Immer mehr Milchkühe werden mit Fleischrassen besamt, da sich die Kreuzungskälber besser vermarkten lassen. Doch ein Selbstläufer ist diese Strategie nicht! Tipps für Milchkuhhalter.
Nur noch 70 % Holstein-Besamungen bei einer der größten Rinderzuchtorganisationen
Die Anpaarung von züchterisch weniger interessanten Milchkühen mit Fleischrassen hält sich als Trend. Das belegen unter anderem die Zahlen im jüngsten Geschäftsbericht der Rinder-Union West eG (RUW) für das vergangene Geschäftsjahr 2018/19.
So ging hier erneut der Anteil von Holsteinbullen an allen Besamungen merklich zurück. Bezogen auf alle Besamungen lag dieser bei 70,9 %. Die zunehmende Anzahl an Besamungen mit der Fleischrasse Weiß-Blaue-Belgier hält gleichzeitig an – der Zuwachs fiel mit +5,4 % allerdings ein bisschen geringer aus als in den Vorjahren. Marktbeobachter schätzen, dass beim Angebot an Gebrauchskreuzungen insgesamt heute bundesweit die Kreuzung Holstein x Weiß-Blaue-Belgier (WBB) mit einem Anteil von 80 bis 90 % überwiegt.
Zunehmender Einsatz von Fleischrassebesamungen verknappt Zuchtrinder-Angebot
Die Strategie „Beef on Dairy“ (Fleichrasse auf Milchkuh anpaaren) ist demnach auf vielen Betrieben in Deutschland etabliert. Entsprechend spürbar beeinflusst sie den Rindermarkt.
So führt die RUW die für das vergangene Jahr als schwierig beschriebene Zucht- und Nutzviehvermarktung zum Teil auf den seit Jahren zunehmenden Einsatz von Fleischrassen in der Besamung zurück. Er verknappt das Angebot an Zuchtrindern, was bei der Rinder-Union West insbesondere den Export und die Ab-Hof-Vermarktung betroffen habe.
Gestiegen ist allerdings der Umsatz bei den Zuchtviehauktionen – hier wurden +7,8% mehr Rinder, Färsen und Kühe vermarktet. Gleichzeitig ist der Steigpreis für abgekalbte Holstein-Färsen mit 1.745 € um 158 € gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Aber auch in den anderen Kategorien seinen die Preise überwiegend höher als im Vorjahresmittel ausgefallen.
Betrachtet man diese Entwicklung aus Sicht der Milcherzeuger, ist sie positiv – weniger reinrassige Kälber, weniger Nachzucht, weniger Färsen am Markt – zu besseren Preisen (auch dank der hohen Nachfrage aus den Nachbarländern!).
Bessere Preise für Gebrauchskreuzungen nur bei erstklassiger Aufzucht!
Einen Markt für die Kreuzungskälber aus den Milchkuhbetrieben gibt es. Hier ist sich Klemens Oechtering, Abteilungsleiter Vermarktung (RUW eG), zusammen mit Spezialberatern für Bullenmast einig. Bessere Preise für die Gebrauchskreuzungskälber können Milcherzeuger allerdings nur erzielen, wenn diese Kälber von sehr guter Qualität sind.
Besonders Jungbullen-Mäster, die kontinuierlich einstallen, interessieren sich für die Gebrauchskreuzungen. Egal, ob sie auf der Auktion oder ab Hof kaufen. Wenn die Tiere gut entwickelt sind – die Empfehlung für die Absetzerauktion lautet 90 kg Lebendgewicht – dann sind für Holstein Frisian x Weiß-Blaue Belgier Preise zwischen 400 € bis 550 € für männliche und 150 € bis 300 € für weibliche Absetzer möglich. Damit können diese zwar nach wie vor mehr erlösen als Holsteinkälber, jedoch ist die Spannweite auch hier groß.
