Babymilch – das neue Gold?

Warum ist die Geburtenrate in China so wichtig für die europäischen Milchbauern und warum sollten europäische Milcherzeuger noch mehr in Qualitäts-Milchprogramme investieren?

Frustriert verlässt Frau Wáng den Supermarkt in Taiyuan, einer der vielen neuen Millionen-Städte im Norden Chinas. Die aus Milchpulver hergestellte Babymilch, die sie zur Ernährung ihrer acht Wochen alten Tochter einkaufen wollte, ist mal wieder ausverkauft.
Baby- und Kindernahrung ist in China sehr nachgefragt, denn die meisten chinesischen Frauen stillen ihre Neugeborenen nicht mehr, sie füttern zu. Haben in den 80iger-Jahren des letzten Jahrhunderts noch fast alle chinesischen Mütter gestillt, legt aktuell nur noch knapp jede vierte ihr Kind an die Brust an. Da in China die Geburtenrate  schon seit Jahren nicht mehr abnimmt, ist die Nachfrage nach Milchpulver enorm angestiegen. Das wiederum hat so manchen Unternehmer ein lukratives Geschäft wittern lassen. Immer wieder haben Hersteller Milchpulver mit teilweise dubiosen Nebenprodukten verschnitten und gestreckt. Nicht selten sind leider aber die mit der qualitativ minderwertigen Ersatznahrung gefütterten Kleinkinder erkrankt. Groß in die Schlagzeilen geraten ist diese Praxis erstmals im Jahr 2008 (Melanin-Skandal), als eine gepanschte Säuglingsnahrung zur Erkrankung von knapp 300.000 Babys führte und sechs Säuglinge starben.

Chinesen trauen heimischen Produkten nicht

Viele Chinesen bevorzugen deshalb seit Bekanntwerden des Melanin-Skandals Markenprodukte von Herstellern aus Australien, USA und Europa. Doch  diese Ware ist knapp in China, nicht zuletzt auch durch die Intervention der chinesischen Behörden.  Im vergangenen Winter  wurden überall in dem riesigen Land auf Anordnung der Behörden Milchpulverdosen aussortiert. Mit dieser rigorosen Maßnahme wollen die Behörden das angeknackste Vertrauen der heimischen Bevölkerung in chinesische Milchprodukte endlich wiederherstellen. So hat die  Lebensmittelaufsicht in Peking  mehr als 1.400 Produkte vom Verkauf ausgeschlossen. Rund 60 % aller Ersatzmilch- und Breisorten wurden von den Behörden aussortiert. Mittlerweile sind nur noch etwa 950 Milchersatzprodukte von knapp 130 Herstellern im Reich der Mitte zugelassen.

Seit Anfang 2018 wurden auf Anordnung der Behörden qualitativ unzureichende Milchpulverdosen aussortiert. (Bildquelle: elite)

Doch trotz rigoroser Auflagen und einer umfangreichen TV-Marketingkampagne der Lebensmittelaufsicht   machen immer wieder Gerüchte über Lebensmittelskandale die Runde. So soll unlängst erst Xinjiang Xibu Muye, ein Hersteller aus Westchina, bei der Produktion von mindestens 18.000 Dosen bereits abgelaufene Inhaltsstoffe verwendet haben. 
Ungeachtet solcher "Gerüchte" feiern die staatlichen Kommissionen  die Konsolidierung der lokalen Milchindustrie als Maßnahme zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und -qualität. "Eine stärkere Regulierung und Überwachung der Branche ist derzeit eine unserer Prioritäten“, erklärte unlängst erst Bi Jingquan, der Chef der chinesischen Lebensmittelaufsicht. Anzuerkennen ist, dass die  Behörden viele kleinere Molkereien und Verarbeiter zur Produktionsaufgabe gezwungen haben (darunter viele "Hinterhof-Molkereien", die von dem Nachfrageboom profitieren wollten).
Bei der Gesundheit des Babys gehen wir auf Nummer sicher."
Liu Weifen
„In allen anderen Bereichen nehmen wir natürlich auch chinesische Marken, aber bei der Gesundheit des Babys gehen wir auf Nummer sicher“, erklärt die 28-jährige Liu Weifen, die mit ihrer einjährigen Tochter in dem Supermarkt „BHG“ in Peking einkauft.  Anscheinend bedarf es  noch viel Geduld und guter Argumente, um  Chinas junge Eltern von der Qualität heimischer Milchprodukte zu überzeugen.

Hamsterkäufe im Ausland

Da, so wie Liu Weifen, eine Mehrheit der chinesischen Verbraucher immer noch Milchpulver aus dem Ausland bevorzugt (acht der zehn bestverkauften Marken in China kommen von internationalen Herstellern), kann die...