„Über die 40 kg abgelieferte Milch im Tagesschnitt haben wir uns drei Tage lang gefreut. Dass wir die Leistung mittlerweile schon über drei Monate halten, das ist schon klasse“, freut sich Kim Saß-Hauschildt. Der 39-jährige smart auftretende Unternehmer hat den Milchkuhbetrieb „Westerkamp Holsteins“ in Hemdingen, rund 30 km nordwestlich von Hamburg, in 2009 mit 200 Kühen übernommen. Seitdem hat sich die Kuhzahl auf gut 730 Kühe mehr als verdreifacht.
Im Wirtschaftsjahr 2019/2020 lieferte das Unternehmen rund 8,4 Millionen Kilogramm Milch ab, angepeilt werden 9 Millionen. Eine hohe Milchleistung bzw. eine hohe Auslastung ist zwingend erforderlich, denn Kim Saß-Hauschildt hat in die moderne Milchfarm sehr viel investiert. In einem Betrieb dieser Größenordnung kann ein Absinken des Milchpreises um ein oder zwei Cent – wie es kürzlich erst zu beobachten war – schon mal ein ordentliches Loch in die Kasse reißen. „Die Marge ist extrem schlank“, weiß Saß-Hauschildt, „deshalb müssen wir immer 110% geben!“ Mit „wir“ meint er nicht nur sich und die Kühe, sondern vor allem auch seine Mitarbeiter.
- 730 Kühe
- 40,5 kg Milch
- 409 Hektar, Biogas
- 12 Voll-Ak, sowie einige Teilzeit- und 450€-Kräfte
2009 mit 200 Kühen gestartet
„Wachstum ist dein Part“, haben ihm seine Eltern vor rund 15 Jahren erklärt. „Mit der Kuhherde wachsen, das war immer ein Traum von mir“ erinnert sich Kim Saß-Hauschildt rückblickend. Um sicher zu gehen, dass er seinen Traum auch in die Tat umzusetzen vermag, hat er noch vor der Hofübernahme einen Masterplan erstellt. Dieser zielte darauf ab, rund 500 Kühe in Hemdingen zu melken und fünf Millionen Liter Milch an die Molkerei abzuliefern. Die Ausgangslage war gut, denn zu diesem Zeitpunkt wurden bereits rund 200 Kühe in dem in 2005 neu errichteten Melkzentrum gemolken.
Geplant, kalkuliert, umgesetzt: 2011, zwei Jahre nach der Betriebsübernahme, folgten der Neubau für 500 Kühe sowie eine Biogasanlage mit 400 kW. In 2012 wurde in eine Fahrsiloanlage investiert und auf dreimaliges Melken umgestellt. 2017 wurden durch Umbau und Optimierung noch einmal 130 Kuhplätze hinzugefügt. Im letzten Jahr folgte dann der Neubau des Abkalbebereiches. Heute werden auf der Milchkuhanlage rund 650 Kühe gemolken, untergebracht sind dort auch die Trockensteher und ein Teil des weiblichen Jungviehs. Die übrigen Rinder werden auf zwei Aufzuchtbetrieben großgezogen.
Doch so einfach wie das klingt, war es dann doch nicht. „Ich bin 2009 mit einem Milchpreis von 17 Cent gestartet. Auch das Krisenjahr 2015/2016 hat keinen Spaß gemacht. Mit 2017 folgte dann ein gutes Jahr, aktuell sind es wieder knapp 28 Cent. Das ist natürlich nicht genug.“, erzählt Kim Saß-Hauschildt. Obwohl er die Perspektivlosigkeit vieler Milcherzeuger nachvollziehen kann, setzt er bis heute auf Kühe und optimiert seinen Betrieb stetig.
Alleine macht man keine 700 Kühe
Vor der Betriebsübernahme hat der Betriebsleiter einige Zeit in den USA auf verschiedenen Milchfarmen verbracht um Erfahrungen zu sammeln. Die dort gewonnen Erkenntnisse, insbesondere zur Organisation von Teams hat Kim Saß-Hauschildt mit nach Hemdingen genommen. In der guten Zusammenarbeit im Team sieht er denn auch einen wichtigen Erfolgsfaktor: „Wir haben ganz tolle, motivierte Leute hier und auch ich selber habe mega Lust!“, erklärt er. Mitarbeiter sind absolut wichtig, alleine kann er keine 700 Kühe managen. In Zukunft könnte das Thema Mitarbeiter allerdings eine größere Baustelle werden, da es wegen der Nähe zu Hamburg schwierig ist, neue Mitarbeiter zu finden.
In den USA hat mich fasziniert, was man durch gute Mitarbeiter und vor allem durch eine gute Organisation erreichen kann.