Der Grund ist nachvollziehbar, der Preis richtet sich neben dem Angebot nach der individuellen Qualität: Je besser ein Kalb in Kondition und Gesundheit dasteht, desto höher ist sein Leistungspotenzial und damit sein Wert. Die Fleischleistung ist genetisch beeinflusst, aber auch Mäster wissen eine gute Kolostrumversorgung und intensive Milchtränke auf den Herkunftsbetrieben der Kälber wegen der positiven Effekte auf die Leistungsfähigkeit der Tiere zu schätzen!
Tipps für eine erfolgreiche Beef on Dairy-Strategie
Milcherzeuger, die gute Erlöse mit ihren Verkaufskälbern generieren wollen, müssen sich den Interessen der Abnehmer widmen. Das betrifft auch Bio-Milcherzeuger, da diese ihre Mastkälber überwiegend in die konventionelle Mast vermarkten. Das heißt für die alltägliche Praxis im Milchkuhbetrieb:
Angebot an die Nachfrage anpassen: Bei der Anpaarung ist zu berücksichtigen, welche Nutzkälber in der Region gefragt sind. Neben Gebrauchskreuzungen mit einer passenden Fleischrasse können das auch reinrassige Tiere sein! Direkte Kooperationen mit Mastbetrieben bieten ebenfalls Chancen. Sie setzen aber regelmäßig Kälber von einheitlicher Qualität und Anzahl voraus.
Anpaarung mit Bedacht: Ausschließlich nachkommengeprüfte Fleischrasse-Bullen einsetzen, die auf einen leichten oder mindestens normalen Geburtsverlauf getestet sind (Kalbeverlauf direkt). Üblicherweise wird bei Fleischrassen auch das Geburtsgewicht (GGE) ausgewiesen, welches beim Einsatz auf Milchrassen niedrig sein sollte. Wenn der Betrieb wenig Probleme mit dem Fütterungs- und Geburtsmanagement, schweren Kalbungen, Totgeburten oder Nachgeburtsverhaltungen hat, empfiehlt die Zuchtberaterin Veronika Lammers (VOST) einen nachkommengeprüften WBB, vor allem aufgrund der höheren Verkaufserlöse. Wer keine guten Erfahrungen damit hat, sollte besser mit Limousin oder Angus arbeiten.
Deckbullen von Fleischrassen zu nutzen, wird generell abgelehnt! Generell sind Fleischrasse-Besamungen ausschließlich bei Kühen, zum zweiten oder dritten Kalb, angeraten. Für Färsen und sehr alte Kühe sollte man bei (gesexten) Holsteinbullen bleiben. Neben dem Alter der Kuh sollten vor allem ihre Kalbeeigenschaften beachtet werden: Nicht mit Fleischrassen belegt werden demnach Kühe, die zur Verfettung neigen (verengte Geburtswege), ein schmales Becken aufweisen, für schwere Geburten bereits bekannt sind, einen negativen Zuchtwert für den maternalen Kalbeverlauf (RZkm) aufweisen.
Intensives Kalbemanagement nötig: Milchkuhhalter, die ihre Kühe mit Fleischrassen besamen, müssen das Risiko von häufigeren Geburtsproblemen (Schwergeburten, Totgeburten) tragen. Das bedeutet, dass sie mehr Zeitaufwand und Know-how für die Geburtsüberwachung und die Betreuung der Kühe in der Frühlaktation investieren müssen, um die Verluste gering zu halten!
Intensive Aufzucht: Verkaufskälber müssen intensiv versorgt werden (Kolostrum, Impfung, Tränke) – genauso wie die zur Eigenremontierung gehaltenden Kälber! Gerade bei Gebrauchskreuzungen bietet es sich hinsichtlich höherer Erlöse an, die Kälber erst später bzw. nach dem Absetzen abzugeben. Das ist nicht vereinbar damit, wenn die Kälber möglichst schnell aus dem Betrieb sollen.
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