Hemmstoffe in der Milch sind ein Horrorszenario für jeden Milcherzeuger. Es drohen Milchgeldabzug, Arzneimittelprüfungen, CC-Kontrollen und schlimmstenfalls eine Ahndung als Straftat, wenn Antibiotika in der Anlieferungsmilch nachgewiesen werden. Dabei war das Risiko für einen positiven Hemmstoffnachweis noch nie so hoch wie heute. Denn in Vorbereitung auf die anstehende neue Rohmilch-GüteVO sind Testverfahren auf den Markt gekommen, die im Gegensatz zu den bisherigen Tests deutlich sensibler reagieren und eine größere Bandbreite antibiotischer Wirkstoffe nachweisen. Auf einen solchen sensitiveren Test umgestellt hat im Juli etwa der Milchprüfring Bayern e.V. (Milchanalytik-Labor für Molkereien, LKV etc.). Die Molkerei Arla Foods hat über eine Lieferantenvereinbarung ebenfalls den Einsatz eines sensitiveren Tests festgelegt (Interview siehe unten). Andere Molkereien werden folgen.
Nicht alle Substanzen werden ausreichend erfasst
Die neuen Tests (z. B. BRT hi sense, Delvotest T, Milchtest MT Sensitiv) sind, ebenso wie die bisher eingesetzten, mikrobiologische Tests: Mithilfe eines Testkeims und farbiger Indikatoren weisen sie das Vorhandensein von Antibiotika nach. Ist die zu testende Milch frei von Hemmstoffen, wachsen die Testbakterien und verursachen einen Farbwechsel zu gelb (negatives Testergebnis). Enthält die Milch Hemmstoffe, findet dieser Farbwechsel nicht/in geringerem Maße statt, weil die Testkeime nicht oder nicht ausreichend wachsen können.
Bei den neuen Testverfahren sind die Wachstumsbedingungen für diese Bakterien so modifiziert, dass sie deutlich sensibler sowie auch gegenüber einem größeren Spektrum an Antibiotika-Substanzen (Makrolide, Sulfonamide, Cephalosporine, Tetrazykline und Aminoglykoside) reagieren. Sie können diese mindestens auf, teils unter dem sehr niedrigen sogenannten MRL-Niveau (Maximum Residue Limits, Rückstandshöchstmenge festgelegt in EU-Lebensmittelhygienerecht) nachweisen.
Auf die neuen Tests umstellen?
Aufgrund der höheren Sensitivität konnte der Milchprüfring Bayern mehr positive Proben in der Anlieferungsmilch identifizieren, allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau. Ist es also für Milcherzeuger erforderlich, auf die neuen Tests umzusteigen? Jein! Grundsätzlich sollte man sich nach den Vorgaben der eigenen Molkerei richten.
Der Milchprüfring Bayern empfiehlt, nur Tankmilch mit den sensitiveren Tests zu untersuchen. Bei Einzeltierproben (nicht allein auf Wartezeit vertrauen) genügen, nach ihrer Aussage, die bisher angewendeten Tests. Problematisch kann es bei kleineren Betrieben werden, bei denen das fragliche Einzelgemelk nicht ausreichend verdünnt wird. Im Zweifel sollte eine Probe an die Molkerei zur Untersuchung gegeben werden.
Zur Überprüfung der Milch könnten auch herkömmliche Schnelltests verwendet werden. Hierbei muss aber der eingesetzte antibiotische Wirkstoff bekannt sein, da die Tests jeweils nur auf bestimmte Wirkstoffgruppen reagieren.
Fehler beim Testen vermeiden
Aber ganz gleich welche Tests eingesetzt werden, nur wenn die Handhabung passt, kann man sich auf die Tests verlassen. Tipps zur korrekten Handhabung:
Probenahme: Die Probe ist aus einem gut gemischten Gesamtgemelk eines Einzeltiers/Milchtanks (nicht aus Auslaufstutzen!) in ein sauberes Gefäß zu entnehmen.
Qualität: Frische Probe verwenden. Bei Lagerung Kühlkette einhalten. Keine Wärme oder Sonneneinstrahlung.
Durchführung: Gebrauchsanweisung beachten. Proben/Teströhrchen kennzeichnen, Thermoblock vorheizen. Ausreichend lange bebrüten (siehe Gebrauchsanweisung). Ablesen der Ergebnisse nach exakt vorgegebener Zeit.
