Egal ob innerfamiliär gemolken wird oder mit Angestellten, in die Melkroutine schleichen sich oft Fehler ein. Ein Check der Routine und Melkerschulungen helfen.
Zwei- bis dreimal täglich an 365 Tagen wird gemolken – hakt es hier in der fachlichen Praxis, hat das unerwünschte Folgen. Denn der Melkprozess beeinflusst die Eutergesundheit zu 30 %, außerdem die Milchleistung und Dauer der Gesamtmelkzeit pro Tag.
Eine Kontrolle der Melkroutine hilft, Fehler zu erkennen. Eine anschließende Schulungen hilft den Melkern, die neuen Routinen zu übernehmen. Die Tierarztpraxis Ottersberg hat einen Melkroutine-Check samt Schulungsmodell für Melker...
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Zwei- bis dreimal täglich an 365 Tagen wird gemolken – hakt es hier in der fachlichen Praxis, hat das unerwünschte Folgen. Denn der Melkprozess beeinflusst die Eutergesundheit zu 30 %, außerdem die Milchleistung und Dauer der Gesamtmelkzeit pro Tag.
Eine Kontrolle der Melkroutine hilft, Fehler zu erkennen. Eine anschließende Schulungen hilft den Melkern, die neuen Routinen zu übernehmen. Die Tierarztpraxis Ottersberg hat einen Melkroutine-Check samt Schulungsmodell für Melker entwickelt. Infos & Tipps daraus:
Dr. Janna Mügge
Tierarztpraxis Ottersberg
1. Melkroutine-Check – wie wird gemolken?
Für ein aussagekräftiges Ergebnis werden mind. 1 Stunde Melkablauf und bei mind. 10 % der Herde die Punkte an der Kuh beobachtet.
Wichtige Parameter finden Sie am Ende des Artikels.
Die Aufgabenverteilung und Zusammenarbeit zwischen den Melkern wird ebenfalls beobachtet. Bei der Aufgabenverteilung unterscheidet man zwischen einer territorialen und sequenziellen Melkroutine:
Die territoriale Melkroutine: Hier sind jedem Melker feste Bereiche (z. B. Melkplatz 1 bis 5) zugewiesen und er führt alle Aufgaben in seinem Bereich alleine durch. Die sequenzielle Melkroutine: Hier werden alle Melkplätze zusammen bearbeitet. Das bedeutet, dass Melker 1 vorarbeitet (Vordippen, Vormelken) und Melker 2 mit Abstand nacharbeitet (Reinigen, Ansetzen).
Die sequenzielle Melkroutine soll bis zu 20% Zeit sparen, ist aber schwerer korrekt umzusetzen, da die Melker permanent Rücksicht aufeinander nehmen müssen. Gerade wenn Melker-Teams in der Zusammensetzung wechseln, ist das schwierig.
Wurden Fehler (überwiegend unbewusste!) in einer Melkroutine entdeckt, gilt es den melkenden Personen zu vermitteln, warum und wie sie diese abstellen. Für diese Melkerschulung erstellt die Tierarztpraxis eine Präsentation und ein Arbeitsprotokoll (SOP) zur neuen Routine. Beides auch nach Wunsch mit Übersetzung.
Bei der Schulung setzen sie auf ein Verständnis der Prozesse: Die Melker sollen für ihren Einfluss auf Eutergesundheit, Milchleistung und Melkzeit sensibilisiert werden.