Kim Saß-Hauschildt
Derzeit besteht das Team aus zwölf Vollzeitkräften und mehreren Teilzeit- oder 450€-Kräften. Ein Garant des Erfolgs im Stall ist Herdenmanager Joshua Seider, der schon seit 2013 neben Kim Saß-Hauschildt auf der Farm „den Hut auf hat“. Dazu kommen zwei Herdsmen, die einen zweijährigen Traineeship absolvieren. Ukrainische Praktikanten übernehmen zu großen Teilen das Melken. Weitere Mitarbeiter kümmern sich um das Füttern, den Jungtierbereich und die Außenwirtschaft.
Maximale Milch pro Stallplatz
Kim Saß-Hauschildt kann den Frust vieler Milcherzeuger über die geringen Margen gut nachvollziehen: „Die Kostenschere klappt immer weiter auf, aber der Milchpreis bleibt immer gleich niedrig“. Als Unternehmer geht man viel Risiko ein, arbeitet viel, letztlich wird all das aber nicht ausreichend honoriert. Deshalb steht die Wirtschaftlichkeit des eigenen Betriebes heute immer mehr im Fokus. 40,5 kg abgelieferte (!) Milch ist eine beeindruckende Zahl, die aber wichtig ist, damit es sich rechnet. Mehr Milch bei gleichen Kosten ist das Ziel.
Die Lebensleistung der abgegangenen Kühe liegt derzeit bei rund 38.000 kg. Diese Kennzahl wird maßgeblich von der stetigen Aufstockung und dem entsprechend hohen Färsenanteil geprägt. Zukünftig soll die durchschnittliche Lebensleistung der Herde weiter steigen.
Saß-Hauschildt arbeitet gerne und viel mit Zahlen, deshalb lässt er sich unter anderem im Bereich Remontierung weniger von Gefühlen leiten, sondern setzt auf Daten. Deshalb arbeitet er mit dem „Cow Value“ (wirtschaftlicher Wert einer Kuh). Eine Kuh, die im Stall bleiben will, muss sich rechnen. So kann es ökonomisch gesehen denn auch durchaus sinnvoll sein, eine schwere vierkalbige Kuh gegen eine hochleistende gesunde Jungkuh auszutauschen. „Wenn die Remontierungsrate dann auch mal 35 % beträgt, so what?“ Wichtig ist ihm, dass die Zahl der Abgänge in den ersten 60 Laktationstagen so gering wie möglich ist. Nichtsdestotrotz findet sich aber auch immer wieder mal eine 100.000 kg-Kuh in der Herde.
Der Landwirt muss selbst entscheiden, wann eine Kuh abgeht. Die Entscheidung darf nicht von der Kuh getroffen werden.
Joshua Seider
Um den maximalen Profit pro Kuhplatz zu erreichen, wird besonders der Bereich Reproduktion strikt gemanagt. Der Milchleistungspeak ist eindeutig zu Beginn der Laktation, deshalb sollten die durchschnittlichen Melktage nicht über 185 Tage liegen. Die Zwischenkalbezeit liegt derzeit bei 381 Tagen, was sie durch eine Pregnancy Rate von 30% trotz der hohen Leistung realisieren. Wer ab dem 70. Tag fit ist und bullt, wird besamt. Das gilt ebenso für Färsen, allerdings stehen diese zehn Tage länger trocken.
Jederzeit gleichmäßig viele frischlaktierende Kühe zu melken wird auch beim Besamungsmanagement der Jungrinder berücksichtigt: Kontinuierliche Kalbungen sind wichtiger als das Erstkalbealter. Damit es rund läuft, sollten sechs bis acht Kuhkälber pro Woche geboren werden. Um das Ziel zu erreichen, wird gesextes Sperma eingesetzt.
Das hat uns besonders beeindruckt:
- Der Betrieb als Ganzes – Ordnung und Struktur in allen Bereichen, 100% Kuhkomfort (auch bei den hohen Temperaturen während unseres Besuches) und durchweg gut konditionierte, gesunde Kühe. Und das bei durchschnittlich 40 kg Milch!
- Der Betriebsleiter selbst, ein Vollblut-Unternehmer, denkt strikt wirtschaftlich und rational, ist zugleich aber auch ein vorbildlicher Motivator. Kim Saß-Hauschildt ist absoluter Unternehmer und blickt trotz ständiger Milchpreis-Desaster mutig in die Zukunft mit Kühen.
- Der strikte Fokus auf Wirtschaftlichkeit – das Ziel der maximalen Milch pro Stallplatz anhand von objektiven Daten scharf zu verfolgen, hat uns überzeugt. Zwar wird trotzdem eine möglichst hohe Lebensleistung angestrebt, was sich gegenseitig auch in keinem Fall ausschließt, dennoch lässt sich über das Thema Abgangskühe durchaus vielseitig diskutieren.
Was sind die Erfolgsfaktoren im Kuhstall?
