Der vollautomatische Stall ist schon heute keine Utopie mehr. Das kann Arbeitszeit reduzieren oder flexibler gestalten – gerade für Familienbetriebe oder in von Arbeitskräftemangel geprägten Regionen ein wichtiger Faktor. Andererseits kann Automatisierung die Milcherzeugung aber deutlich verteuern.
Strom, Wasser, Wartung
Werden Arbeitsabläufe automatisiert, laufen die Maschinen entweder häufiger über den Tag verteilt (AMS, Kühltechnik, BCS-Kameras, …) oder schalten sich nach Bedarf und in entsprechender Intensität ein (Belüftung, Licht). Das bedeutet, dass
die Geräte länger laufen,
einen „Sicherheitszuschlag“ bei den Betriebsmitteln einplanen und
Störungen gravierender ausfallen, wenn weniger Reparatur-Zeit zur Verfügung steht, und deshalb die Bedeutung von vorbeugender Wartung steigt.
(Teil-)Automatisch arbeitende Geräte weisen daher höhere laufende Kosten auf als nicht-automatisierte Geräte. Neben Herstellerunterschieden ist das Management ein bedeutender Faktor. Wie kann man unliebsame Überraschungen vermeiden?
Automatisch melken: Oft der Einstieg
Für viele Betriebe ist das automatische Melken (AMS) der Einstieg in die Automatisierung. Je nach Region entscheiden sich mittlerweile schon mehr als die Hälfte der Milcherzeuger bei Neu- oder Umbau für den Melkroboter. Neben dem Anschaffungspreis und der entsprechenden Abschreibung laufen im Betrieb Kosten für den Verbrauch von Strom, Wasser, Reinigungs- und Dippmittel sowie für Service und Wartung auf.
Strom und Wasser: Tests da, aber kaum genutzt
Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) hat ein Testprotokoll für Melkroboter entwickelt, bei dem unter Laborbedingungen u.a. der Bedarf an Energie, Wasser, Dipp- und Reinigungsmitteln getestet werden kann. Leider haben nur wenige Hersteller (Lely, Lemmer-Fullwood, GEA) ihre Melkroboter dort unabhängig testen lassen; und das auch nicht alle nach dem neuesten Testprotokoll.
In der Datenbank der DLG sind in den letzten 21 Jahren nur fünf AMS-Testberichte veröffentlicht worden. Hersteller können ihre Produkte in sechs Kategorien testen lassen. Je nachdem, ob alle Prüfmodule durchlaufen werden oder nur einzelne, erhalten die Produkte das Siegel „DLG-anerkannt Gesamtprüfung“ (früher Signum-Test) oder „DLG-anerkannt in Einzelkriterien“ (früher Fokus-Test).
(Bildquelle: Martin Zäh)
Tipp: Die Redaktion des Landtechnik-Magazins Profi hat die Verbrauchskennzahlen des Lely A4 auf dem Prüfstand und in der Praxis verglichen. Auch den Melkroboter von GEA hat Profi unter die Lupe genommen und die Ergebnisse gemeinsam mit Experten für drei verschiedene Szenarien interpretiert. Alle Beiträge zum Nachlesen finden Sie hier.
Verbrauch abhängig vom Betrieb
Die Tests zeigen, dass der Wasser- und Stromverbrauch der Maschinen stark von den betriebsindividuellen Bedingungen abhängt:
Wie lang ist die Milchleitung, wärmt eine Wärmerückgewinnung Reinigungswasser vor?
Werden Kannenkühe und Langsammelker getrennt oder organisiert gemolken?
Wie ist der Wartungszustand des AMS? Schon leichte Leckagen im Kompressor können den Stromverbrauch um ein Drittel erhöhen!
Neben dem Melken sind die Reinigung von AMS und Tank sowie die Kühlung der Milch die größten Stromfresser. Häufig gibt es keine separaten Stromzähler, mit deren Hilfe man die Verbräuche zuweisen könnte.
Die meisten Studien bilden daher Stichproben ab. Dass man mit einem höheren Verbrauch pro Kuh als in einem vergleichbaren Melkstand rechnen sollte, zeigen Erhebungen aus Bayern (Übersicht 1; durchschnittlich +11%) und Hessen (Übersicht 2). Die Spanne zwischen den Betrieben ist aber groß! Je nach Einstellung brauchen AMS außerdem mehrere 100 l Dippmittel pro Jahr.
Tipp: Auch, wenn von wenigen Modellen realistische Verbrauchszahlen vorliegen – planen Sie bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung einen großzügigen Puffer für die Nebenkosten ein! Ein Gespür dafür, wie hoch diese ausfallen, entwickeln Sie am besten in Gesprächen mit Berufskollegen, die schon länger automatisch melken (oder füttern) und die Ihnen nicht von den Unternehmen empfohlen worden sind.
Wartung und Service: ca. 7.000 Euro pro Jahr
Ein zweiter Kostenblock ist Service, Wartung und Reparatur (also all jene Kosten, die Ihnen Ihr Service-Center in Rechnung stellt).
