Die Transitphase, gemeint ist der acht bis zehn wöchige Zeitraum vom Trockenstellen bis zum 28. Laktationstag, gilt als die kritischste Phase im Leben einer Milchkuh. Denn in dieser sensiblen Übergangsphase werden die Weichen für die Tiergesundheit und das Leistungsvermögen der Kühe in der nachfolgenden Laktation gestellt.
Fehler, die sich in diesen zehn Wochen im Fütterungsmanagement einschleichen, haben unweigerlich negative Auswirkungen – besonders bei genetisch...
Die Transitphase, gemeint ist der acht bis zehn wöchige Zeitraum vom Trockenstellen bis zum 28. Laktationstag, gilt als die kritischste Phase im Leben einer Milchkuh. Denn in dieser sensiblen Übergangsphase werden die Weichen für die Tiergesundheit und das Leistungsvermögen der Kühe in der nachfolgenden Laktation gestellt.
Fehler, die sich in diesen zehn Wochen im Fütterungsmanagement einschleichen, haben unweigerlich negative Auswirkungen – besonders bei genetisch leistungsstark veranlagten Milchkühen.
Welche Knackpunkte es aus Sicht der Tiergesundheit bei der Versorgung der Kühe während dieser kritischen Phase zu beachten gilt, haben in den USA kürzlich Wissenschaftlern von Universitäten und aus der Industrie während einer dreitägigen Konferenz diskutiert (39TH ADSA DISCOVER CONFERENCE: THE TRANSITION PERIOD - FROM PHYSIOLOGY TO MANAGEMENT). Präsentiert wurden zudem neue Forschungsergebnisse.
Mit der Fütterung und dem Management der Milchkühe in der Trockenphase und in den ersten Laktationswochen werden drei Ziele verfolgt:
- Optimierung der Tiergesundheit bzw. Minimierung von Krankheitsevents
- Maximierung der Milchproduktion
- Verbesserung der Fruchtbarkeitsleistungen
Eine Zusammenstellung über die während der vergangenen 25 Jahre gewonnen Erkenntnisse zum Themenkomplex „Fütterung“, listete Tom Overton von der Cornell Universität auf:
- Durch eine gezielte Zufuhr von anionischen Ergänzungsmitteln (sauren Salzen) zur Verringerung der Kationen Anionen Bilanz (DCAD) oder von synthetischem Zeolith A lässt sich einer postpartalen Hypokalzämie (Milchfieber) wirksam vorbeugen.
- Durch eine kontrollierte Energiezufuhr während der Trockenperiode lassen sich die Trockenmasseaufnahme und der Stoffwechsel nach der Kalbung verbessern.
- Eine ausreichende Versorgung der hochtragenden Kuh mit metabolisierbarem Protein während der letzten 21 bis 14 Trächtigkeitstage (Close Up) stabilisiert den Stoffwechsel und wirkt sich positiv auf die Entwicklung der Milchleistung aus. Eine ähnliche Wirkung wird pansengeschütztem Methionin zugeschrieben.
- Zu Laktationsbeginn verbessert eine hohe Verdaulichkeit der Futterration den Stoffwechselstatus und lässt mehr Milch erwarten - solange die Gesundheit des Pansens erhalten bleibt (Stärkegehalt begrenzen!).
- Die Transitkuh benötigt wahrscheinlich einige bestimmte Nährstoffe, weshalb die Zugabe Futterzusätze wie z.B. von bestimmten Aminosäuren, Biotin, Cholin, Chrom, Hefen, …) in der Regel zu positiven Ergebnissen führt.
1 | Zeolith A erhöht die Kalzium-Konzentration im Blut
Wenn die Tiergesundheit und/oder die Leistungen der Kühe nach dem Abkalben hinter den Erwartungen zurück bleiben, dann ist dies laut Overton in aller Regel auf einige wenige aber typische Managementfehler zurückzuführen:
- Das Selektieren der vorgelegten Futterration (als Folge einer ungenügenden Futteraufbereitung, eines mangelhaften Mischvorgangs oder einem zu hohen Trockenmassegehalt).
- Auf größere Abweichungen von der Trockensteher- und der Laktationsration, insbesondere beim Stärke- und Fasergehalt.
- Durch einen unzureichenden Zugang zum Futter (Überbelegung, unterlassenes Nachschieben, zu wenig Futter vorgelegt).
- Die Futterration wird nicht ständig überprüft und angepasst (wechselnder TM-Gehalt von Silagen).
- Durch die Verfütterung von Chargen minderwertiger (schimmelhaltiger) Silagen.
