Die meisten der rund 40 Kühe in der Frischmelkergruppe liegen wiederkauend im frischen Stroh. Zwei große Tubes berieseln sie auch in den Wintermonaten mit frischer Luft. Das soll vor allem den Infektionsdruck in diesem Stall reduzieren. Eine weiße Kuh steht auffällig langsam auf. „Das ist seit Langem mal wieder eine mit Startschwierigkeiten. Sie ist aber auch schon in der elften Laktation“, erzählt Felix Tönsfeuerborn. Sein Blick fällt auf eine andere Kuh im Fressgitter: „Nr. 9 ist jetzt elf Tage in Milch und gibt schon 56 Liter.“ Das ist eine wichtige Kenngröße für den Betriebsleiter.
Gibt eine Kuh zehn Tage nach der Kalbung über 40 kg Milch, ist alles in Ordnung. „Wenn der Start gelingt, kommt nicht mehr viel“, meint er. Dann erreichen die mittlerweile rund 800 Kühe auf dem Betrieb im Durchschnitt über 12.500 kg abgelieferte Milch. Die Abgangsleistung liegt derzeit bei knapp 40.000 kg Milch, die Remontierungsrate bei 21%.
"Ich war kein Kuhmensch"
Felix Tönsfeuerborn ist 2005 in die GbR von seinem Vater und seinem Onkel mit damalig 140 Kühen eingestiegen. Die Leidenschaft für Kühe hat vor allem sein Vater mitgebracht, der die GbR letztes Jahr verlassen hat, heute aber noch mithilft. Felix Tönsfeuerborn selbst war immer mehr der Treckerfahrer: „Früher hätte ich nicht gedacht, dass hier mal 800 Kühe stehen.“ Eben weil er kein „typischer Kuhmensch“ ist, achtet er viel auf Zahlen und Struktur und verlässt sich auf Experten.
Nach dem Entschluss für den Fokus Milch entwickelte er den Betrieb weiter. In 2009 wurde ein neuer Drei-Reiher und zuletzt 2016 ein zweireihiger Laufstall gebaut. Gemolken wird seit 2004 in einem Doppel-16er-Melkstand. Zum Betrieb gehören zudem 410 ha Fläche und eine 442 kW Biogasanlage. Die Jungrinder und Trockensteher sind auf vier benachbarte Betriebe ausgelagert, die alle von Tönsfeuerborns bewirtschaftet werden. Neben der Familie packen insgesamt zehn Mitarbeiter und vier Aushilfen mit an.
Zeit und Zahlen im Blick
Damit die Arbeit schnell erledigt ist und um möglichen Problemen frühzeitig entgegenzusteuern, sind Felix Tönsfeuerborn neben klaren Richtwerten zur Entscheidungsfindung vor allem grundlegende Strukturen und Abläufe im Stall wichtig. Das gesamte Herdenmanagement inklusive Besamungen und Behandlungen dauert maximal drei Stunden am Tag. Die Frischmelker werden morgens nach dem Melken fixiert und kontrolliert. Zudem wird über acht bis zehn Tage täglich Fieber gemessen. Ein Ketosetest erfolgt nicht extra, die meisten Problemkühe finden sie durch Sichtkontrolle.
„Benötige ich für die Frischmelker länger als eine halbe Stunde, ist etwas nicht in Ordnung“, meint Felix Tönsfeuerborn. Dann kontaktiert er seinen Tierarzt oder Fütterungsberater. Für ihn ist es entscheidend, dass die Kühe vernünftig in die Laktation starten, dann läuft es auch weiter. Die Leistung nach zehn Tagen sowie die Merzungsrate innerhalb der ersten 60 Tage sind deshalb wichtige Kenngrößen für ihn.