Die Schulungen gliedern sich immer in zwei Abschnitte:
A – Einzelne Schritte der Melkroutine: Es wird das Vordippen, Vormelken, Trocknen, Ansetzen und Nachdippen einzeln anhand von Grafiken, Fotos und Videos erklärt. Der Sinn jedes Schrittes (Warum) wird erläutert und dann die Durchführung (Wie) im Detail besprochen. Ein Beispiel: „Beim Reinigen und Trocknen der Zitzen kommt es darauf an, dass ihr zum Einen den Schmutz, den die Kühe aus dem Stall mit in den Melkstand tragen von den Zitzen entfernt. Dabei ist es besonders wichtig, dass ihr die Zitzenkuppe gut reinigt. Zum Anderen kommt es darauf an, dass die Zitzen nicht mehr nass sind, wenn das Melkzeug angesetzt wird. Denn nasse Zitzen führen zu einem "Klettern" der Melkbecher und Abschnüren der Zitzenbasis. Das kann den Milchfluss behindern und die Melkzeit verlängert sich.“
B – Aufgabenverteilung und zeitlicher Ablauf: Es wird erläutert, warum das Zeitmanagement und die Abfolge der Arbeitsschritte wichtig sind. Ein Beispiel: „Die Anrüstzeit ist für den Milcheinschuss notwendig, da der Großteil der Milch erst nach frühestens 60 bis 90 Sekunden freigesetzt wird. Daher müsst ihr unbedingt diesen Zeitabstand zwischen dem Anrüsten - also dem Vormelken - und dem Ansetzen der Kühe einhalten. Wir stellen das sicher, indem Melker 1 zunächst die Kühe 1 bis 5 vormelkt, dann Kühe 1 bis 5 vorreinigt und im Anschluss wieder bei Kuh 1 beginnt die Melkzeuge anzusetzen. Melker 2 verfährt so mit Kuh 6 bis 10.“
Grafiken, Fotos und Videos helfen zu veranschaulichen, wie es richtig geht. Wie beispielsweise ein Video von der Tierarztpraxis Ottersberg dazu, wie das Predip nach der Einwirkzeit richtig gründlich abgewischt wird:
Eutervorreinigung – Predip gründlich entfernen
Milchhof Reeßum KG: Erfahrungsbericht Melkroutine-Check samt Melkerschulung
Ein Melkroutine-Check im Doppel-20er Melkstand der Milchhof Reeßum KG ergab, dass die Melker dort in einer sequenziellen Melkroutine die Anrüstzeit samt Einwirkzeit des Predip bei vielen Kühen unterschritten.
Janna Mügge von der Tierarztpraxis Ottersberg stellte fest, dass der nötige Abstand zwischen den Melkern von Anrüsten zu Ansetzen nicht immer einheitlich eingehalten wurde. Der Milchfluss der Kühe verlief entsprechend verzögert und uneinheitlich, Umweltmastitiden spielten eine Rolle.
Das Umstellen auf eine territoriale Melkroutine (4 x 5 Kühe) und die einheitliche Schulung der 12 Personen, die regelmäßig Melken, verbessert heute den Milchfluss und sichert die Wirkung des Predip. Die Melkzeit insgesamt hat sich verkürzt und die Melker sind mit der neuen, einfacheren territorialen Melkroutine zufriedener als vorher.
Durch die Umstellung der Melkroutine und die Schulung der Melker hat sich der Milchfluss verbessert und ist insgesamt einheitlicher geworden. Wir sind zufrieden und unsere Melker auch!
Frank Cordes, Betriebsleiter
Als Kontrollgröße dafür, wie erfolgreich die Melkerteams die überarbeitete Melkroutine heute in jeder Melkzeit umsetzen, hat sich das Team der Milchhof Reeßum KG den Milchfluss in den ersten zwei Melkminuten ausgesucht. Ein wichtiger Parameter zur Beurteilung der Anrüstarbeit und -zeit. Als Spitzenwert gilt es 50% der Gesamtmilchmenge in den ersten zwei Minuten zu ermelken. Die meisten Melkstände mit Milchmengenmessung weisen diesen Wert in Prozent aus.
Der Wert wird auf dem Betrieb kontinuierlich aus dem PC ausgelesen und nach der letzten Melkschicht gut sichtbar auf eine Tafel geschrieben. Es dient weniger der Kontrolle, sondern vielmehr dem Ansporn. „Dank der Schulung mit Übersetzung in die Muttersprache, kennen und verstehen alle Melker bei uns diesen Wert“, berichtet der Betriebsleiter. „Sie gehen selbst in ihren Schichten nachschauen, ob sie unseren Zielwert über 45 % bis 50 % in ihrer Arbeit erreichen. Sie sind hoch motiviert!“
Es hilft, den Milchfluss in den ersten zwei Minuten zu jeder Melkzeit anzuschauen, um die Anrüstarbeit im Melkstand zu beurteilen. Spitze sind 7,7 kg (2 x Melken) und 6,8 kg (3 x Melken) bzw. 50 % des Gesamtgemelks.
(Bildquelle: Milchhof Reeßum)
Die Betriebsleiter Marina und Frank Cordes haben sich bewusst für eine Überprüfung ihrer Melkroutine und einer anschließenden Schulung der Melker durch Externe entschieden.
