Scandinavian Dairy Tour

Beeindruckend gesunde Kühe

Die oberste Priorität von Asbjørn Hagene sind gesunde Kühe. Seine 50 Norwegian Reds muss er nur selten behandeln. Ein Blick in den Stall in Brumunddal (NOR).

Dass die Rasse Norwegian Red für eine gute Gesundheit und Fruchtbarkeit steht, verdeutlicht Milcherzeuger Asbjørn Hagene bei unserem Besuch schnell: Mit einem Grinsen im Gesicht zieht er im Vorgebäude des Kuhstalls ein 1-Liter-Einmachglas aus einem Regal, welches etwa zur Hälfte gefüllt ist mit genutzten Kanülen: „Das sind alle Nadeln, die ich in den letzten vier Jahren nutzen musste, weil eine Kuh oder ein Kalb zu behandeln war“, erzählt er uns stolz. Dass das nicht nur eine „Geschichte“ ist, zeigen uns die gesammelten Gesundheitskennzahlen des Betriebs: In den vergangen drei Jahren hat Hagene bei seinem 50 Kopf starken Kuhbestand 17 Klauenprobleme, 15 klinische Mastitiden, 13 Milchfieberkühe und nur 4 azyklische Tiere behandeln müssen.
  • 50 Kühe+ Nachzucht
  • 8.901 kg ECM
  • 58 ha
  • Melkroboter

Typisch für Norwegen: Der geschlossenen Stallbau für die kalten Winter. (Bildquelle: Simon)

Hoher Tierwohlindikator

Der Zettel, den er uns zeigt, listet alle möglichen Behandlungsgründe bei Kühen, Rindern und den Kälbern auf. Doch außer bei den oben erwähnten Krankheiten (Klaue, Mastitis, Stoffwechsel) steht bei den Meisten, seien es z.B. behandelte Lungenentzündungen oder Aborte, oft nur eine Null oder Eins- und das in drei erfassten Jahren! „In Norwegen wird anhand der gesammelten Gesundheitsdaten ein Tierwohlindikator für jeden Betrieb errechnet. Der setzt sich aus Daten von Milcherzeuger, Tierärzten, Molkerei, Schlachthäusern und vielen mehr zusammen. Die Angaben sind für alle verpflichtend. Damit sind die Betriebe miteinander vergleichbar“, erklärt uns Asbjørn Hagene. Der Index wird in Norwegen auch DVI (Dyrevelferdsindikator) genannt. Je höher er ausfällt, desto besser. Der DVI des Betriebs lag im letzten Jahr bei 123,3- deutlich über dem landesweiten Durchschnitt von 107,8. 2018 lag der Index des Betriebes noch bei 98,5.  
Die Kuhgesundheit ist mir am wichtigsten! Denn alle Kühe sollen bei mir vier bis fünf Laktationen melken, damit sich die teure Färsenaufzucht lohnt!
Asbjørn Hagene

Kooperation zur Futtersicherung

Seit 2012 bewirtschaften Lars und Asbjørn Hagene den Milchkuhbetrieb als Kooperation: „Die Kooperation machte für mich als Milchkuhhalter Sinn, um mehr Fläche zur Sicherung der Futtergrundlage zu haben“, erklärt Asbjørn Hagene. Das „Landfishing“ sei in der Region sehr stark ausgeprägt. Zusammen können sie neben dem Kuhstall 58 ha Land bewirtschaften. Darauf werden 35 ha Ackergras und 15 ha Weizen angebaut. Asbjørn Hagene erklärt, dass in Norwegen kein Silomais angebaut wird. Deshalb bekommen die meisten Kühe ausschließlich Gras und Kraftfutter, selten Stroh: „Wir haben das Glück, im Süden des Landes noch Getreide für Stroh anbauen zu können. Doch etwas weiter nördlich ist das nicht mehr möglich. Da gibt es nur Grünland, welches in der kurzen Vegetationszeit auch noch beregnet werden muss“, sagt er weiter. Weitere 8 ha der gemeinsamen Fläche sind arrondierte Weideflächen für die Kühe. Doch bei unserem Besuch ist trotz täglich 24 Stunden möglichem Weidegang nicht eine Kuh auf der Wiese zu sehen: „So eine Hitze, die wir diesen Juni erleben, kennen wir gar nicht. Da bleiben unsere Kühe tagsüber lieber im Stall“, berichtet der Milcherzeuger.

