Milchproduktion in Luxemburg

Kleines Land, großer Ehrgeiz

Wir haben mit einer Gruppe von Elite-Herdenmanagern vier Milcherzeuger im Großherzogtum Luxemburg aufgesucht und uns von ihnen ihre (Unternehmens)Strategien erläutern lassen.

Die Milchproduktion hat in Luxemburg Tradition. Das Land ist prädestiniert für die Rinder- und Milchkuhhaltung: Mittelgebirgsregion, über 50 % Grünlandanteil, genügend Niederschläge und sehr kaufkräftige Konsumenten (in keinem Land der OECD verdienen Angestellte mehr als in Luxemburg, deren durchschnittliches Jahresgehalt liegt bei rund 57.000 Euro und somit um 26,6 Prozent über dem EU-Durchschnitt). Seit dem Wegfall der Milchquoten boomt denn auch die Milchproduktion, das Rohmilchaufkommen hat sich in den vergangenen Jahren um rund ein Drittel erhöht. Aktuell wird im Großherzogtum noch auf etwa 700 Agrarunternehmen gemolken. Pro Jahr erzeugen die rund 52.000 Kühe etwa 408.000 Tonnen Milch erzeugt (7.850 kg/Kuh). Die der Milchkontrolle angeschlossenen Kühe gaben in 2018 im Durchschnitt 8.469 kg Milch.
Wahrscheinlich würde noch mehr Milch gemolken, wenn die Flächen nicht so knapp (und auch teuer) wären. Über 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen sind Weiden, schwere Ackerböden gibt es kaum. Insbesondere im Norden des Landes ist das Hochplateau von vielen Tälern mit Flüssen und Bachläufen durchrissen. Die Schläge sind zudem oft sehr klein und wegen der Höhenunterschiede häufig schwer zu erreichen. Im Süden des Landes gibt es zwar weniger Höhenunterschiede, allerdings variiert hier die Bodenqualität variiert stark.
Wir haben mit einer Gruppe von Elite-Herdenmanagern vier innovative Milcherzeuger im Großherzogtum aufgesucht und uns von ihnen ihre sehr unterschiedlichen (Unternehmens)Strategien erläutern lassen. Trotz der - im Vergleich zu den drei Nachbarländern -vergleichsweise limitierten Ressourcen und Infrastruktur glauben alle vier Milchprofis mittel- und langfristig an ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Heute 1.200, übermorgen noch mehr Kühe?

Romain Weis (Bildquelle: Veauthier)

Schon von weitem sind die zwei auf einer „Bergkuppe“ neu errichteten Laufställe zu erkennen. In dem zwischen den beiden Ställenliegenden Melkzentrum werden täglich 1.000 Kühe in dem neuen Außenmelker-Karussell gemolken. Die Milchfarm von Marianne & Romain Weis in Colpach die mit Abstand größte in Luxemburg. Obwohl das Agrarunternehmen neben der Milchproduktion noch über weitere Standbeine verfügt (Mutterkühe, Biogas, Lohnunternehmen), will Romain Weis die erst kürzlich neu errichtete Stallanlage nochmals spiegeln. Sofern ihm die Behörden keine Steine in den Weg legen (auch in Luxemburg werden solche große Stallanlagen nicht gerne gesehen), werden sich in naher Zukunft wohl noch mehr Kühe an dem Standort tummeln.
Im vergangenen Jahr erst hat der energiegeladene Endvierziger die neue, imposante Milchkuhanlage bezogen und die Milchkuhherde verdoppelt. Nicht selten führen derartige Wachstumssprünge zu Belastungen (ungesundes Wachstum), obwohl Betriebsleiter und Mitarbeiter am Anschlag arbeiten, sinkt die Produktivität, ist Hektik und Stress an der Tagesordnung. Nicht so in Colpach, zumindest vermittelt Romain Weis diesen Eindruck. Zwar scheint der Betriebsleiter 20 Stunden täglich im Unternehmen unterwegs, an sieben Tagen in der Woche, doch offensichtlich empfindet er das enorme Arbeitspensum nicht als Belastung. Ganz im Gegenteil, aus den Erfolgen scheint er seine Antriebskraft zu schöpfen.
Unterstützt wird Weis von einem Team überwiegend belgischer und polnischer Mitarbeiter. „In Luxemburg ist es schwer Arbeitskräfte für die Landwirtschaft zu begeistern“ (Anmerkung: der Mindestlohn in Luxemburg liegt bei 2.089,75 Euro, qualifizierte Arbeitnehmer müssen sogar 20 % besser vergütet werden).