Enorm wichtig ist laut Overton, dass Kühe vor und nach dem Abkalben mit der gleichen Menge an NDF versorgt werden. 50% der NDF sollten aus dem Raufutter stammen. Wenn z.B. Trockensteher bei einer täglichen TM-Aufnahme von 12 kg rund 5 bis 6 kg NDF aufnehmen, dann sollte sichergestellt werden, dass nach dem Abkalben die Ration so eingestellt wird, dass diese Tiere ebenfalls 5 bis 6 kg NDF fressen.
Noch viele offene Fragen
Trotz aller während der letzten Jahre gewonnen Erkenntnisse sind noch viele Fragen offen, so der Fütterungsexperte der Cornell Universität. Stichwort DCAB: Wie aggressiv sollte man z.B. bei der Anionen-Ergänzung vorgehen? Auch wisse man noch nicht im Detail, welche Faktoren die Futteraufnahme während der ersten beiden Laktationswochen beschränken. Zudem gelte es zu erforschen, welche Aminosäuren in der frühen Laktationsphase neben Methionin und Lysin eine wichtige Rolle spielen und ob sich der Eiweiß-Stoffwechsel überhaupt durch die Fütterung beeinflussen lässt. Und welche spezifische Rolle übernehmen Fettsäuren bei der Regulierung des Stoffwechsels? Haben hochtragende Rinder (Färsen) andere Ernährungsbedürfnisse als Kühe? Und falls ja, welche?
Weiteren Forschungsbedarf sieht Overton auch beim Thema Epigenetik: Lässt sich durch die Fütterung bzw. das Herdenmanagement die Immunkompetenz verbessern? Inwieweit beeinflusst die Fütterung bzw. das Management der hochtragenden Kuh das ungeborene Kalb bzw. dessen späteres Leistungsvermögen?
Saure Ration mit viel Kalzium
Erste Antworten auf die von Tom Overton aufgeworfenen Fragen versuchte Phil Cardoso von der Universität Illinois zu liefern. So stellte Cardoso u.a. Ergebnisse einer kürzlich abgeschlossenen Studie zum Thema Ansäuerung von Rationen (DCAB) vor, in der am 28. Tag vor dem errechneten Kalbetermin je 26 Kühe mit einer herkömmlichen TMR mit einer DCAD von 6 mEq (46.2 g Ca(kg TM), sowie zwei angesäuerten TMR (DCAB: -24 mEq) gefüttert wurden, die sich jedoch in ihrem Kalziumgehalt mit 44 bzw. 227 g Ca/kg TM deutlich unterschieden haben. Die TMR wurde den Kühen bis zum 30. Laktationstag gefüttert. Es stellte sich heraus, dass die Kombination geringer DCAB und hoher Kalziumgehalt in der TMR für Frischlaktierer nicht nur zu einer 2,1 kg höheren fettkorrigierten Milchleistung führte sondern später auch die Fruchtbarkeit der Kühe positiv beeinflusste. Ob die Trockensteherration ausreichend angesäuert ist, das lässt sich mithilfe des Harn pH überprüfen. Laut Cardoso ist dies der Fall, sofern der pH 5,5 bis 6,0 beträgt.
Aminosäuren
Auch zum Thema Eiweißstoffwechsel hat das Team von Phil Cardoso jüngst einige interessante Studien durchgeführt. Die Fütterungsexperten gehen davon aus, dass eine trockenstehende Kuh täglich 1.200 g metabolisierbares Protein (Summe aus mikrobiellem und unabgebautem Protein) aufnehmen muss. Sofern eine maisbetonte Ration an die Transitkühe gefüttert wird (wie im mittleren Westen der USA üblich), empfiehlt es sich, diese mit der Aminosäure Lysin (pansengeschützt) zu ergänzen. In einer Studie führte die Lysin-Supplementierung zu einem verminderten Einschmelzen von Körpermasse nach der Kalbung bzw. zu einem geringeren Gewichtsverlust und zu einer höheren Trockenmasseaufnahme. Das wiederum führte zu einer höheren Milchleistung. Zudem scheint sich die Aminosäurenergänzung die immunologischen Reaktionen der Kuh zu stärken. So wurde in den Gebärmüttern der frisch abgekalbten und besser mit Lysin versorgten Kühe weniger Entzündungszellen gebildet (geringere RNA-Prozessierung von Zytokinen). Interessant ist auch, dass die neugeborenen Kälber dieser Kühe mehr Milchaustauschertränke konsumiert und somit letztlich auch mehr Energie aufgenommen haben.
Cardoso empfiehlt über die gesamte Transitphase hinweg in der Futterration ein Lysin:Methionin-Verhältnis von 2,8:1 anzustreben. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Trockensteher sollten täglich 98 g Lysin und 35 g Methionin, frisch abgekalbte Kühe (40 kg Milch) 159 g Lysin und 57 g Methionin aufnehmen.