Wie leer gefegt: Bei über 30°C Außentemperatur bleiben die Kühe lieber im Stall. (Bildquelle: Simon)

Gesunde Klauen

Im Stall angekommen, herrscht trotz geschlossenem Stallbau und ohne jegliche Ventilation, ein angenehmes Stallklima im Vergleich zur drückenden Sommerluft mit ungewöhnlichen 30°C draußen. Rechts vom Futtertisch ist das AMS-Abteil. Hinter den dort eingebauten Hochliegeboxen sieht man eine Kuh im geöffneten Tor in Richtung Weide wiederkauend stehen, die uns Hagene gleich zeigt: „Wie gesagt, sie könnten raus auf die Weide. Heute Abend werden die Kühe diese Möglichkeit auch wieder nutzen, wenn die Temperaturen sinken.“ Auffällig ist, dass wir keine Kuh mit Mortellaro oder generell einer Lahmheit im Stall entdecken- wirklich nicht eine Kuh, die, typisch für ein Klauenproblem, z.B. ein Hinterbein anhebt bzw. anwinkelt. Die Herde schneidet ein externer Klauenpfleger dreimal jährlich.

Die Kühe werden über den Melkroboter und einer zusätzlichen Station mit Kraftfutter versorgt. (Bildquelle: Simon)

Futtermischer für Gras-Stroh-Ration nötig

Auf dem Futtertisch liegt eine für Norwegen untypische Ration gemischt aus Grassilage und Stroh. „Es gibt nur wenige Betriebe, die hier Getreide anbauen können und deshalb Stroh für die Fütterung oder gar für Strohabteile nutzen. In den letzten sehr trockenen Jahren hatten wir zu wenig Gras, weshalb wir angefangen haben Stroh zu füttern. Da wir aber kein Futter gemischt haben und nur Grassilage am Futtertisch vorlegten, wurde von den Kühen natürlich nur das Gras gefressen und das Stroh problemlos ausselektiert“, erklärt uns der Milcherzeuger. Aus diesem Grund wird seit letztem Jahr das Futter in einem festinstalliertem Futtermischer gemischt, über ein Futterband im Vorraum zum Kuhstall abgeladen und dann per Lader verteilt: „So ist es uns auch bei weiterer Trockenheit möglich, die Grasfütterung mit Stroh zu strecken.“ Direkt am Melkroboter liegt ein kleiner Selektionsbereich mit drei Hochboxen. Direkt nebenan ist die Abkalbebucht, ausgestattet mit einer flächendeckenden Gummimatte.
Der Milchpreis in Norwegen liegt immer sehr stabil bei umgerechnet 50 bis 55 Cent. Dieses Milchgeld ermöglicht uns das Land, welches die Betriebe unterstützen möchte. Aktuell sind unsere Kosten allerdings so gestiegen, dass wir einen höheren Auszahlungspreis benötigen.
Asbjørn Hagene
Gegenüber der laktierenden Herde ist, auf der anderen Futtertischseite, Platz für die Nachzucht und trockenen Kühe. Auf Höhe der Abkalbebucht finden wir die einzige Strohbucht im Stall mit Tränkeautomaten. Ein weiteres Automatenabteil jedoch ausgestattet mit einer Gummimatte als Liegefläche reiht sich an. In beiden Abteilen steht zum aktuellen Zeitpunkt nur je ein Kalb. Danach folgen mehrere Jungtier- und ein abschließendes Trockensteherabteil mit einer wandständigen Liegeboxenreihe. Die Jungtiere haben vergangenes Jahr mit durchschnittlich 23.9 Monaten abgekalbt. Die Zwischenkalbezeit der Herde lag bei nur 12,2 Monaten.
Trotz der guten Besamungsergebnisse (Besamungsindex: 1,2) hat weiblich gesextes Sperma bei den Kühen von Asbjørn Hagene nicht gut befruchtet. Deshalb werden nur etwa 20 % der Kühe mit Fleischrasse-, genauer gesagt mit Limousinsperma belegt und der Rest mit konventionellem Norwegian Red-Samen. Da alle Tiere der Herde genotypisiert sind, sortiert Hagene die, mit Fleischrasse zu besamenden Kühe anhand der genomischen Daten, dem Phänotyp und der Leistung aus.
Die Fleischkreuzungen sowie die Bullenkälber verkauft er gemeinsam mit drei weiteren Betrieben in der Nähe an einen Mäster, der die Tiere in der nahegelegenen Bergregion mästet. Der Betrieb von Asbjørn Hagene selbst liegt 13 Meter unter der Höhe, ab welcher es für die Bullenmast in der Bergregion zusätzliche Subventionen geben würde: „Ansonsten würde ich sie natürlich selbst mästen! Aber dadurch kann ich mich besser auf meine Kühe konzentrieren!“

Das hat uns besonders gefallen:

  • Das große Platzangebot für jedes Tier vom Kalb bis zur Kuh im Stall!
  • Das Ziel, jede Kuh trotz Doppelnutzungsmöglichkeit möglichst viele Laktationen zu melken.
  • Die beeindruckenden Tiergesundheitsdaten der Herde!

Die Sponsoren der Scandinavian Dairy Tour (Bildquelle: Redaktion Elite)


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