Jeder der beiden parallel angeordenten Ställe ist für 500 Kühe ausgelegt. (Bildquelle: Veauthier)

Im Gespräch mit dem Betriebsleiter stellte sich schnell heraus, dass dieser alle Arbeitsschritte bis ins Detail durchdacht hat. Fehler im Arbeitsprozess würden einfach zu viel Zeit kosten – und die sei nunmal der begrenzende Faktor im Kuhstall, so Weis. Offen ist Weis für neue Ideen im Kuhstall, so füttert er z.B. den Trockenstehern eine Kompakt-TMR (die größtenteils aus Maissilage, 4,5 kg Stroh und acht Liter Wasser pro Kuh besteht), außerdem hat er in jeder Abkalbebox eine Kälberkiste angebracht, die es ihm erlaubt das neugeborene Kalb und die frischabgekalbte Kuh zügig und mit geringem Arbeitsaufwand zu versorgen. Im Melkkarussel wird bei jedem Mastitisverdacht eine Milchprobe genommen und mit Hilfe des MastDecide-Tests untersucht. Dadurch konnte der Verbrauch an Antibiotika um 50Pprozent verringert werden.
Auf die Frage, was ihn antreibt, warum er vielleicht noch mehr Milchkühe melken will, erhalten wir keine klare Antwort. Romain Weis ist überzeugt, dass durch den Ausbau der Produktion nachhaltiges und werteorientiertes Wachstum möglich ist. Je größer die Herde, desto mehr Spezialisten könnten im Kuhstall eingesetzt werden. So kümmert sich z.B. ein Mitarbeiter (Nachtwache) auch während der Nacht um kalbende Kühe und schiebt das Futter nach. Eine weitere Begründung für das Herdenwachstum schickt Weis dann augenzwinkernd noch hinterher: „Ich habe mehrere Kinder, die wollen alle in das Unternehmen einsteigen, um künftig mehrere Familien ernähren zu können braucht es eben eine gewisse Größe.“

Der Zukunftsstall

Guy Kellen (Bildquelle: Stöcker)

Investiert in einen neuen Stall hat auch Guy Kellen. Der Kuhstall, der 170 Tieren Platz bietet, eignet sich durchaus als Blaupause für künftige Kuhställe. Das Besondere an dem Stall ist, dass er zwei unterschiedliche Laufstallsysteme unter einem Dach vereint: Einen Kompoststall und einen Liegeboxenlaufstall. In dem Kompostbereich sind die Frischkalber und die (älteren) Kühe aufgestallt, die sich im gegenüberliegenden mit Liegeboxen ausgestatteten Stallabteil schwertun. Für dieses Konzept hat sich der junge Betriebsleiter (ein Elite-Herdenmanager) bewusst wegen des höheren Tierwohls entschieden. „Wir streben eine Lebenstagsleistung von 20 kg Milch an“, erklärt Guy Kellen. „Klar ist der Stall etwas teurer ausgefallen, schließlich passen wegen des Kompostabteils etwas weniger Kühe rein, aber das „Mehr“ an Tierwohl ist es uns wert.“ Kellen ist sich sicher, dass einige alte Kühe ohne den Komfort, den der Freilaufstall bietet, schon längst die Herde verlassen hätten – obwohl die Kühe ab dem Frühjahr geweidet werden.

Auf dem Kompost fühlen sich die Frischmelker sichtlich wohl. (Bildquelle: Veauthier)

Gemolken (der Tagesdurchschnitt liegt aktuell bei 33 kg Milch) werden die 210 Kühe in einem 24iger Innenmelker, der an den Stall angeflanscht ist. Die Trockensteher und die abgekalbten Färsen sind in separaten Gruppen in Altgebäuden untergebracht, teilweise in umgebauten Schweineställen. Erst vor kurzem wurde auf dem Betrieb die Sauenhaltung (120 Sauen) zugunsten der Milchproduktion aufgegeben. Auch die Kälber sind mittlerweile in einen ehemaligen Sauenstall umgezogen, der mit Lüftungsschläuchen ausgestattet wurde.