Vorher haben wir die neuen Melker selbst angeleitet. Doch eine Schulung über Außenstehende kommt immer besser an, als wenn die Chefs oder Herdenmanager etwas Komplexes erklären.“
Frank Cordes
Gerade auch, wenn es darum geht Uneinheitlichkeiten auf den Grund zu gehen. So, wie es beim Milchfluss zwischen einigen Melkerteams vor der Schulung der Fall war. Das Team der Milchhof Reeßum KG war entsprechend froh, dass ihre bestandbetreuende Tierarztpraxis den Melkroutine-Check und auch die Schulung durchführen konnte. Man kennt sich gut, weiß wie man jeweils tickt. Weiß, wie der Umgang miteinander im Betrieb ist.
„Unsere Melker, die überwiegend aus Osteuropa kommen, sind uns, so wie alle Mitarbeiter, sehr wichtig. Wir legen einen großen Wert auf das Wir-Gefühl“, erklärt Frank Cordes, „Wir behandeln alle Mitarbeiter so, wie wir auch selbst behandelt werden möchten: Mit Respekt und Verständnis. Jeder soll sich wohl fühlen, gerne in unserem Team arbeiten. Das ist die beste Basis dafür, das Menschen Verantwortung übernehmen und leistungsbereit sind.“
| Anrüstzeit (erste Berührung Euter bis Ansetzen): Mindestens 60 Sekunden (bei 2 Melkungen pro Tag) bzw. 90 Sekunden (bei 3 x Melken). Max. 120 Sekunden (ab dann lässt der Oxytocinreiz nach). Die Anrüstzeit beeinflusst wesentlich den Milchfluss und damit Milchleistung, ein Blindmelken und die Zitzenkondition.
| Predip-Einwirkzeit: Mindestens 30 Sekunden. Diese Zeit ist für die antibakterielle Wirkung einzuhalten.
| Zeit pro Durchgang (Einlass bis Verlassen des Melkstandes): 12 bis 15 Minuten. Zeit gibt Rückschluss über Effizienz der bestehenden Melkroutine.
Die Abläufe einer Melkroutine sind so auszurichten, dass bestimmte Zeiten eingehalten werden. Etwa die Einwirkzeit für ein ggf. eingesetztes Predip.
(Bildquelle: Ostermann-Palz)
| Stockmanship: Ein sachter und leiser Umgang („low stress”) mit den Kühen ist ein Muss für Laufverhalten, Milchfluss und Melkstandhygiene (weniger Kot).
| Euterhygiene nach dem Einlass: <10% des Euters dürfen verschmutzt sein. Einflussfaktoren sind Liegeboxen- und Laufganghygiene.
| Zitzenhygiene nach der Reinigung: Strichkuppen sollen nach der Reinigung sauber und trocken sein. Wichtiger Parameter für die Eutergesundheit und Milchhygiene.
| Zitzenkondition nach Melkzeugabnahme: Zitzen nicht gerötet, keine Abschnürungen an der Basis, keine Hyperkeratosen an der Strichkuppe. Einflussfaktoren sind Melktechnik und Melkarbeit.
| Ansetzen der Melkzeuge: Ohne Zischen. Lufteinbrüche führen zu Unruhe und Milchrückfluss (Mastitisgefahr).
Der Zitzenbecher ist im Z-Knick abzuknicken, sodass beim Ansetzen keine Luft durch den kurzen Milchschlauch angesaugt wird.
(Bildquelle: Mügge)
| Restgemelk: 150 bis 250 ml pro Viertel (manuell in 15 Sekunden ermolken). Rückschluss über Ausmelkgrad und damit u.a. auf Blindmelken und Zitzenkondition.
| Milchfluss in den ersten zwei Minuten: Spitze ist 7,7 kg (2 x Melken) und 6,8 kg (3 x Melken) bzw. 50 % des Gesamtgemelks. Wichtiger Parameter zur Beurteilung der Anrüstarbeit und -zeit. Oft weisen Melktechniken einen Wert in Prozent aus.
| Hilfsmittel: Die Milking Preparation Lag Timer-App und die Hygienescores für Euter und Zitzen der University of Wisconsin sind Tools, mit der die Tierarztpraxis arbeitet. Eine Aufzeichnung der Melkroutine mit Zeitrafferkameras hat sich als nicht praktikabel erwiesen (hoher Aufwand für Auswertung; keine 100 % Einsicht; Melker fühlen sich beobachtet und unwohl, es entsteht ein verzerrtes Bild von der alltäglichen Melkroutine).