Die 40 kg Milch haben wir durch konstant gute Arbeit erreicht. Es ist kein Hexenwerk, aber es muss jeden Tag zu 100% gleich gut gemacht werden!
Joshua Seider
- Gute und motivierte Mitarbeiter! (siehe oben)
- Konstant gute Arbeit! Die Basisarbeit muss in allen Bereichen gut sein, vom Kalb bis zur 100.000 kg-Kuh. „Das ist kein Hexenwerk, aber es muss jeden Tag zu 100% gleich gut gemacht werden“, sagt Herdenmanager Joshua Seider. Läuft das Management zu 100%, zeigen es die Kühe auch.
- Kuhkomfort! Neben ausreichend Platz und Fressplätzen sowie komfortablen Liegeboxen spielt vor allem die Belüftung eine entscheidende Rolle. Zuletzt hat die Nachrüstung zusätzlicher Ventilatoren im Frischmelkerbereich noch einmal viel Verbesserung geschaffen. „Es ist beruhigend, den Kühen zuzusehen“, beschreibt der Joshua Seider die Ruhe im Stall dank bester Bedingungen.
- Homogene Rationen und Shredlage! Über ein TMR-Audit wurde die Homogenität der Ration untersucht und deutlich verbessert. Auch der Einsatz von Shredlage war ein Schlüsselfaktor. Seitdem werden weder Stroh noch Luzerne eingesetzt. „Am Ende vom Tag geht alles über die Futteraufnahme. Ein Kilogramm Futter bedeuten zwei Kilogramm Milch.“, sagt Kim Saß-Hauschildt sicher. Bei den hochleistenden Kühen erreichen sie eine Futteraufnahme von über 29kg, bei Färsen von über 24kg und bei Altmelkern rund 22kg Trockenmasse!
- Close Up-Ration! Einige Zeit war subklinisches Milchfieber eine größere Baustelle. Über eine Close-Up-Ration, also eine zweiphasige Trockensteherfütterung, haben sie das gut in den Griff bekommen. Die Trockenmasse-Aufnahme liegt bei über 15 kg. Zudem erhalten Frischmelker mehr Soja und etwas Luzerne. Sobald vermehrt Stoffwechselerkrankungen auftreten, lässt sich das ganz schnell auf flüchtige Fehler in diesem Bereich zurückführen. In Close Up-Bereich soll in Zukunft eine sensorische Überwachung installiert werden, um die Tiergesundheit noch besser im Blick zu behalten.
- Gute Strukturen! Durch die intensive Zusammenarbeit mit der Tierarztpraxis agroprax wurden viele Arbeitsstrukturen in die Betriebsabläufe integriert und SOPs aufgestellt. Die Tierärzte sind alle zwei Wochen auf dem Betrieb und schulen außerdem auch die Mitarbeiter. Ebenso wichtig ist die Arbeit mit dem Herdenmanagamentprogramm Dairycomp 305 und dessen Verknüpfung aller Bereiche.
- Genetisches Potenzial! Grundsätzlich ist das genetische Potenzial für viel Milch bei fast allen Tieren vorhanden. „Man muss es nur herausholen, durch allerbestes Management“, sagt Joshua Seider. Dennoch spielt die Genetik eine wichtige Rolle. Alle Tiere werden tierindividuell in Zusammenarbeit mit einem Zuchtberater angepaart. Die schlechtesten 25% werden mit Fleischrassen belegt. Dazu gehört auch der Zukauf allerbester Tiere! Im Laufe der Erweiterung hat Kim Saß-Hauschildt viele Färsen zugekauft und dabei vor allem auf die Beratung seines Zuchtberaters Christian Wiechers vertraut.
Warum melken Sie weiter?
Jeden Tag das Beste für Tiere, Mitarbeiter und Umwelt zu tun, offen für Verbesserungen sein und wirtschaftlich sowie nachhaltig Milch zu produzieren. Dieses Ziel verfolgt Kim Saß-Hauschildt kontinuierlich: „Sei jeden Tag optimistisch, offen und zeig Passion!“ Dazu gehören die Liebe, Respekt und Leidenschaft zu Kühen und vor allem der Spaß an der Arbeit in einem tollen Team.
Und wie geht es weiter?
In Zukunft sollen der Aufzuchtbereich optimiert und eine neue Aufstallung für die Kälber gebaut werden. Das soll sich vor allem positiv auf die Lebensleistung auswirken. Zudem ist geplant, Wohnraum für die Mitarbeiter zu schaffen. Mitarbeiter sind ein wichtiger Punkt, auf den sie auch zukünftig zu 100% setzen müssen. Zuletzt ist natürlich auch eine möglichst hohe Milchleistung ein dauerhaftes Ziel. Zunächst gilt es aber, die jetzige Leistung zu stabilisieren, d.h. „replizierbar zu machen“.