Ende Mai hat der Bundesrat die Neufassung der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ (TA Luft) gebilligt. Sofern der Gesetzgeber die rund 200 Änderungswünsche am Rechtstext umsetzt, tritt die Neufassung demnächst in Kraft. Ab dann müssen alle Milchkuhhalter mit Auflagen rechnen – unabhängig von der Herdengröße. Bauherren sei gesagt, dass die Änderungen an der Verordnung den Stallbauprozess (noch) in die Länge ziehen – dafür könnte sie in einigen Punkten endlich...
Ende Mai hat der Bundesrat die Neufassung der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ (TA Luft) gebilligt. Sofern der Gesetzgeber die rund 200 Änderungswünsche am Rechtstext umsetzt, tritt die Neufassung demnächst in Kraft. Ab dann müssen alle Milchkuhhalter mit Auflagen rechnen – unabhängig von der Herdengröße. Bauherren sei gesagt, dass die Änderungen an der Verordnung den Stallbauprozess (noch) in die Länge ziehen – dafür könnte sie in einigen Punkten endlich Planungssicherheit erlangen.
Worum geht’s?
Die TA Luft definiert die zulässige Luftbelastung durch Ammoniak, Feinstaub oder Stickoxide und legt fest, wie viel Stickstoff eine Anlage an die Umgebung abgeben darf. Die Novellierung passt die Vorgaben an den aktuellen Stand der Technik an und setzt EU-Vorgaben um. Für Kuhställe gilt sie, sofern diese nach BImSch genehmigt werden müssen (> 600 Kuhplätze).
Was ändert sich?
Aber: Einige Änderungen in der derzeit diskutierten Neufassung sollen künftig für alle Milchkuhbetriebe gelten, unabhängig von der Herdengröße. Unter anderem geht es um …
- Geruch: Schon heute müssen Milchkuhbetriebe bei einem geplanten Stallbau prüfen, welche Gerüche von diesem ausgehen könnten. Bislang war dies bundeslandabhängig geregelt. In Zukunft soll einheitlich die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) gelten. Wurde bislang noch nicht nach GIRL geprüft, kommen zusätzliche Gutachter-Kosten (i.d.R. im niedrigen vierstelligen Bereich, je nach Standort/Anforderungen) auf die Betriebe zu.
- Stickstoff: Auch für kleinere Ställe, die nicht nach BImSch genehmigt werden, müssen Milchkuhhalter künftig prüfen lassen, ob sie Stickstoff in empfindliche Bereiche (Biotope, FFH-Gebiete) eintragen. Diese Prüfungen werden in „großen“ Verfahren regelmäßig durchgeführt – allerdings werden je nach Ergebnis weiterführende Naturschutz-Gutachten fällig (z.B. zur Stickstoffempfindlichkeit des tatsächlich vorhandenen Biotops), sodass Kosten und benötigte Zeit für den Genehmigungsprozess für alle deutlich ansteigen können.
- Emissionen aus der Güllelagerung: Güllebehälter müssen in Zukunft eine Emissionsminderung von mindestens 90% erreichen. Eine bloße Schwimmschicht reicht nicht mehr aus, künftig bedarf es einer festen Abdeckung auf den Behältern. Zu klären ist, ob diese gasdicht sein muss und was in diesem Fall mit dem entstehenden Methan-Gas geschieht (Gasfackel? Biogas-Anlage?). Hinweis: Für Bestandsanlagen (Soll Emissionsminderung nun 85%) fehlt bislang eine Übergangsfrist. Noch ist unklar, ob das so bleibt.
- Entmistung von Ausläufen: Schon bislang sollte der Stall sauber sein, die Flächen regelmäßig und rasch von Kot und Urin befreit werden. Neu ist nun, dass auch Auslaufflächen täglich gereinigt werden müssen.
Bewertung noch schwierig, aber bauen wird auf jeden Fall teurer!
Martin Seeßelberg, Niedersächsische Landgesellschaft mbH (Beratung Stallbau in Niedersachsen), sieht sowohl Chancen als auch Risiken: „Manche Punkte bringen endlich eine gewisse Klarheit und Planungssicherheit. Andere Inhalte, wie z.B. die Vorsorgeanforderungen zur Güllelagerung, machen auf den Betrieben Investitionen erforderlich, deren Wirtschaftlichkeit man lieber nicht hinterfragt.“ Wichtig sei nun, wie die einzelnen Länder und deren Genehmigungsbehörden mit der TA-Luft umgehen und diese umsetzen.