Weniger Kühe wären besser!

Pascal Vaessen (Bildquelle: Veauthier)

Einen anderen Weg eingeschlagen hat Paul Vaessen in Vianden. Er würde lieber ein paar Kühe weniger melken, als derzeit im Stall stehen. „80 Kühe wären ideal“, erklärt Pascal Vaessen, „ich mag‘s nicht so groß!“ Aktuell stehen 95 Kühe in den Ställen.
Die ursprünglich aus den Niederlanden stammende Familie des Betriebsleiters (die Eltern sind ausgewandert) hat 1965 den an unmittelbar an der deutsch-luxemburgischen Grenze auf einem Hochplateau gelegene Milchviehbetrieb langfristig von einem Versicherungskonzern gepachtet. Aber, obwohl kein Eigentum, wurde regelmäßig investiert. So wurde der Anbindestall zum Boxenlaufstall umgebaut und später erweitert, zudem wurden ein separater Kälberstall und mehrere Hallen errichtet.

Die Altgebäude wurden mehrfach umgebaut um den kühen ein Maximum an Komfort zu bieten. (Bildquelle: Veauthier)

Trotz der beengten baulichen Lage und der nicht gerade vorteilhaften Flächenausstattung (25 Bodenpunkte, extreme Sommertrockenheit, sehr hügelig) gelingt es Vaessen immer wieder, auf den 82 ha Futterflächen top Grundfutter zu produzieren (insgesamt werden 122 ha bewirtschaftet). Das Ergebnis sind sehr hohe Grundfutterleistungen. Etwas mehr als die Hälfte der durchschnittlichen Herdenleistung von 10.800 kg pro Kuh stammt aus dem Grundfutter.
Dass die Zucht Pascal Vaessens Steckenpferd ist, lässt sich an den vielen Auszeichnungen erkennen, die eine der Stallwände zieren. Besonders eine lange Nutzungsdauer liegt dem Vater von fünf Kindern am Herzen, 16 Kühe haben denn auch in den letzten Jahren die magische 100.000 kg Milch-Grenze überschritten. Aktuell steht sogar eine Kuh im Stall, die bereits 130.000 kg gemolken hat und demnächst bereits zum 13. Mal abkalbt.
Diese Erfolge haben sich mittlerweile herumgesprochen, so sind Zuchtbullen aus dem Stall von Pascal Vaessen gefragt. Seit 2009 hat der 50jährige Züchter bereits 356 Tiere vermarktet (im Durchschnitt für 1.700 Euro pro Bulle). Aber auch 20 bis 30 weibliche Tiere werden jährlich zur Zucht verkauft.

4 Melkroboter und Embryotransfer

Marianne und Christian Lis-Vaessen (Bildquelle: Veauthier)

