Geeignete Kühe für automatische Melksysteme? Ein Blick auf verschiedene Auszeichnungen für Besamungsbullen und wichtige Tipps zur Roboter-gerechten Anpaarung.
Stallbau, Fütterung, Arbeitsabläufe… Bei der Umstellung auf automatisches Melken müssen viele Faktoren angepasst werden. Das gilt auch für den Bereich Zucht. Denn: Die Herde muss zum Melksystem passen! Neben Strichstellung, Euterboden oder Melkbarkeit sind auch das Fundament und der Charakter von Kühen entscheidend, ob sie in das System „Melkroboter“ passen oder nicht.
Der Weg zu einer AMS-fähigen Herde?
Ein kurzfristiger Weg sind die Selektion von Einzeltieren und der Zukauf geeigneter Jungkühe. Langfristig gilt es aber vor allem, bei der züchterischen Anpaarung intensiv auf relevante Merkmale zu achten. Hilfestellung geben hier verschiedene Auszeichnungen für Besamungsbullen, die eine positive Vererbung von AMS-bedeutsamen Merkmalen aufweisen. Die tatsächliche Anpaarung sollte dennoch zielgerichtet anhand von Einzelmerkmalen erfolgen.
Bei einer unausgeglichenen Euterbalance, z.B. einer vordereuterlastigen Kuh, fällt es der Roboter-Kamera schwer, die hinteren Striche zu finden.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano )
Die richtigen Bullen einsetzen
Viele Zuchtunternehmen weisen besonders robotergeeignete Besamungsbullen in Bullenkatalogen aus. In der Regel gibt es Grenzwerte in relevanten Einzelmerkmalen, die ein Bulle erfüllen muss, um eine Roboter-Auszeichnung zu erhalten. Ein Bulle kann die Auszeichnung damit auch wieder verlieren, wenn sich seine Zuchtwerte nicht bestätigen sollten. Die Zusammensetzung der AMS-Zuchtwerte sowie die Kriterien für eine Auszeichnung sind je nach Zuchtunternehmen etwas unterschiedlich.
Beispiele für Auszeichungen und Zuchtwerte
1. „RZ Robot“ (Deutsche Zuchtverbände)
Der RZ Robot wird für Holsteinbullen deutscher Zuchtverbände ausgewiesen und dient als Orientierung, um robotertaugliche Bullen auf den ersten Blick zu erkennen. Um einen RZ Robot zu erhalten, muss der Bulle drei Grenzwerte aufweisen: Melkbarkeit und Strichlänge ≥ 94 und Strichplatzierung ≤ 106.
Für den RZ Robot wird neben der reinen Auszeichnung auch ein Relativ-Zuchtwert ausgegeben. Dieser wird entsprechend der Gewichtung der Einzelmerkmale und deren Zuchtwerte berechnet. Hier besteht ein weiteres Grenzkriterium: Der berechnete RZ Robot muss mindestens einen Wert von 107 aufweisen. Andernfalls wird der Bulle nicht mit dem RZ Robot ausgezeichnet. Grundsätzlich gilt: Je höher der Wert, desto geeigneter ist der Bulle für automatische Melksysteme.
In der folgenden Abbildung ist die Gewichtung der Merkmale im RZ Robot dargestellt:
2. „Roboter“ (CRV)
Auch die Auszeichnung „Roboter“ für Bullen des niederländischen Zuchtunternehmens CRV kann als Hilfsmittel dienen, um einen „Allrounder-Bullen“ zu finden, der zur Herde und vor allem zum Melksystem passt. Für diese Bullen gelten diese Grenzkriterien für die Roboter-Auszeichnung: Melkbarkeit und Strichlänge ≥ 94, Strichplatzierung hinten ≤ 108, Eutergesamtnote ≥ 100, Euterboden zwischen 96 und 130. Beim Fundament gelten ≥ 106, bei der Zellzahl ≥ 100.
Neben den Merkmalen, die beim RZ Robot berücksichtigt werden, sind hier auch die Merkmale Euterboden und CRV-Effizienz im Roboter integriert. Das Merkmal „Euterboden“ meint damit den Abstand vom Euterboden zum Sprunggelenk. Die „CRV-Effizienz“ beschreibt die Milchproduktion, Nutzungsdauer und Futtereffizienz im Leben einer Kuh.
In der folgenden Abbildung ist die Gewichtung der Merkmale in der Roboter-Auszeichnung dargestellt:
3. „RobotPRO“ (WWS)
Die Bullen des amerikanischen Zuchtunternehmens WWS erhalten die AMS-Auszeichnung RobotPRO, für die in amerikanischen Bullenkatalogen auch ein Zuchtwert aus mehreren Merkmalen errechnet wird. Die Grenzen, die für die reine Auszeichnung eingehalten werden müssen, sind Folgende: Melkbarkeit ≥ 94, Strichlänge und Strichplatzierung ≤ 106 auf deutscher und ≤ 0,5 auf amerikanischer Basis, sowohl für die Strichplatzierung hinten als auch vorne.
