Um sich finanziell nicht zu übernehmen, sollte man seine Risikobereitschaft kennen. Tipps, wie sich diese ermitteln lässt und wie viel Fremdkapital ein Betrieb noch tragen kann!
Eine nachhaltige Unternehmensführung zielt da rauf ab, den eigenen Milchkuhbetrieb langfristig auszurichten („Generationendenken“) bzw. so weiterzuentwickeln, dass der Betriebszweig Milch auch in Zukunft noch wettbewerbsfähig sein wird. Wichtig dabei ist, die eigene bzw. die Lebensqualität der Mitarbeiter nicht aus den Augen zu verlieren.
Risiken richtig bewerten
Die stetig steigenden (gesetzlichen) Anforderungen und der technische Fortschritt erfordern in regelmäßigen Abständen erhebliche Investitionen. Besonders vor größeren Investitionen nimmt die Anspannung zu. Ist die Finanzierung wirklich „wasserdicht”? Wird sich die Investition tatsächlich wie geplant auszahlen?
Zunächst werden die verschiedenen Risiken benannt, die Sie für Ihren Betrieb sehen (z. B. Ausfall von wichtigen Maschinen, Unfall des Betriebsleiters, hohe Fremdkapitalbelastung, Brand oder Senkung von Direktzahlungen).
Im zweiten Schritt ist anzugeben, wie wahrscheinlich es ist, dass diese Risiken eintreten (1 = sehr unwahrscheinlich bis 10 = sehr wahrscheinlich, siehe Übersicht 1).
Risiken, die entweder einen hohen Schaden anrichten oder sehr wahrscheinlich eintreten, sollten Sie steuern, d. h., vorsorgen (z. B. durch eine Unfallversicherung für wichtige Personen) oder durch entsprechende Entscheidungen (z. B. aus einem riskanten Betriebszweig aussteigen).
Wer regelmäßig seine persönlichen Risiken analysiert und sich entsprechend absichert, ist besser gerüstet.
(Bildquelle: Rentenbank)
Notfallordner für den Ernstfall
Im direkten Notfall, z. B. im Fall eines plötzlichen (längerfristigen) Ausfalls einer Schlüsselperson wie dem Betriebsleiter oder einem leitendem Angestellten (Herdenmanager) muss ein Ersatz in kürzester Zeit in einen für ihn unbekannten Arbeitsablauf eingearbeitet werden.
In diesem Fall hilft ein gut geführter Notfallordner (Bank- und Kontovollmachten, Zugänge und Passwörter, Listen mit wichtigen Telefonnummern sowie Vollmachten und Patientenverfügung im privaten Teil; auch digital auf einem Stick oder in der Cloud). Betriebsanleitungen und Schaltpläne sollten vorausschauend vor Ort vorgehalten werden, z. B. im Schaltschrank oder Stallbüro.
Eine umfangreiche Checkliste und Anleitung dazu gibt es hier: Download.
Max. 50 Cent Fremdkapital pro Liter Milch
Vor jeder Investitions-Entscheidung sollten die ökonomischen Folgen immer gemeinsam mit einem Experten (z. B. Betriebsberater) evaluiert werden. Als Faustregel gilt, dass die Fremdkapitalquote die Schwelle von 50 Cent je kg Milch nicht dauerhaft überschreiten sollte. Weitere pauschale Angaben wie beispielsweise „60.000 € Familieneinkommen“ als Zielgröße heranzuziehen, ist in diesem Zusammenhang nicht besonders hilfreich. Jeder Unternehmer sollte sich eigene Ziele setzen. Mit Kenntnis der eigenen Zahlen ist es möglich, Projekte individuell und detailliert durchzuplanen, um die eigenen, persönlichen Rahmenbedingungen zu bestimmen – nicht die der Nachbarn oder eines fernen Durchschnitts. Wichtig: Auch Ehepartner und Familienmitglieder müssen Investitionsentscheidungen mittragen und sich dabei wohl fühlen können.
Keinen Investitionsstau ansammeln!
Damit ein Milchkuhbetrieb dauerhaft kapitaldienstfähig bleibt, ist es ratsam, möglichst kontinuierlich zu investieren. Ein Investitions- oder „Renovierungs“-Stau ist nur schwer zu beheben, ohne dass die Zahlungsfähigkeit leidet. Tipp: Bei den derzeitigen Niedrigzinsen ist zu überlegen, ob die Laufzeit von neu abgeschlossenen Krediten abhängig von der Nutzungsdauer verlängert werden kann, um die Liquidität zu verbessern.
Eine Diversifizierung des Unternehmens kann Risiken mindern und somit zur Steigerung der Nachhaltigkeit beitragen. Das lohnt sich aber nur dann, wenn beim Betriebsleiter Zeit, Lust und Wissen für einen weiteren Betriebszweig „übrig“ sind. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang sicherlich, wenn sich beide Betriebszweige ergänzen (z. B. Milchkühe und Biogas). Wird ein zusätzlicher Betriebszweig nur halbherzig betrieben, ist das Invest und die Arbeit in jedem Fall besser in der weiteren Spezialisierung auf Milch aufgehoben als in einem neuen Betriebszweig!
Langfristig zufrieden bleiben kann nur, wen die Arbeit nicht erdrückt. Die Arbeitszeit im Griff zu behalten, ist somit ein elementarer Bestandteil nachhaltiger Betriebsführung. Für viele Milchkuhbetriebe passt das Konzept des „erweiterten Familienbetriebs“ (150 bis 200 Kühe). In der Regel lässt sich der Kuhbestand von familieneigenen Arbeitskräften unter Mithilfe von ein bis zwei Mitarbeitern managen. So verteilt sich die Arbeit auf mehrere Schultern, die Chancen auf ein intaktes Familienleben steigen und die Kühe erwirtschaften ein ausreichendes Einkommen.
Nicht zu unterschätzen für einen langfristigen Unternehmenserfolg ist ein berufliches Netzwerk. Wer sich regelmäßig mit Geschäftspartnern (u. a. Banker) austauscht und zudem noch die regelmäßige Kommunikation via Hoflogo, Weihnachtskarten oder Sommerfest (z. B. mit Verpächtern) nicht scheut, kann darauf hoffen, bei interessanten Optionen zuerst in Betracht gezogen zu werden (Tipps von einer Kommunikationsexpertin, wie dies mit einfachen Maßnahmen gelingt, finden Sie hier).
Mehr als nur Mindestlohn
Wichtig: Alle Menschen, die auf dem Milchkuhbetrieb arbeiten, müssen einen fairen Lohn erhalten, denn auch Mitarbeiter müssen steigende Lebenshaltungskosten ausgleichen und von ihrer Arbeit leben können. Der Mindestlohn reicht da in der Regel nicht (siehe auch: „Was Melker verdienen“, Elite 6/2018)
Zudem ist eine angemessene Entlohnung eine wichtige Voraussetzung, um auch künftig noch gute Mitarbeiter im eigenen Unternehmen zu binden. Allerdings entscheidet nicht nur der Lohn über die Attraktivität eines Arbeitsplatzes. Ausschlaggebend dafür, eine Arbeitsstelle anzutreten bzw. diese zu behalten, können auch das Vorhalten moderner Produktionstechnik, geregelte Arbeitszeiten, regelmäßige Fortbildungen, Teamwork, ein eigener Verantwortungsbereich, einheitliche Arbeitskleidung oder das Überlassen eines Diensthandys sein.
Tipp: Investieren Sie in sich selbst und Ihre Mitarbeiter. Bilden Sie alle regelmäßig fort, denn Wissen verbessert die Arbeitsabläufe und macht sich langfristig bezahlt.