Steffen Pingen, Leiter des Fachbereichs Umwelt und ländlicher Raum beim Deutschen Bauernverband (DBV), kritisiert: „Die neue TA Luft geht deutlich über europäische Vorgaben hinaus und wird den Strukturwandel in der Tierhaltung in Deutschland weiter verschärfen. Eine Modernisierung von Ställen im Sinne von mehr Tierwohl und mehr Luftreinhaltung wird durch zusätzliche bauliche und gutachterliche Vorgaben verteuert und Genehmigungsvorhaben verlängert.“
Neue TA Luft könnte im Winter in Kraft treten
Auf Basis des Beschlussdokuments muss die Bundesregierung nun entscheiden, ob sie die Änderungswünsche des Bundesrats in Gänze annimmt. Ist das der Fall, könnte die Richtlinie nach Abstimmung im Kabinett Ende des Jahres in Kraft treten.
Fazit
Für Altanlagen sind mehrjährige Sanierungsfristen festgelegt worden, sodass sie Spielraum haben, die neuen Anforderungen zu planen und umzusetzen.
Für Neubauten wird es schwieriger: Auch ohne die neue TA Luft sind Genehmigungsverfahren in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden. Sie benötigen gute Planung, viel Zeit und Vorleistungen für Gutachten, um die heute deutlich sensibleren Genehmigungsbehörden zufrieden zu stellen. Tipp: Binden Sie frühzeitig Fachplaner ein, um Knackpunkte im späteren Verfahren frühzeitig ausfindig zu machen.
Immerhin: Je nachdem, wie die einzelnen Punkte letztendlich tatsächlich ausgestaltet werden, kann die neue TA-Luft für mehr Planungssicherheit bei Genehmigungsverfahren sorgen.
Diskussion: Tierwohl vs. Klimaschutz?
Während sich alle Beteiligten nach und nach durch das Beschlussdokument arbeiten, um die Entscheidungen zu erfassen, ist bereits eine Diskussion um die Gewichtung von Tierwohl und Klimaschutz entbrannt.
Der DBV kritisiert, dass weiter unklar bleibt, wie mit den offenen Liegeboxenlaufställen künftig in Genehmigungsverfahren umgegangen werden soll. Anders als in den zentral belüfteten, geschlossenen Schweine- und Geflügelställen entweicht die Luft aus Kuhställen ungerichtet. Es gebe bislang keine praxistauglichen Vorgaben, ob und wie Ställe mit Kontakt zum Außenklima in der TA Luft bewertet werden sollten. Steffen Pingen, DBV: „Wir hatten gefordert, dass die neue TA Luft im Zielkonflikt Tierwohl/Emissionsschutz dem Tierwohl eindeutig Priorität vor der Luftreinhaltung einräumt. Stattdessen bleiben jetzt viele Unsicherheiten und Risiken im Genehmigungsverfahren.“
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums (BMU) verweist hingegen darauf, dass Emissionsfaktoren für Laufställe in
Anhang 1 des Entwurfs (S. 379) enthalten seien. Ergänzend gebe es eine entsprechende
Richtlinie des Verbands Deutscher Ingenieure (VDI-Richtlinie 3894), die greife, wenn entsprechende Faktoren in der TA Luft nicht enthalten seien.
Versuche in Arbeit
Soweit es in Zukunft gesicherte neue Erkenntnisse zu Emissionsfaktoren für bestimmte Haltungsverfahren gebe, kämen diese zur Anwendung. „Projekte zur Ermittlung solcher Faktoren werden derzeit im Auftrag des BMEL vom KTBL durchgeführt, Ergebnisse sind jedoch noch nicht veröffentlicht“, so der BMU-Sprecher. Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) rechnet damit, dass solche Daten noch 2021 in einer KTBL-Schrift veröffentlicht und damit für Genehmigungsverfahren zur Verfügung stehen werden.
Emissionsfaktoren bringen Planungssicherheit
Stallplaner Martin Seeßelberg: „Wir erhoffen uns von den angekündigten Ergebnissen zu den Emissionsfaktoren eine konkrete Verbesserung und Klarheit für die Planungen der Betriebe. Gerade im Hinblick auf das Tierwohl und der damit verbundenen Baumaßnahmen, wie z.B. zusätzliche Laufhöfe, gibt es dann hoffentlich klare Vorgaben, die für Kalkulationen und Genehmigungsverfahren eine Planungssicherheit herstellen, die bisher einfach nicht gegeben ist.“
Mehr Informationen zum Messprojekt (EmiDat) finden Sie hier:
Link zur Studie
Quellen: AgE, DBV, BMU, BMEL, NLG