„In unseren Arbeitskreisen laufen im Durchschnitt der Jahre pro Roboterbox und Jahr Kosten von rund 7.000 Euro auf“, erklärt AMS-Berater Otto Kirmaier, LKV Bayern. „Allerdings ist das schwer verallgemeinerbar, weil es haushohe Unterschiede zwischen den Betrieben gibt! Die Spanne allein bei uns liegt zwischen 3.000 und 10.000 Euro.“
Erst günstig, später teurer
Zum einen verteilen sich die Reparaturkosten meist sehr unregelmäßig über die Laufzeit der Geräte. Während in den ersten ein bis drei Jahren kaum etwas anfällt (Wartungs- und Reparaturkosten: 0,8 bis 1,0 ct/kg Milch/Jahr), fallen ab dem fünften Jahr oft größere Reparaturen und Updates an (Kosten eher 1,0 bis 1,5 ct/kg Milch/Jahr; siehe Übersicht 3).
In dieser Praxiserhebung aus Hessen betrug die Kostensteigerung über sieben Jahr im Durchschnitt 1657€ pro Jahr – allerdings ohne Eigenentlohnung des Betriebsleiters.
(Bildquelle: Bonsels/Steinhagen)
Wie hoch die „Einschläge“ bei den Reparaturkosten in den Folgejahren ausfallen, hängt laut Dr. Jan Harms, AMS-Experte der LfL Bayern, auch vom Engagement des Einzelnen ab: „Diejenigen, die ihr Gerät in den ersten Jahren sehr gut kennenlernen und Wartungs- und Kontrollroutinen etablieren, kommen am Ende günstiger weg. Sie können einiges selbst beheben und finden teure Fehler früher!“
Sein Tipp: Orientieren Sie sich in der Planung der jährlichen Kosten zunächst am teuersten Servicevertrag der jeweiligen Firma. Am besten noch vor dem Kauf die Serviceverträge von allen in Frage kommenden Herstellern aushändigen lassen!
Wie groß der Hebel des Einzelnen für erfolgreiches automatisches Melken ist, zeigen Zahlen aus dem Norden: „Wenn 12 bis 14 Cent zwischen den Produktionskosten der besten und der schlechtesten Milchkuhbetriebe liegen, macht das Melksystem allein keinen Unterschied mehr“, erklärt Jan Hinnerk Alberti, Agrar Beratung Nord. „In Familienbetrieben stellt sich derzeit oft nicht mehr die Frage, ob automatisiert wird, sondern wie. Können Sie die nötigen Durchsätze erreichen, stimmt die Milchleistung? Das bestimmt die Wirtschaftlichkeit!“
Seinen Berechnungen zufolge reduziert sich die Kostendifferenz zwischen AMS- und Melkstandbetrieb auf unter 1 Cent/kg Milch, wenn alle relevanten Faktoren (u.a. Betriebsgröße) herauskorrigiert werden.
„Wichtig ist, ehrlich zu sein: Bin ich bereit, mein Management ‚robotergerecht‘ umzustellen? Sind alle kalkulatorischen Kosten inklusive Arbeit eingerechnet, Kosten für Verbrauch und Reparatur bedacht? Ist der Betrieb zukunftsfähig – unabhängig vom Melksystem?“ Dazu gehört auch, die Nutzungsdauer kritisch zu betrachten. Die meisten Geräte erfahren regelmäßig Updates und müssen nicht nach zehn Jahren ausgetauscht werden – es sei denn, es muss unbedingt ein neueres Modell sein.
Am Beispiel des automatischen Melkens wird deutlich, dass es viel Vorbereitungszeit und Aufwand bedarf, um für den eigenen Betrieb eine saubere Wirtschaftlichkeitsberechnung für neue Technik aufstellen zu können und die Vorteile zu nutzen. Immerhin: Der eigene Hebel ist groß, um die Folgekosten im Griff zu behalten!
Planen Sie Verbräuche, Wartungs- und Reparaturkosten ein. Lässt sich auch ein Worst-Case-Szenario (hohe Kosten, keine steigende Milchleistung) rechnerisch noch darstellen? Was muss sich im Management ändern, damit die Produktivität wirklich steigt?
Arbeiten Sie vor dem Kauf intensiv die Unterschiede zwischen den Herstellern heraus. Fordern Sie bei Verkaufsverhandlungen unabhängige (DLG-)Tests über Verbrauchswerte ein – wo Nachfrage ist, entsteht hoffentlich ein Angebot! Und rechnen Sie realistisch: Ist es wirklich möglich, unter den gegebenen Voraussetzungen die berechnete Milchleistungssteigerung zu erreichen oder limitiert doch ein Altgebäude das System?
Machen Sie sich bewusst, dass Sie nach Vertragsunterzeichung stärker als zuvor auf den Hersteller Ihrer Technik angewiesen sind. Auch die Unternehmen wissen um ihre dann mächtige Verhandlungsposition – manchmal zum Nachteil des Milcherzeugers.
An plötzlich steigenden Stromverbräuchen lassen sich defekte Teile oder Probleme aufspüren. Lassen Sie Ihren Elektriker vor Ort Stromzähler vor die wichtigsten Bauteile (insbesondere Kühlen, Warmwasserbereitung, Melken) installieren und kontrollieren Sie diese wöchentlich!
Etablieren Sie Wartungsroutinen und sprechen Sie mit Ihrem Servicetechniker über Einsparpotenzial. Sorgen Sie dafür, dass mehr als eine Person sich mit der Technik auskennt.
Bei Licht, Belüftung und Entmistung können moderne Technik (z.B. LEDs), regelmäßige Stromanbieter-Wechsel und angepasste (Eigen-)Stromnutzung Einsparmöglichkeiten bieten.