Kommentar
Wer mit dem Kopf durch die Wand will, holt sich nur Beulen!
Um zu verhindern, dass die (nächste) Krise die Milchbranche aus der Bahn wirft, müssen jetzt die Beziehungen zwischen den Akteuren in der Milchbranche neu ausgerichtet werden.
Die Supermarktkette Netto bietet seit einigen Tagen ein 250-Gramm-Päckchen Butter regional für nur 1,29 Euro an.
Konkurrent Aldi hat gerade angekündigt, den Preis auf 1,25 Euro abzusenken. Es ist davon auszugehen, dass die Discountern
Butter-Kontrakte zu sehr günstigen Konditionen abgeschlossen haben. Kein Wunder, denn Milch ist ja gerade wegen der durch die
Corona-Pandemie weggebrochenen Absatzmärkte im Überfluss vorhanden … das öffnet dem Unterbietungswettbewerb (mal wieder) Tür
und Tor.
Problem Nr. 1: Zu sehr auf Kante genäht
Die aktuelle Situation zeigt, wie knapp die meisten Molkereien ihre Vermarktung auf Kante genäht haben. Im
Fall einer boomenden Weltwirtschaft ist eine derart hohe Exportorientierung, wie in der deutschen Milchbranche vorhanden, kein
Problem - im Gegenteil, viele Molkereien profitieren von dem grenzüberschreitenden Handel. Doch die Pandemie zeigt, wie fragil
mittlerweile die Weltwirtschaft geworden ist. Wir müssen uns eingestehen, dass über Nacht wichtige Handelspartner oder Märkte
ausfallen können. Auf ein solches Szenario war die europäische Milchbranche nicht vorbereitet. Klar, eine Pandemie wie die
aktuelle ist bislang in einer solchen Form nicht aufgetreten. Doch Hand auf Herz, mit einem solchen Szenario haben wir rechnen
müssen, denn über kurz oder lang hätten auch irrlicherternde Staatsoberhäupter, die Handelskriege anzetteln oder auch
Klimakatastrophen letztlich zu in etwa gleichen Verwerfungen geführt.
Problem Nr. 2: Stellungskrieg
Und nun? Als Reaktion auf die wegbrechenden Absatzkanäle setzen Milchindustrie (MIV) und Bauernverband (DBV) mal wieder
reflexartig auf die Einlagerung fertiger Milchprodukte (u.a. zunächst private Lagerhaltung, später dann Intervention). Eingriffe,
mit deren Hilfe sich die derzeitigen Milchüberschüsse etwas verringern lassen würden - was mantraartig u.a. der BDM und das EMB
einfordern - gelten bei MIV und DBV als tabu (vielleicht ja besseren Wissens nur, weil die Opposition darauf beharrt?).
Beides sind keine Lösungen, die uns wirklich langfristig weiterbringen!
Problem Nr. 3: Die Angst, zu kurz zu kommen
Problem Nummer 3 ist, dass sowohl Milcherzeuger als auch Milchverarbeiter in der Vergangenheit zu wenig oder erst gar
kein Risikomanagement betrieben haben. Das rächt sich jetzt. Zwar wurden schon während der letzten Milchkrise 2015/16 Konzepte
wie Festpreismodelle bzw. Möglichkeiten der Preisabsicherung diskutiert, allerdings bislang kaum umgesetzt. Alles zu aufwändig
und kompliziert … . Zu groß ist zudem anscheinend auch auf beiden Seiten die Angst, nicht den letzten Cent mitnehmen zu können und
dadurch entweder vergleichsweise „schlecht im Ranking abzuschneiden“ (Molkerei) oder aber benachteiligt zu werden (Milcherzeuger).
Tja, noch im Januar diesen Jahres wäre Milch für 35 Cent zum Jahresende abzusichern gewesen.
Auswege … weniger Starrsinn, mehr Eigenverantwortung
Die Milchbranche braucht einen neuen Plan, um in künftigen Krisen nicht unterzugehen. Warum nicht einfach mal über den
eigenen Schatten springen und gemeinsam, ganz pragmatisch, nach den besten Lösungen suchen?
Denkbar wäre z.B. dass sich die Milchverarbeiter darauf verständigen, in Krisenzeiten nicht mehr Milch günstig auf dem Spotmarkt einzukaufen und somit die Notlage benachbarter Unternehmen auszunutzen sondern freie Milch zu einem Mindestpreis untereinander zu „verschieben“!
Aber auch die Milcherzeuger sollten sich bewegen. Wenn die eigene Molkerei einen Teil der Milch nicht mehr vermarkten kann, dann führt kein Weg an der Anpassung der Rohmilch-Anlieferung vorbei. In Genossenschaftsmolkereien (100 %ige Abnahmepflicht) wird eine Mengenreduzierung nur möglich sein, sofern der Molkerei in Krisenzeiten – aber auch nur dann - die Möglichkeit eingeräumt wird, die Milchaufnahme kurzzeitig etwas korrigieren zu dürfen. Im Gegensatz zum Modell des BDM und des EMB (EU weit, von oben verordnete Mengenreduzierung für alle Milcherzeuger) würde eine individuelle, an die jeweilige Vermarktungssituation des Molkereiunternehmens angepasste Mengenreduzierung, es erlauben, das Beste für die eigenen Lieferanten herauszuholen.
Fest steht, dass die Corona-Krise unsere Welt auf den Kopf gestellt hat und tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen nach sich ziehen wird. Wir werden darüber nachdenken müssen, wie wir die Milchbranche etwas resilienter aufstellen können. Das setzt ein Stück weit weniger Starrsinn und Neid aber mehr Eigenverantwortung aller Beteiligten voraus.
Gregor Veauthier
Denkbar wäre z.B. dass sich die Milchverarbeiter darauf verständigen, in Krisenzeiten nicht mehr Milch günstig auf dem Spotmarkt einzukaufen und somit die Notlage benachbarter Unternehmen auszunutzen sondern freie Milch zu einem Mindestpreis untereinander zu „verschieben“!
Aber auch die Milcherzeuger sollten sich bewegen. Wenn die eigene Molkerei einen Teil der Milch nicht mehr vermarkten kann, dann führt kein Weg an der Anpassung der Rohmilch-Anlieferung vorbei. In Genossenschaftsmolkereien (100 %ige Abnahmepflicht) wird eine Mengenreduzierung nur möglich sein, sofern der Molkerei in Krisenzeiten – aber auch nur dann - die Möglichkeit eingeräumt wird, die Milchaufnahme kurzzeitig etwas korrigieren zu dürfen. Im Gegensatz zum Modell des BDM und des EMB (EU weit, von oben verordnete Mengenreduzierung für alle Milcherzeuger) würde eine individuelle, an die jeweilige Vermarktungssituation des Molkereiunternehmens angepasste Mengenreduzierung, es erlauben, das Beste für die eigenen Lieferanten herauszuholen.
Fest steht, dass die Corona-Krise unsere Welt auf den Kopf gestellt hat und tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen nach sich ziehen wird. Wir werden darüber nachdenken müssen, wie wir die Milchbranche etwas resilienter aufstellen können. Das setzt ein Stück weit weniger Starrsinn und Neid aber mehr Eigenverantwortung aller Beteiligten voraus.
Gregor Veauthier