunikation und Arbeitsorganisation!
Um weitere Eindrücke über die Dimensionen des Betriebes zu bekommen, empfiehlt sich ein Blick auf die Homepage (
kinnardfarms.com) oder dieses Video (englisch):