Milchmarkt

Faire Milchpreise per Verordnung?

Lassen sich faire Milchpreise nur durch den Gesetzgeber „durchsetzen“ oder können die Marktteilnehmer das untereinander klären?

Wie hoch ist ein fairer Milchpreis? Bei der Diskussion um faire Milchpreise muss zunächst mal „fair“ definiert werden. Während die meisten Milcherzeuger unter einem fairen Milchpreis einen vollkostendeckende Auszahlungsleistung (inkl. eines Gewinnbonus) verstehen, sehen Molkereien und Einzelhandel dies naturgemäß etwas anderes. Für Sie bedeutet ein fairer Milchpreis, einen möglichst geringes Auszahlungsniveau, damit sie einen hohen Anteil an der Wertschöpfung erhalten. Die Verbraucher sind bei dem Thema oft zwiegespalten, einerseits wollen sie die bäuerlichen Strukturen erhalten wissen, Tierwohl gestärkt sehen, andererseits aber auch nicht zu viel Geld für Milchprodukte ausgegeben.
Was ist also ein fairer Milchpreis? Die meisten Milcherzeuger würden wahrscheinlich den aktuellen Milchpreis (Dezember 2022) als fair betrachten. Nur wird der Milchpreis in den kommenden Monaten sinken – bei weiterhin hohen Produktionskosten. Bleibt die Frage, ob der Staat jetzt regulatorisch eingreifen sollte?    

Spanien und Frankreich: Systemwechsel hat nichts gebracht

Nein, so lautete das klare Statement aller auf dem Podium versammelten Experten. Per Verordnung einen Milchpreis festzulegen würde nur unnötige Bürokratie und hätte letztlich keinen Erfolg. Das lässt sich aus den Beispielen in Frankreich und Spanien ableiten. Dort wurde vor zwei Jahren damit begonnen, die Wertschöpfung von unten (Milcherzeuger) nach oben (Handel) zu kalkulieren. Laut Bernhard Forstner (von Thünen Institut) fließen seitdem in beiden Ländern die individuellen Produktionskosten der Milcherzeuger als Basis in Milchankaufverträge ein. Dadurch soll verhindert werden, dass Milcherzeuger weiterhin zu „Restgeldempfängern“ degradiert werden. Allerdings scheinen diese neuen Regelung in keiner Weise zu funktionieren. Nicht nur, dass sich die Milchpreise nicht nennenswert erhöht haben, auch scheint ein Bürokratiemonstrum zu entstehen. Offen ist zudem noch, ob die Regelungen mit dem EU-Recht vereinbar ist.
„Der Markt kann es besser als der Staat“
Werner Giselbrecht Hochland Deutschland GmbH

Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis

Barbara Jeannot (BLE) erklärte, dass es mit dem Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz (AgrarOLkG) bereits eine Regelung gebe, die in Deutschland durchaus Fairness zwischen Erzeugern und Molkereien garantiere. Im Kartellrecht sei der Verkauf unter Einstandspreis verboten, es gebe aktuell jedoch keine anhängigen Fälle. Für das AgrarOLkG evaluiere der Gesetzgeber derzeit ein Verbot des Verkaufs unter Produktionskosten, so Jeannot.
Wie teuer letztlich die Produktionskosten von Milchprodukten ist, das lässt sich nicht so einfach beurteilen. Keine Molkerei ist verpflichtet, ihre Kalkulation offenzulegen. Das Bundeskartellamt hat sich in den letzten Jahren wiederholt gegen eine absolute Transparenz bei den  Herstellungskosten ausgesprochen. Die Kartellwächter befürchten, dass die Milchverarbeiter sonst Absprachen beim Festsetzen des Milchpreises treffen könnten (was laut Aussage von Peter Guhl aber ohnehin schon passiert).

Hilft Artikel 148 (Milchankaufverträge)?

Eine Möglichkeit wäre Art. 148 der Verordnung 1308/2013 (GMO)  per Verordnung durchzusetzen. Die Gemeinsame EU-Marktorganisation (GMO) ermöglicht es den Mitgliedstaaten unter anderem im Sektor Milch, verbindlich vorzuschreiben, dass Rohmilchlieferungen nur aufgrund schriftlicher Verträge erfolgen dürfen (siehe Spanien und Frankreich). Die Milchankaufverträge müssten dann Regelungen zum Preis, zur Menge und zur Laufzeit aufweisen. Theoretisch könnte so jeder Milcherzeuger, selbst wenn der Mitglied einer Genossenschaft ist, den Milchpreis selbst aushandeln oder sich einer Liefergemeinschaft anschließen, um die Chance einen „fairen“ Milchpreis zu erhalten, zu erhöhen. Allerdings hat die neue Bundesregierung – entgegen aller Erwartungen - bisher eher wenig Ehrgeiz erkennen lassen, den Art. 148 per Verordnung scharf zu schalten, beklagte Peter Guhl (Freie Bauern, zuvor MEG MilchBoard).

Gutachten soll Klarheit bringen

Aber auch Guhl musste zugeben, dass derartige Eingriffe in den Markt allein nicht zu fairen Milchpreisen führen werden, denn tatsächlich werden Angebot und Nachfrage auch weiterhin den Preis bestimmen. Zu dieser Erkenntnis ist wohl auch Bernhard Forstner (Thünen-Institut für Betriebswirtschaft) gelangt. Das ließ sich zwischen den Zeilen heraushören. Forstner untersucht gerade im Auftrag des BMEL (nach seiner Aussage „ergebnisoffen“) wie sich mehr Fairness im Milchsektor herstellen lässt. Die Ergebnisse des Gutachtens sollen im Frühjahr vorliegen, weshalb er seine Untersuchungsergebnisse noch nicht offiziell verkünden darf.

Fair wären verlässliche Rahmenbedingungen

Fazit: Es wird wohl keine stattliche Regelung geben, die aus Sicht der Milcherzeuger faire Milchpreise garantieren wird. Zu unterschiedlich sind allein die Kostenstrukturen der Milcherzeuger. Diese schwanken von 35 Cent bis zu 1,64 € pro Liter Milch (Testbetriebe). Welcher Milchpreis wäre hier als fair zu bezeichnen?
Beständig scheint nur der Wandel, so hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl der Milcherzeuger halbiert. Dieser Trend dürfte sich auch unabhängig von der Hohe der Milchpreise fortsetzen, denn der Anpassungsdruck (Tierwohl, Nachhaltigkeit, Klimaschutz, …) wird weiter zunehmen, so Forstner. Tatsache ist, dass ausgerechnet die „kleineren“ Milchkuhbetriebe, die von vielen Verbrauchern und den Anhängern einer grünen Politik gewünscht werden, durch die neuen Vorgaben und Förderrichtlinien der Bundesregierung in ihrer Existenz bedroht werden. Sollen kleinere Milcherzeuger langfristig am Markt  bleiben, so kann dies nur über staatliche Transferzahlungen gelingen.
Fair wäre es, den Milcherzeugern verlässliche Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven seitens der Politik aufzuzeigen. Die Planbarkeit von Investitionen dürfte viel entscheidender sein als die absolute Höhe der Milchpreise.

Der Milchpolitische Frühschoppen des Milchindustrie-Verbandes MIV wurde am 24. Januar 2023 in Berlin ausgerichtet. Um die 200 Teilnehmer aus der Milchbranche diskutierten das Thema „Faire Preise per Verordnung, geht das?“ (Bildquelle: Gierse-Westermeier)


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