2 | Zugabe von Lysin lässt Futteraufnahme ansteigen
3 | Die Milchleistung fällt nach Lysin-Zugabe höher aus
SARA – subklinische Azidose
Mikrobielle Pansenfunktionsstörungen treten häufig bei hochleistenden Kühen in den ersten Laktationswochen auf. Rund 80 % aller Jungkühe sowie jede fünfte, ausgewachsene Milchkuh scheint daran im ersten Laktationsdrittel zu erkranken. Auslöser ist oft eine Übersäuerung des Pansens, eine subklinische Pansenazidose (SARA). Gemeint ist damit, dass der pH im Pansen über mehrere Stunden hinweg unter den Schwellenwert von pH 5,8 absinkt (optimal wäre ein pH von 6,3 bis 6,8). Eine subakute Pansenazidose begünstigt das Entstehen weiterer Erkrankungen durch die Passage pathogener Keime, u.a. von Clostridien, in den Darm. Somit trägt sie wesentlich zu einer langsam fortschreitenden Verschlechterung der Herdengesundheit bei. Eine der gravierendsten Folgen einer subakuten Pansenazidose ist die Zunahme von Klauenerkrankungen. Am häufigsten stellt sich eine Pansenazidose zwischen dem 35 bis 50. Laktationstag ein. Das verwundert nicht, denn zu diesem Zeitpunkt werden den frischabgekalbten Tieren bereits größere Mengen an Kraftfutter angeboten.
Laut Gregory Penner von der kanadische Universität Saskatchewan ist die wirksamste Prophylaxe ein ausreichendes Futterangebot über 24 Stunden hinweg. Auch wenn sich nur wenige Minuten lang kein Futter auf dem Futtertisch befindet („Off-Feed Event“), sinkt die ohnehin schon geringe Trockenmasseaufnahme der Kühe. In der Folge schrumpfen die Pansenzotten, die Absorptionsoberfläche im Pansen kann so um bis zu 50 % abnehmen, so Penner. Überdacht werden sollte in diesem Zusammenhang auch die gängige Praxis, die hochtragenden Tiere während der letzten 14 Trächtigkeitstage (close up) mit Kraftfutter anzufüttern. So konnte in Fütterungsversuchen nicht nachgewiesen werden, dass eine Erhöhung des Stärkegehaltes von 14 auf 26 % in einer TMR am Ende der Trockenperiode zu einem Anstieg der Milchleistung nach dem Abkalben führte. Anscheinend führt diese Strategie nicht automatisch zu einem Wachstum der Pansenzotten. Im Gegenteil, insbesondere im Fall einer unzureichenden (Rau)Futteraufnahme bzw. bei geringem NDF, kann der Pansen schon vor der Abkalbung übersäuern.
Ketose
Neben der Azidose gilt die Ketose als eine weitere Berufskrankheit hochleistender Milchkühe. An Ketose erkrankte Kühe haben bereits in ihrer späten Trächtigkeit ein gestörtes Immunsystem. Das äußert sich in der Regel in einer geringeren Futteraufnahme als auch in vermehrten Entzündungen rund um die Kalbung. Bislang geht man davon aus, dass ein massives Einschmelzen von Depotfett, das zu hohen NEFA- und BHB-Konzentrationen im Blut führt, die Kühe nach dem Kalben „ausbremst“. Laut Lance Baumgard (Universität Iowa) belegen hohe NEFA- und BHBA zwar das Vorhandensein einer Ketose (Symptome), sie sind aber nicht die Ursache. Ausgelöst wird eine Ketose vielmehr durch Entzündungsprozesse im Organismus, die in der Spätlaktation und/oder in der Trockenphase durch Mykotoxine, durch einen durchlässigen Darm (leaky gut), in Folge einer Mastitis oder nach dem Abkalben in Folge einer Gebärmutterentzündung (Metritis) hervorgerufen werden. Das Problem ist, dass die Aktivierung der Immunantwort die Kuh viel Energie kostet, gleichzeitig aber auch die Futteraufnahme sinken lässt. Deshalb sollten beim Verdacht auf Stoffwechselstörungen wie z.B. Ketose oder aber auch Milchfieber in erster Linie die Entzündungsprozesse angegangen werden. Neben der Verabreichung von Entzündungshemmern (NSAID) ist auf eine maximale Hygiene im Umfeld der Kühe zu achten (Toxinbelastung reduzieren). Zudem sollte die Fütterung kontrolliert und gegebenenfalls optimiert werden um das Immunsystem zu stärken. „Solange die Kuh gesund ist, ordentlich frisst, müssen wir uns bei erhöhten NEFA- und BHB-Konzentrationen keine größeren Sorgen machen“, erklärte Baumgard. „Damit kommt eine gesunde Kuh zurecht.“
4 | Entzündungen lösen Ketose aus