Auch im Bereich Reproduktion und Eutergesundheit gibt es Richtwerte: „Bei Mehrkalbskühen besame ich, solange sie 30 Liter geben, danach höre ich auf. Bei 45 Liter Milch ist es mir auch egal, wenn ich die Kuh zum zehnten Mal besame.“ Auch Kühe mit dreimaliger Euterentzündung auf einem Viertel oder die mehr als dreimal über eine Million Zellen aufweisen, werden nicht mehr besamt. Trotz einer Pregnancy Rate von ca. 30%, einer durchschnittlichen Zellzahl zwischen 160.000 und 180.000 Zellen/ml Milch und einer Mastitisrate von ca. einem Prozent sieht der Betriebsleiter die häufigsten Abgangsursachen bei Fruchtbarkeit und Eutergesundheit.
Gruppen als Vorbeuge
Die laktierenden Kühe sind in „klein“ und „groß“ unterteilt. „Klein“ sind alle Erstlaktierenden sowie kleinrahmige Tiere. Dazu kommt die Einteilung nach Milchleistung in hoch- und niederleistend. Die hochleistenden Kühe sind nach dem Frischmelkerbereich zuerst im zweireihigen Laufstall untergebracht. „Im Nachhinein würde ich nur noch Zwei-Reiher bauen, die zusätzlichen Kosten hat man durch eine höhere Futteraufnahme, mehr Milch und vor allem mehr Ruhe schnell wieder drin“, sagt Felix Tönsfeuerborn mit Blick in den großzügig bemessenen Stall. Für zusätzlichen Komfort sorgen auch die 1,25 m breiten Tiefboxen.
Neben dem Futterwechsel sieht er vor allem den Stallwechsel innerhalb der Laktation als Auslöser für Rückgänge in der Milchleistung. In seinen Augen würden auch Frischmelker im Zwei-Reiher zurechtkommen, die arbeitsintensiveren Strohställe bräuchte es gar nicht.
Mit ca. 45 Liter bzw. 35 Liter bei den Erstlaktierenden werden die Kühe umgestallt in den Drei-Reiher. In beiden Ställen bleibt dabei die Unterteilung nach „klein“ und „groß“ erhalten. Das sei entscheidend, um Ruhe und Futteraufnahme sicherzustellen. Für einen möglichst schonenden Futterwechsel und um die Fütterung einfach zu halten, unterscheiden sich die Rationen für Hoch- und Niederleistende lediglich etwas im Energiegehalt. Die Rationsberechnung erfolgt nach dem CNCPS-System.
„Ziel ist es, dass die Kühe mit dem Umstallen in den Drei-Reiher tragend sind, das klappt aber nicht immer“, sagt Felix Tönsfeuerborn, der die Kühe seit drei Jahren selbst besamt. Erstmalig belegt werden alle ab dem 70. Tag, auch Erstlaktierende. So erreichen sie eine durchschnittliche Zwischenkalbezeit von rund 380 Tagen. 80% der Kühe werden mit Weißblauen Belgiern besamt. In Zukunft möchte er vor allem auf Basis genomischer Zuchtwerte selektieren.
Mehr Zeit für Spezialkühe eingeplant
Eine weitere Besonderheit sind die drei Spezialgruppen: Eine Gruppe besteht aus allen langsam melkenden Kühen. Euterkranke und „Spezialfälle“ sind eine weitere Gruppe. Für diese Gruppe ist mehr Melkzeit eingeplant, zudem melken Tönsfeuerborns oder Mitarbeiter Stefan Rehpöhler hier einmal am Tag selbst mit. Besonders gut konditioniert ist die Gruppe im alten Boxenlaufstall. Dort stehen alle Abgangskühe, die bis zu ca. 17 Litern gemolken und aufgefüttert werden. „Man kann auch Holsteinkühe dick füttern und gute Erlöse erzielen“, zeigt der Betriebsleiter.
Auch bei den Trockenstehern gibt es eine Spezialgruppe für „Langzeittrockensteher“ bzw. Kühe, die aus dem Rahmen fallen und knapper gefüttert werden. Die übrigen Trockensteher sind in Gruppen von 15 Tieren auf Tiefstroh mit Laufgang aufgestallt. In den Grüppchen bleiben die Kühe über die gesamten sechs Wochen Trockenstehzeit zusammen. Zuerst auf einem Partnerbetrieb, drei Wochen vor der Kalbung dann auf dem Hauptstandort. Dort werden die hochtragenden Färsen mit in die Gruppen eingegliedert.