4. „Robot Ready“ (Semex)
Auch beim kanadischen Unternehmen Semex werden robotertaugliche Besamungsbullen unter dem Namen Robot Ready gekennzeichnet. Dieser wird auch in deutschen Bullenkatalogen angezeigt. Die Bullen müssen diese Kriterien erfüllen: Melkbarkeit ≥ 98, Melktemperament ≥ 95, die Euternote ≥ 2, die Eutertiefe > -2, Strichlänge zwischen -6 und +10 und die Strichplatzierung vorne > -4 sowie hinten zwischen -7 und +4. Dazu kommen die Bereiche Eutergesundheit und Fundament mit den Kriterien: Zellzahl ≤ 2,99, Mastitis-Resistenz ≥ 100, Fundament ≥ 0 und die Hinterbeinstellung ≥ 2.
NEU: Zuchtwert für den Euterboden
Ein weiteres wichtiges Merkmal für automatische Melksysteme ist das Verhältnis von Vorder- und Hintereuter, die Euterbalance. Besonders vordereuterlastige Kühe können vom Melkroboter oftmals schlecht angesetzt werden, da die Kamera die hinteren Striche nur schwer finden kann.
Ab der Zuchtwertschätzung im Dezember veröffentlicht Semex mit dem Merkmal „Euterboden“ einen Zuchtwert für die Euterbalance. Dieser wurde in Kanada entwickelt (CDN) und wird auch in deutschen Bullenkatalogen für Besamungsbullen der Rassen Holstein und Jersey ausgegeben. Ein Euterboden-Zuchtwert von 0 bedeutet, dass Vorder- und Hintereuter in etwa auf einer Höhe sind (Optimalmerkmal). Die Streuung geht von -15 (hintereuterlastig) bis +15 (vordereuterlastig). Die Erblichkeit ist mit 21 % relativ hoch. Zukünftig soll dieses Einzelmerkmal auch als Grenzkriterium für den Robot Ready dienen.
Bei der Rasse Brown Swiss ist die Euterbalance schon seit vielen Jahren ein offizielles Merkmal, das vor allem für AMS-Betriebe zur Anpaarung dienen kann. Für Holsteins gibt es in Deutschland bisher noch keinen Zuchtwert für die Euterbalance bzw. den Euterboden. Das Merkmal „Eutertiefe“ beschreibt lediglich den Abstand vom Euterboden zum Sprunggelenk. Bei CRV wird dieser Abstand mit dem Merkmal „Euterboden“ beschrieben.
Auch für Fleckvieh und Braunvieh?
Bei Fleckvieh und Braunvieh sind Zuchtwerte für die Robotertauglichkeit bisher noch wenig verbreitet. Braunvieh-Kühe funktionieren grundsätzlich sehr gut in automatischen Melksystemen und erweisen sich vor allem im Fundament oft positiv gegenüber anderen Rassen. „Auch die enge Strichstellung hinten war beim Braunvieh noch nie so problematisch wie beispielsweise bei Holsteins.“ schildert Dr. Franz Birkenmaier, Zuchtleiter bei der Allgäuer Herdbuchgesellschaft (AHG). Zwar werde durchaus über derartige Auszeichnungen diskutiert, eine Nachfrage aus der Praxis sei aber nicht wirklich vorhanden.
Bernhard Luntz vom LfL Bayern wünscht sich in Zukunft durchaus derartige Zuchtwerte für Fleckvieh-Bullen: „Die erfassten Daten der Roboter selbst können eine Menge Ansätze liefern, um Problembereiche und entsprechende züchterische Anforderungen herauszufinden.“ Die Daten seien vorhanden, man müsse sie deshalb auch unbedingt für die Entwicklung von Zuchtwerten nutzen. Zukünftig könne er sich vorstellen, dass auch für Fleckvieh entsprechende Informationen eingeführt werden.
Beispiel: „melk roboter“ (BVN)
Eine beispielhafte Auszeichnung für Fleckvieh-Bullen, die AMS-relevante Merkmale positiv vererben, veröffentlicht der Besamungsverein Neustadt a.d. Aisch (BVN) mit dem Namen „melk roboter“. Die Grenzwerte für diese Auszeichnung wurden bereits vor über 15 Jahren erarbeitet und seitdem stetig angepasst. „Die Auszeichnung soll vor allem als Information für die Landwirte dienen“, erklärt Andrea Hefner vom BVN.
Beispiel: „Roboter“ (CRV)
NEU: Seit Dezember 2020 kennzeichnet auch CRV besonders robotertaugliche Fleckviehbullen mit dem Icon „Roboter“. Anhand einer festgelegten Berechnungsformel wird für alle Fleckviehbullen ein Wert aus verschiedenen Einzelmerkmalen und ihrer prozentualen Gewichtung berechnet. Weist ein Bullen einen Wert von 120 oder höher auf, wird er mit dem Roboter-Icon ausgezeichnet. Der Wert 120 gilt demnach als Mindestanforderung.