Um auf der sicheren Seite bei der Durchführung zu sein – vor allem beim Ablesen des Farbumschlags – , wird empfohlen, eine zweite Probe mit garantiert hemmstofffreier Milch zum Vergleich anzusetzen. Der Handel bietet auch elektronische Hemmstofftester, die das Ergebnis der Probe zum Zeitpunkt höchster Empfindlichkeit auslesen. Ist man sich beim Ergebnis einer Hemmstoffprobe unsicher, sollte man eine Probe an die Molkerei zur Testung schicken.
Verschleppungen im Melkstand und Melkroboter verhindern
Durch die hohe Sensibilität der neuen Tests muss es, neben der guten fachlichen Praxis (richtige Applikation, Einhaltung der Wartezeit…) beim Antibiotika-Einsatz, oberstes Ziel sein, Verschleppungen zu verhindern. Dabei stehen u. a. Verschleppungen mit Euterinjektoren im Fokus. Sie enthalten Kriechöle, die sich in den milchführenden Teilen festsetzen können und sich allein mit kaltem Wasser nicht entfernen lassen.
Im Melkstand sollten Melkzeuge deshalb nach einer Kannenkuh nicht zunächst mit kaltem Wasser, sondern zusätzlich mit mindestens sehr heißem Wasser nachgespült bzw. die Hemmstoffkühe am Ende der Melkzeit gemolken werden. Für Melkroboter gibt es u. a. folgende Lösungen:
Für die Melkroboter von DeLaval gibt es die Richtlinie, dass nach jeder Behandlungskuh, insbesondere bei Kühen, die mit einer Eutertube behandelt wurden, nach dem Melkvorgang eine heiß chemische Anlagenreinigung durchgeführt werden muss.
GEA hat für Hemmstoffkühe eine Heißwasser-Kurzreinigung (mit einer empfohlenen Temperatur von 80 °C) mit Reinigungsmittel vorgesehen, bei der die direkt betroffenen Bereiche, die mit der Milch in Berührung kommen, gereinigt werden. Hemmstoffkühe können so unabhängig von der Systemreinigung gemolken werden.
Bei den Melkrobotern von Lely (A4 und A5) ist eine kurze, lokale Spülung nach Hemmstoffkühen vorgesehen. Hierzu muss einstellt werden, ob mit Kalt- oder Heißwasser gereinigt wird. Bei A4 und A5 können die Behandlungen bzw. die verwendeten Antibiotika-Präparate eingegeben werden, bei denen zwingend lokal heiß gespült werden muss.
Arla Foods hat bereits vor Jahren auf die schärferen Tests umgestellt
Elite: Warum haben Sie sich dazu entschieden den sensitiveren Test schon vor einigen Jahren einzusetzen ?
Markus Teubner (Pressesprecher Arla Foods): Arla Foods hat höchste Ansprüche an die Milchqualität und möchte sicherstellen, dass keine Milch mit Rückständen von Hemmstoffen verarbeitet wird. Daher hat Arla 2015 entschieden, die bereits in Dänemark und Schweden gültigen Arla Standards in Bezug auf Hemmstofftests im Sinne eines einheitlichen Systems auf alle europäischen Arla Lieferanten zu übertragen. Damit soll bestmöglich sichergestellt werden, dass keine Milch behandelter Tiere geliefert wird.
Elite: Wie haben Sie Ihre Lieferanten über den neuen Test informiert (Milchliefervereinbarung)?
Markus Teubner: Die Standards für sicheres Melken, das Management von Medikamenten und die Testverfahren zum Nachweis von Rückständen in der Tankmilch sind in Arlagården festgelegt, dem Qualitätsprogramm von Arla Foods. Dieses wurde seinerzeit entsprechend angepasst und an die Mitglieder kommuniziert.
Elite: Sind mit dem Test mehr Hemmstofffälle in der Anlieferungsmilch aufgefallen?
Markus Teubner: Während der Umstellungsphase auf das sensiblere Testverfahren wurde erwartungsgemäß, vorübergehend eine erhöhte Fallquote festgestellt. Auch wenn das neue, verbesserte Antibiotika-Management höhere Kosten bei den Milcherzeugern verursacht, hat es im Ergebnis dazu geführt, dass wir die Hemmstoff-Fälle unter das vorherige Niveau senken konnten und somit besser aufgestellt sind. Mit unserem heutigen Qualitätsstandard sind wir im Markt führend.