Ebenfalls der Zucht verschrieben haben sich Marianne und Christian Lis-Vaessen. Die luxemburgischen „Master Breeder“ des Jahres 2018 aus Wincrange setzen auf „High Genomics“. Erklärtes Ziel ist es, internationale Auktionen zu beschicken und jährlich fünf bis neun Bullen an die Besamungsstation zu vermarkten. Deshalb wird auch intensiv Embryonen Transfer (ET) im Stall genutzt. Rinder, die genomisch nicht interessant genug sind, um sie zu spülen werden mit Embryonen belegt. Die Übertragung der Embryonen führt die Familie seit Jahren selbst aus.
Trotz allem Enthusiasmus für die Holsteinzucht steht die Milchproduktion dennoch klar im Vordergrund der Unternehmensaktivitäten. Dass das Betriebleiterehepaar hier auch mit großem Elan dabei ist. Belegt u.a. die Leistung der 220 Holsteinkühe von knapp 12.000 kg (900 kg Inhaltsstoffe). Seit 2012 übernehmen das Melken Lely Astronauten, aktuell teilen sich vier AMS die Arbeit. Der Kuhbestand soll noch um weitere 20 Tiere aufgestockt werden.
Insgesamt kümmern sich neben dem Ehepaar Marianne und Christian noch der Senior und drei festangestellte Mitarbeiter um den 550-köpfigen Tierbestand. Von Vorteil ist sicherlich, dass Marianne Tiermedizin studiert und jahrelang in der Herdenbetreuung gearbeitet hat. Die Außenwirtschaft ist fast vollständig an einen Lohnunternehmer übertragen. „Der garantiert uns u.a., dass 100 ha Gras gemäht und nach 24 Stunden eingepackt im Silo liegen“, begründet Christian diese Entscheidung (Kosten pro ha liegen bei 163 Euro)s. Gras wird im übrigen alle 22 Tage gemäht, so werden sieben Schnitte erreicht. Um ausreichende Erträge sicherzustellen, fährt der Düngerstreuer direkt hinter dem Häcksler her. Gülle wird erst zum 2. Schnitt auf das Grünland ausgebracht. „Erst dann ist die Grasnarbe stabil“ erläutert Christian Lis-Vaessen, „wir wollen keine Fahrspuren im Bestand sehen!“

gemolken werden die 220 Milchkühe von vier Astronauten (Lely). (Bildquelle: Veauthier)

Marianne und Christian beschreiten immer wieder neue Wege, um die Profitabilität des Unternehmens zu steigern. Keine Ration, kein Arbeitsprozess, der nicht hinterfragt wird. So wurde z.B. die TMR „umgebaut“. Bestand die Ration bis vor kurzem aus 15 Komponenten setzt sie sich jetzt nur noch aus Gras- und Maissilage, Maismehl und Rapsschrot zusammen. An den Robotern erhalten die Kühe auch nur noch max. 2,2 Kraftfutter täglich. Wurden noch bis vor kurzem 15 Komponenten grundsätzlich alle Kühe synchronisiert (Ovsynch). „Dadurch wird alles planbar, es geht uns keine Kuh mehr durch, es gibt keine Ausreißer mehr“, begründet Marianne das Verfahren. Melden die Melkroboter eine Mastitis, wird sofort eine Milchprobe gezogen und mit dem mastDecide-Schnelltest im Stall analysiert. Das Verfahren hat sich bewährt, denn die Antibiotikamenge konnte halbiert werden, der Eutergesundheit tat es keinen Abbruch. Die Trockensteher werden in festen Kleingruppen gehalten, um den Stress rund um die Abkalbung zu minimieren. Sie bleiben somit sechs Wochen lang zusammen. Zehn große Ventilatoren sorgen für eine Querlüftung im Stall, das hat sich positiv auf die Fruchtbarkeit ausgewirkt.

LUXEMBURG

Großherzogztum Luxemburg (Bildquelle: Google Maps)

Nördlich von Frankreich, eingegrenzt von Belgien und Deutschland erstreckt sich das Großherzogtum Luxemburg auf einer Fläche von 2.586 km². Rund 37 % der Landesfläche sind mit Wald bedeckt, etwa 10 % sind bebaute oder künstliche Flächen. Die Landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst demnach rund 53 % der Gesamtfläche Luxemburgs, was rund 131.000 ha entspricht. Knapp die Hälfte davon ist ackerfähig, der Rest ist Dauergrünland.
Luxemburg lässt sich grob in zwei natürliche Regionen aufteilen. Im Norden erstreckt sich ein Hochplateau (Ösling) als Ausläufer des rheinischen Schiefergebirges mit rund 32 % der Gesamtfläche. Dieses Hochplateau wird durch zahlreiche tiefe Fluss- und Bachtäler und den daraus hervorgehenden steilen Hanglagen geprägt. Der Süden des Landes (Gutland) umfasst rund 68 % der Landesfläche. Die Böden reichen von sandigen trockenen bis hin zu schweren Böden mit Staunässe. Die jährlichen Niederschläge belaufen sich zwischen 950 bis 1.000 mm im Norden und Westen des Landes und lediglich 700 im Zentrum bis Osten des Landes.
Weitere Infos zur Milchproduktion (Milchmenge, Auszahlungspreise, … finden Sie hier und hier.