Die Einzelmerkmale mit Gewichtung: Melkbarkeit (5%), Fundament (15%), Milch kg (10%), Persistenz (15), Eutergesundheit (10), Euterboden (10), Strichlänge (7%), Strichdicke (3%), Strichplatzierung vorne (10%), Strichplatzierung hinten (10%) und Strichstellung hinten (5%).
Da es beim Braunvieh keine expliziten Auszeichnungen für die Robotereignung von Besamungsbullen gibt, sollte hier besonders auf die Einzelmerkmale im Bereich Euter und Fundament geachtet werden.
(Bildquelle: Berkemeier)
8 Tipps zur gezielten Anpaarung
Zuchtziel: Bei Betrieben mit automatischen Melksystemen sind gute Euter und stabile Fundamente noch relevanter als bei konventionellen Melksystemen. Dennoch steht immer das betriebsindividuelle Zuchtziel und damit die Schwächen in der eigenen Herde im Fokus. „Das herdenindividuelle Zuchtziel sollte die Grundlage sein. Der Roboter-Zuchtwert dient dabei zur Orientierung.“, rät Ralf Masbaum, CRV.
Vorselektion: Eine Auszeichnung für Robotertauglichkeit dient hauptsächlich der Vorselektion von Bullen. Ein Milchkuhhalter mit AMS kann das sehr große Angebot an Besamungsbullen anhand dessen gut eingrenzen. Aber: „Es sollten nicht grundsätzlich alle Bullen ausgeschlossen werden, die keine Roboter-Auszeichnung aufweisen. Auch ein Bulle, der zum Beispiel nur einen Punkt hinter dem Grenzwert liegt, kann für eine Einzelkuh noch geeignet sein“, erklärt Stef Verwaaijen, Semex.
Einzelmerkmale: Bei der Anpaarung (von Einzeltieren) sollte man neben allgemeinen Kriterien, wie zum Beispiel einem hohen Gesamtzuchtwert, schließlich nach Einzelmerkmalen gehen, das gilt vor allem auch für roboterrelevanten Merkmale. Die Anpaarung kann anhand von genomischen Daten und/oder durch die visuelle Wahrnehmung der Kühe erfolgen.
Sicherheit: Für Roboter-Zuchtwerte direkt wird keine Sicherheit angegeben bzw. ist diese nicht relevant. Denn die Zuchtwerte beruhen lediglich auf einer Sammlung von Einzelmerkmalen, die wiederum eigene Sicherheiten aufweisen. Bei töchtergeprüften Bullen ist die Sicherheit der Einzelmerkmale bekanntlich höher als bei genomischen Jungbullen. Beim Einsatz von Jungbullen sollte deshalb immer variiert werden.
Anpaarungsprogramme: Der Roboter-Zuchtwert sowie die relevanten Einzelmerkmale können in Bullenanpaarungsprogrammen betriebsindividuell berücksichtigt werden. Dort ist es dann möglich, einzelne Merkmale hinzuzufügen oder abzuschalten. Christoph Niehues-Pröbsting von der RUW appelliert: „Vor allem für typisierende Betriebe und Betriebe, die ein Anpaarungsprogramm nutzen, ist die Betrachtung von Einzelmerkmalen viel wichtiger.“
Kuhfamilie: Neben Euter- und Fundamentmerkmalen spielt auch der Charakter und das Melkverhalten von Kühen eine Rolle, wie gut sie im Melkroboter funktionieren. Zwar sind das Melktemperament oder die Melkbarkeit im Roboter-Zuchtwert integriert, dennoch gibt es immer auch „Spezialkühe“ oder bekannte Kuhfamilien, die sich gut oder weniger gut eignen. Hier bedarf es durchaus auch einer Selektion unabhängig von Zuchtwerten.
Nachzucht-Selektion: Weibliche Tiere bekommen im Rahmen einer Herdentypisierung keine Auszeichnung für Robotertauglichkeit. Hier kann aber die Streuung der Einzelmerkmale extrem groß sein, weshalb diese in Bezug auf automatisches Melken unbedingt genau analysiert werden sollten.
Deckbullen: Auch für Deckbullen wird keine explizite Robotereignung berechnet. Hier sollte man vorzugsweise nach Einzelmerkmalen entscheiden, vor allem mit Blick auf den aktuellen Zustand der Herde.
Hinweis: In jedem Land gibt es Unterschiede in der Kuh-Population, die als Basis für die Zuchtwertberechnung dient. Daher können sich die Zuchtwerte von Bullen internationaler Zuchtunternehmen bei der Umrechnung auf die deutsche Basis durchaus verändern. Das gilt auch bei den Grenzkriterien für die AMS-Auszeichnungen. Das heißt, dass ein Bulle, der beispielsweise in Amerika als robotertauglich ausgewiesen wird, diese Auszeichnung in Deutschland nicht erhält oder andersherum.