Zu den vorbeugenden Maßnahmen gehört im Betrieb Tönsfeuerborn auch die regelmäßige Durchführung von Klauenbädern. Im Aufzuchtbereich alle zwei Wochen, bei den Kühen einmal wöchentlich. „Die Klauengesundheit macht seitdem keine Probleme, Mortellaro gibt es nicht mehr. Das ist sehr wichtig, die Kühe müssen hier viel laufen“, sagt der Betriebsleiter. Zweimal jährlich kommt ein externer Klauenpfleger, akut lahme Tiere werden direkt ausgeschnitten.
Teamarbeit bringt gute Lösungen
Sehr wichtig ist dem Betriebsleiter der intensive Austausch mit dem Tierarzt und dem Fütterungsberater: „Zusammen finden wir gute Lösungen.“ In der Regel sind sowohl der Hoftierarzt als auch der Fütterungsberater mindestens alle zwei Wochen im Betrieb und kontrollieren alle Bereiche. Auch auf den ausgelagerten Betrieben. Zudem werten beide regelmäßig den MLP-Bericht aus, einer mit Fokus auf Eutergesundheit, der andere auf Leistung. Sobald etwas nicht rund läuft, gibt Felix Tönsfeuerborn Bescheid: „Wenn zwanzig Kühe kalben müssen und in der vorherigen Woche waren fünf von zehn Tieren nicht fit, dann sind in dieser Woche zehn von zwanzig nicht fit. Da bekommt man ganz schnell ganz schlechte Laune.“ Wenn etwas brennt, sind die Berater durchaus auch dreimal in der Woche im Stall.
Durch den Blick von außen bemerkt man erst den Unterschied zwischen der gefühlten und tatsächlichen Lage. Davon profitiert das gesamte Team! Das gilt auch für neue Ideen: „Wir probieren gerne etwas aus. Wenn es funktioniert, machen wir es weiter. Natürlich kann man aber nicht alles gut finden. Ich bin da oft skeptisch und muss auf die Kosten achten“, gibt er zu. Aber: Drei Einschätzungen bringen immer mehr, als wenn man es alleine versucht.
Irgendetwas geht immer besser
Momentan sind Tönsfeuerborns zufrieden. Solange das Team steht, können sie gut arbeiten! Der Tierbereich wird nicht weiter ausgebaut. Der Standort ist voll ausgeschöpft, unter anderem aufgrund der Ortsnähe. Sonntags ist der Kälberstall eine beliebte Fußgängerzone, auch Kindergärten und Schulklassen besuchen regelmäßig den Hof. Ein großes Problem sind natürlich die geringen Milchpreise, aber darauf haben sie wenig Einfluss. Dank der guten Mitarbeiter kann die Familie zweimal im Jahr in den Urlaub fahren. „Zu Hause Urlaub zu machen funktioniert genau einen Tag, danach steht man wieder im Stall“, gibt Felix Tönsfeuerborn zu und lächelt.
Natürlich gibt es noch Reserven. „Irgendetwas geht immer besser. An der Fruchtbarkeit, der Eutergesundheit und dem Erstkalbealter können wir sicher noch arbeiten. Von mir aus können die Kühe gerne noch älter werden und 50.000 kg Milch geben, was wir bisher noch nicht geschafft haben“, blickt er motiviert in die Zukunft. Nach jahrelanger Aufstockung mit der eigenen Nachzucht freut er sich darauf, erstmalig richtig selektieren zu können. Das könnte die Leistung noch steigern. Sein Ziel ist es, mit 800 Kühen jährlich rund zehn Millionen Liter Milch abzuliefern. Derzeit melken sie im Herdenschnitt bereits über 12.500 kg abgelieferte Milch (und über 13.800 kg nach LKV). Das Ziel ist also bereits so gut wie erreicht.